Studie: VoIP sorgt für Milliardenausfälle bei Telekomkonzernen

02.08.2005
Die Internet-Telefonie beschert laut einer Analyse des Consulting-Unternehmens Deloitte den großen europäischen Telekomkonzernen in den kommenden Jahren Umsatzausfälle in Milliardenhöhe. Die Verdrängung ihrer Produkte durch Voice-over-IP (VoIP) sei „kein Zukunftsszenario“, sondern habe bereits begonnen.

Während die Umsätze im klassischen Telefondienst sinken, werde der Umsatz mit VoIP bis zum Jahr 2007 auf 528 Millionen Euro ansteigen. Marktforscher Gartner rechnet für 2007 mit einem weltweiten VoIP-Umsatz von 3,6 Milliarden Euro.

Die Zahlen für den deutschen Markt: Über 12 Prozent aller internationalen Gespräche aus Deutschland seien bereits im vergangenen Jahr über VoIP gelaufen. Eine halbe Million Kunden nutzen die IP-Telefonie. 14 Prozent der Unternehmen setzen VoIP ein. Auf internationalem Parkett verzeichnet der reine VoIP-Anbieter Skype inzwischen weltweit 15 Millionen Kunden.

Die Internet-Telefonie stellt auf Kundenseite eine Alternative zur Festnetztelefonie dar, auf Wettbewerberseite ermöglicht sie neuer Konkurrenz wie den Internet-Zugangsanbietern den Eintritt in den Markt. Deloitte beschreibt, abgesehen von diesen Änderungen, einen weiteren Wandel in der Telekommunikation. Die Sprachtelefonie verlagert sich zunehmend auf den Mobilfunk. Der Festnetzanschluss gilt dagegen mehr und mehr als Zugangsmedium zum Internet via ISDN oder DSL.

Mehr Wettbewerb – sinkende Preise

Für Konzerne wie die Telekom, die sowohl Mobilfunk, als auch Internet und Festnetz anbieten, überschneiden sich die Märkte. Am Montag kündigte die Telekom-Tochter T-Online den großflächigen Einstieg in die Internet-Telefonie an, wir berichteten. Damit konkurriert sie mit der Festnetztochter T-Com im eigenen Hause. Außerdem zwingt die neue Konkurrenz durch die Internet-VoIP-Anbieter zu einer neuen Angebots- und Preisgestaltung. Deloitte fasst dies mit zunehmender Wettbewerbsintensität und Innovationsgeschwindigkeit zusammen. Seit der Liberalisierung des deutschen Sprachtelefonmarktes 1998 hat sich die Zahl der Anbieter auf 2304 verdoppelt. Hochwertige Telekommunikationsdienstleistungen zu niedrigen Preisen seien auf der Nachfrageseite Trumpf. Der Preiskampf für DSL-Flatrates, der sich in den vergangenen Monaten abgespielt hat, ist Ausdruck davon.

Ein Hemmschuh für die Internet-Telefonie auf Privatkundenseite bleibt allerdings die Koppelung von Telefon- und DSL-Anschluss. Erst wenn eine Entkoppelung dieser Anschlüsse stattfindet, so Deloitte, werde VoIP auf dem deutschen Privatkundenmarkt den richtigen Durchbruch schaffen. Bislang zahlen DSL-Kunden, die VoIP nutzen, Grundgebühren sowohl für den Telefon- als auch den DSL-Anschluss. Im Artikel VoIP: Der Billigpreis-Bluff finden Sie weitere Aspekte zur Preisgestaltung der Internet-Telefonie beschrieben.

Kabelnetze – Konkurrenz im Hintergrund

Neben den Internet-Anbietern könnten auch Kabelnetzbetreiber zur Konkurrenz für Telekomunternehmen werden. Anders als die DSL-Anbieter, die größtenteils als Reseller der Telekom fungieren - von den 6,7 Millionen DSL-Anschlüssen Ende 2004 wurden 5,8 Millionen von der Deutschen Telekom bereitgestellt -, verfügen die Kabelanbieter über eigene Netze, die zudem deutlich höhere Kapazitäten liefern.

Dass die Kabelnetzbetreiber sich zunehmend auf Sprachtelefonie und Internet-Angebote konzentrieren hat noch weitere Gründe. Die flächendeckende Einführung von DVB-T, dem terrestrischen digitalen Fernsehen, zwingt Kabelnetzbetreiber, ihren Kundenstamm an sich zu binden, so Deloitte. Internet-Zugang und Sprachtelefonie gelten dafür als marktgerechte Mittel. Dass rund zwei Drittel der deutschen Haushalte ans Kabelnetz angeschlossen werden können, zeigt das Potenzial des Netzes.

Noch schütze die Koppelung von Endkundenzugang und Sprachtelefonievertrag die Telekom, berichtet Deloitte. Allerdings laufe die Telekom Gefahr, im Zuge des Wiederverkaufs der schnellen DSL-Internet-Leitungen durch die Internet Service Provider beim Endkunden nicht mehr als Vertragspartner wahrgenommen zu werden und ihren Premium-Aufschlag für klassische Sprachtelefonie im Vergleich zur günstigeren IP-Telefonie zu verlieren. (uba)