Strich durch die Rechnung

14.10.1998
Noch im letzten Jahr rechnete der Bundesfinanzminister vor, wie der Bundeshaushalt von der Liberalisierung des TK-Marktes profitieren könne: Er wollte für jede Netz- und Sprachlizenz jeweils 100 Millionen Mark erheben und so bis zu drei Milliarden Mark kassieren. Zwar sind die Behörden "bescheidener" geworden: zuletzt war die Rede von unter 10 Millionen Mark. Doch die im März verabschiedete EU-Lizenzrichtlinie macht dem Minister endgültig einen Strich durch die Rechnung.

Von: Dr. Michael Esser-Wellié

Die leider etwas komplizierte Rechtslage in Deutschland für die Erhebung der Gebühren ermöglichte bisher das für alle Carrier wenig befriedigende Summenspiel der Behörden: Das Telekommunikationsgesetz (TKG) verweist nur auf das sogenannte Verwaltungskostengesetz und darauf, daß die Einzelheiten in einer Gebührenverordnung niedergelegt werden. Das Verwaltungskostengesetz wiederum sieht vor, daß sich die Höhe einer Gebühr nach dem Verwaltungsaufwand und - wichtig - nach dem "wirtschaftlichen" Wert bemißt. Zwischen diesem wirtschaftlichen Wert und der Höhe der Gebühr muß ein "angemessenes Verhältnis" bestehen. Die bisher erteilten Netz- und Sprachlizenzen (der Klassen 3 und 4) enthalten nur den lapidaren Hinweis, daß die Festsetzung der Gebühr einem "gesonderten Bescheid" vorbehalten bleibt.

Deshalb arbeitet die Bundesregierung an dem Entwurf dieser im TKG vorgesehenen "Lizenz- und Frequenz-Gebührenverordnung" mit der unaussprechlichen Abkürzung LFGebV. Nach dem Entwurf von Januar 1997 sind die Netz- und Sprachlizenzen bis zu 40 Millionen Mark "wert". Das Rechenmodell zur Bestimmung dieser Höhe ist simpel: 80 Millionen Einwohner in Deutschland wurden mit 0,50 Mark multipliziert.

Es ist schon verwunderlich, woher die Bundesregierung die Einschätzung nimmt, daß die Lizenzen den von ihr ausgerechneten "Wert" haben. Ein Vergleich kann diesem Wert nicht zugrunde liegen, da etwa in England, den USA und Schweden weit niedrigere Lizenzgebühren gezahlt werden müssen. Völlig unverständlich ist weiter, daß die Bundesregierung bei einer Lizenz für die Übermittlung von Rundfunksignalen von einem deutlich geringeren wirtschaftlichen Wert ausgeht als bei einem Festnetz: nämlich nur bis zu einer Million Mark für eine bundesweite Rundfunklizenz. Das entspricht einem 40stel der für die herkömmliche TK-Netzlizenz vorgesehenen Gebühr. Abgesehen davon, daß diese Ungleichbehandlung kaum nachzuvollziehen ist, zeigt sie, daß die zuständigen Beamten die zukünftige Entwicklung der Netze offenbar nicht erkennen wollen. Sie können sowohl für Rundfunk- wie auch für herkömmlichen TK-Verkehr genutzt werden.

EU-Lizenzrichtlinie mit Sprengsatz

Darüber hinaus sind selbst die derzeit diskutierten "niedrigeren" Lizenzgebühren von 10 oder 20 Millionen Mark klare Marktzutrittsschranken für kleinere, innovative Unternehmen, aber auch für die meisten City Carrier. Diese Unternehmen können es sich nicht leisten, Lizenzen zu beantragen, wenn sie dafür später zweistellige Millionenbetrage zahlen müssen.

Hier schließt Deutschland Unternehmen von einem in anderen Ländern boomenden Markt aus. Dort sind es insbesondere die kleinen und innovativen Firmen, die für die Kunden interessante Angebote entwickeln.

Anfang März 1997 hat nun der EU-Ministerrat die EU-Lizenzrichtlinie verabschiedet, bezeichnenderweise gegen die Stimmen der deutschen und griechischen Delegation. Mit dieser Richtlinie wird ein EU-weiter Rahmen für TK-Genehmigungen geschaffen. Die Vorschriften dieser Richtlinie müssen von den Mitgliedstaaten bis Ende 1997 umgesetzt werden. Insgesamt liest sich diese Richtlinie aus deutscher Sicht eher harmlos, da das TKG viele Bestimmungen bereits vorweggenommen hat (siehe Kasten).

Für die von der Bundesregierung beabsichtigte Erhebung von Millionenbeträgen für die Lizenzen enthält die Richtlinie aber einen Sprengsatz (daher auch der deutsche Widerstand): Danach dürfen für die Einzelgenehmigungen (also Netz- und Sprachlizenzen) nur die Gebühren erhoben werden, die "die für die Ausstellung, Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung der jeweiligen Einzelgenehmigungen anfallenden Verwaltungskosten abdecken" (O-Ton). Die Möglichkeit, auch den wirtschaftlichen Wert der Lizenz zu berücksichtigen, ist damit versperrt. Die Lizenzgebühren dürfen sich nur an den eigentlichen Verwaltungskosten der Erteilung der Lizenz orientieren. Nur für "knappe Ressourcen", also Funk- oder Mobilfunk-Frequenzen, gilt etwas anderes. Die bisherigen Regelungen im Verwaltungskostengesetz und in den Entwürfen der Gebührenverordnung sind damit nicht mehr haltbar.

Selbst wenn man alles hineinaddieren würde, was an Verwaltungsaufwand denkbar ist, etwa eine langjährige und laufende Kontrolle der Lizenznehmer, fällt es schwer, einen Betrag von mehr als 50.000 Mark oder maximal 100.000 Mark als noch irgendwie angemessen zu betrachten.

Bundesregierung als Quertreiber

Nun hat aber die Bundesregierung in Brüssel bei der Verabschiedung der Lizenzrichtlinie eine Protokollerklärung abgegeben, wonach nationale Gebührenregelungen - also die deutsche Verordnung - weiter gelten sollen, die "bis zum Inkrafttreten der Richtlinie Gültigkeit erlangt" haben. Zwar ist es richtig, daß die Richtlinie selbst noch nicht in Kraft getreten ist, da sie bisher noch nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht ist. Allerdings ist auch die Gebührenverordnung des BMPT bisher noch nicht erlassen.

Läßt man einmal diese rechtstechnischen Fragen beiseite, muß stark bezweifelt werden, ob eine solche Erklärung Lizenzgebühren bis zu 40 Millionen Mark "retten" kann. Wenn eine deutsche Regelung, die in klarem Widerspruch zur Richtlinie steht, weiter gelten soll, muß dies von der Richtlinie selbst vorgesehen sein. Die Protokollerklärung eines Mitgliedstaates wird hier kaum ausreichen. Dies gilt um so mehr, als die übrigen EU-Mitglieder eine entsprechende Regelung in der Richtlinie selbst verweigert haben.

Damit dürfte klar sein, daß nach Verabschiedung der EU-Lizenzrichtlinie die von der Bundesregierung erwünschten Lizenzgebühren nicht zu halten sind, sondern sich lediglich nach dem für die Erteilung und Überwachung der Lizenz erforderlichen Verwaltungsaufwand richten dürfen. Lizenzgebühren für die Netz- und Sprachlizenz in einer Größenordnung bis zu 100.000 Mark dürften dabei Maximalwerte sein. (cep)

Dr. Michael Esser-Wellié

ist in der Kanzlei Bruckhaus Westrick Stegemann, Düsseldorf/Brüssel, in den Bereichen Telekommunikations- und Kartellrecht tätig.

Literatur

[1] Dr. Esser-Wellié, M.: Was das Telekommunikationsgesetz bringt, Teil 1, in Gateway 3/96, S. 66 ff., Verlag Heinz Heise, Hannover 1996

[2] Dr. Esser-Wellié, M.: Was das Telekommunikationsgesetz bringt, Teil 2, in Gateway 4/96, S. 86 ff., Verlag Heinz Heise, Hannover 1996

[3] Dr. Esser-Wellié, M.: Das verabschiedete TK-Gesetz im Überblick, in Gateway 9/96, S. 79 ff., Verlag Heinz Heise, Hannover 1996

[4] Dr. Esser-Wellié, M.: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für City Carrier, in Gateway 11/96, S. 94 ff., Verlag Heinz Heise, Hannover 1996