IT-Freiberufler-Verträge

Streng geheim: Vertraulichkeitsvereinbarung brisant

25.10.2015 von Julia Gertz
IT-Freelancer-Verträge enthalten nicht selten umfangreiche Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitsvereinbarungen. Vorsicht bei Geheimhaltungsverpflichtung, meint Rechtsanwältin Julia Gertz.

"Vertrauliche Informationen sind heutzutage tatsächlich der Ursprung eines jeden großen Vermögens." Diesen Satz legte Oscar Wilde im Jahr 1894 seiner Figur Sir Robert Chiltern in den Mund und er gilt auch heute noch.Vertrauliche Informationen sind wertvoll und werden geschützt. Die meisten IT-Freelancer-Verträge enthalten aus diesem Grund auch umfangreiche Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitsvereinbarungen. Kein Problem,denken Sie jetzt vielleicht, natürlich halte ich Geheimes geheim. Ich verkaufe doch keine Kundendaten oder sonstige Betriebsgeheimnisse des Kunden! Solche offensichtlichen Verstöße - die übrigens auch strafbar wären - müssen es aber gar nicht sein, manchmal reichen schon Kleinigkeiten, um die Geheimhaltungsverpflichtung zu verletzen.

Einer meiner Mandanten war beispielsweise kürzlich mit folgender Situation konfrontiert: Er arbeitet über einen Vermittler bei einem großen Unternehmen. Der Vermittler zeichnet sich leider nicht durch übersteigerte Zahlungsmoral aus, die Rechnungen des Freelancers werden regelmäßig verspätet bezahlt. Da er aufgrund der bekannten Vermittlerpleiten Sorge hat, auf einem größeren Zahlungsausfall sitzen zu bleiben, denkt er daran, seine Leistung zurückzuhalten, bis die Rechnung bezahlt ist.

Natürlich will er seinen Kunden entsprechend warnen und entschließt sich, eine E-Mail an den Vermittler zu schicken, indem er auf den Zahlungsverzug hinweist. Die Projektverantwortlichen des Kunden setzt er in cc. Die Rechnung wird auch tatsächlich bezahlt, allerdings erhält der Freelancer postwendend zusätzlich ein geharnischtes Schreiben aus der Rechtsabteilung des Vermittlers, in dem ihm die Verletzung der Geheimhaltungsvereinbarung zur Last gelegt, eine Abmahnung mit Unterlassungserklärung sowie außerdem die vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe von 25.000 Euro gefordert wird.

Verpflichtungen genau lesen

Viel Lärm um nichts? Nicht unbedingt. Grundsätzlich hat jeder Vertragspartner die Pflicht, Informationen der anderen Seite geheim zu halten, die dieser bei Bekanntwerden schaden könnte. Dazu wird keine gesonderte Geheimhaltungsvereinbarung benötigt, diese Pflicht besteht sowieso als so genannte vertragliche Nebenpflicht. Das betrifft im Kern natürlich Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Kundendaten usw. Darüber hinaus kann jedoch in einer Geheimhaltungsvereinbarung geregelt sein, dass Sie nicht über den Inhalt Ihres Vertrages oder den Inhalt Ihrer Tätigkeit beim Kunden sprechen dürfen.

Sie sind als Freelancer tätig? Dann sollten Sie genau wissen, welchen Verpflichtungen zur Geheimhaltung Sie unterliegen!
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Diese Verpflichtungen sind meist stark verklausuliert, so dass Sie hier genau lesen sollten. Es kann sonst schnell passieren, dass Sie bereits Ihre vertraglichen Pflichten verletzen, indem Sie mit Ihren Kollegen über Ihre Stundensätze oder die Zahlungsziele sprechen, versehentlich eine E-Mail an den falschen Verteiler schicken oder nach Abschluss des Projekts Ihre Arbeit als Referenz zu detailliert auf XING oder einer anderen Akquiseplattform darstellen. Auch versehentlich irgendwo liegen gelassene Unterlagen oder Ihr Smartphone können zu einer Verletzung der Vertraulichkeit führen.

Haben Sie tatsächlich die vertragliche Geheimhaltungspflicht verletzt, hat Ihr Vertragspartner (Vermittler oder Kunde) grundsätzlich Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Das sind in erster Linie alle finanziellen Ansprüche, wie sie beispielsweise entstehen, falls der Kunde das Projekt vorzeitig kündigt und die Leistung dann teurer einkauft, Wettbewerbsnachteile des Kunden, Vertrauens- oder Imageverluste etc.

Lünendonk-Studie: Top Ten der Freiberufler-Vermittler -
Gute Aussichten für IT-Freelancer
Wer als einer von derzeit etwa 87.500 IT-Freien auf dem deutschen Markt agiert, hat gut Lachen. Das zeigen zwei Studien von Lünendonk: "Der Markt für Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung freiberuflicher IT-Experten in Deutschland" und "Führende Zeitarbeits- und Personaldienstleistungsunternehmen in Deutschland".
Gefragte Informatiker
Ein Blick in Lünendonks Studie über führende Zeitarbeitsfirmen und Personaldienstleister 2014 bestätigt den hohen Bedarf an Informatikern. Gerade die Top-Ten-Personaldienstleister suchen IT-Fachkräfte.
Führende Vermittler von IT-Freien: Platz 22 bis 11
Insgesamt hat Lünendonk 22 Firmen untersucht, die Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freien in Deutschland anbieten. Die Zahlen in der Liste sind teilweise geschätzt.
Platz 10: emagine
Die GFT-Tochter emagine, im Bild emagine Geschäftsführer Stefan Frohnhoff, machte 2013 mit der Freiberuflervermittlung einen Umsatz von 43 Millionen Euro (Vorjahr: 61,1 Mio), der Gesamtumsatz von emagine betrug 93,4 Millionen Euro (Vorjahr 113,8 Mio).
Platz 9. Quest
erwirtschaftete 2013 44 Mio. Euro Umsatz mit Freiberuflervermittlung (Vorjahr:49 Mio). Der Dienstleister beschäftigte 2013 46 Mitarbeiter, zwei mehr als 2012.
Platz 8: Etengo
Etengo-Vorstandschef Nikolaus Reuter kann sich über 45 Millionen Euro Umsatz und damit sieben Millionen mehr als in 2012 freuen. Die Mitarbeiterzahl der Mannheimer wuchs von 39 im Jahr 2012 auf 51 im Jahr 2013.
Platz 7. 1st Solution
Mit 46,6 Millionen Euro Umsatz durch die Freiberuflervermittlung im Jahrt 2013 hat 1st Solution fast den Wert des Vorjahres erreicht (46,8 Mio). Der Gesamtumsatz ging in dem Zeitraum um drei Millionen auf 59 Millionen zurück. 1st solution beschäftigte 2013 68 Mitarbeiter.
Platz 6: Westhouse Consulting
..ist unter anderem spezialisiert auf die Vermittlung von SAP-Freiberufler. 2013 liefen die Geschäfte bestens: Der Umsatz der Freiberuflervermittlung stieg um 23 Millionen auf 62,1 Millionen Euro an, der Gesamtumsatz stieg von 47 auf 71 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl von 65 auf 87 Euro.
Platz 5. SThree
... und ihre IT-Personalvermittlung Computer Futures haben 2013 mit IT-Staffing 62,7 Millionen Euro umgesetzt, 2,9 Millionen Euro mehr als 2012. Auch der Gesamtumsatz stieg von 137 Millionen auf 141 Millionen Euro. SThree beschäftigt 505 Mitarbeiter.
Platz 4. Solcom
Die Solcom-Geschäftsführer (von links) Martin Schäfer, Ansgar Nagel, Thomas Müller und Andreas Müller können zufrieden sein: Die IT-Freiberuflervermittlung brachte 2013 einen Umsatz von 67 Millionen Euro ( Vorjahr: 57,8 Millionen) ein. Die Mitarbeiterzahl wuchs um 23 auf 110.
Platz 3. Allgeier
Mit einem Gesamtumsatz von 239,4 Millionen Euro in 2013 hebt sich Allgeier auf Platz 3 deutlich von den Wettbewerbern ab. 161,2 Millionen Euro ( Vorjahr: 172,1 Mio. Euro) entfielen davon auf die IT-Freiberuflervermittlung. Die Mitarbeiterzahl stieg von 411 auf 437 an.
Platz 2. Gulp
... macht mit IT-Freiberuflervermittlung gut 100 Millionen mehr Umsatz als Allgeier Experts und liegt unangefochten auf Platz 2 des Rankings. Von 2012 auf 2013 erhöhte sich der Gesamtumsatz um mehr als 32 Millionen Euro auf 278,4 Millionen Euro, davon 268,3 Millionen Euro Umsatz durch IT-Freiberuflervermittlung (2012: 236,1 Mio. Euro). Gulp ist schlank aufgestellt und beschäftigt 180 Mitarbeiter ( 2012: 165 Mitarbeiter).
Platz 1. Hays
... und Vorstandschef Klaus Breitschopf sind die unangefochtenen Platzhirsche in der IT-Freiberuflervermittlung: Von 2012 auf 2013 stieg der Umsatz im IT-Staffing um 223 Millionen auf 759 Millionen Euro. Damit ist allein das Umsatzplus von Hays größer als der Freiberufler-Umsatz des Drittplatzierten Allgeier Experts. Hays erwirtschaftete mit 1380 Mitarbeiter 2013 einen Gesamtumsatz von 1,1 Milliarden Euro. Im Vorjahr waren es noch 819 Millionen Euro mit 1100 Mitarbeitern.
Auftraggeber in den Unternehmen
Nicht immer geht der Wunsch nach der Zusammenarbeit mit IT-Freelancern von der IT-Abteilung innerhalb der Unternehmen aus. Dies ist in 42 Prozent der Fälle so. Fast ebenso oft werden sie von der Einkaufsabteilung angefordert. Ein weiteres Ergebnis der Studie: in neun von zehn Fällen kommt der Freelancer zum Kunden.
Honorarerwartung nach Kenntnissen
Die Vermittler erwarten, dass insbesondere die Honorare für SAP-Spezialisten steigen. Denn diese sind besonders gesucht.

Außerdem ist eine solche Vertragspflichtverletzung abmahnfähig. Das bedeutet, Sie können eine Abmah nung erhalten und zur Abgabe einer "strafbewehrten Unterlassungserklärung" aufgefordert werden. Die Anwaltskosten dafür tragen ebenfalls Sie. Dies alles setzt keine absichtliche oder bewusste Verletzung der Geheimhaltung voraus, bloße Fahrlässigkeit reicht dafür aus. Haben Sie eine Vertragsstrafe für derartige Verstöße vereinbart, wird diese durch den bloßen Verstoß in voller Höhe fällig. Bei einer Vertragsstrafe kommt es gerade nicht mehr auf den tatsächlich entstandenen Schaden an.

Sensibilität und eine Betriebshaftpflicht

Wie können Sie sich vor einem solchen Horrorszenario schützen? Der beste Schutz ist eine gewisse Sensibilität gegenüber Handlungen, die bei Ihrem Vertragspartner als Vertragsverstoß angesehen werden könnte. Zusätzlich schadet eine Betriebshaftpflichtversicherung nicht, die allerdings nicht automatisch Verstöße gegen Vertraulichkeitsvereinbarungen abdeckt. Sehen Sie am besten gleicht einmal nach: Sind "vertragliche Nebenpflichten" oder explizit "Geheimhaltungsverstöße" mitversichert, sieht es beim Schadenersatz schon einmal gut aus. Vertragsstrafen hingegen sind in den allermeisten Versicherungen vom Versicherungsschutz ausgenommen. Sie können zusätzlich versichert werden. Das ist dann sinnvoll, wenn Sie in Ihren Verträgen hohe Vertragsstrafen akzeptieren müssen. Was die Referenzen angeht, sollten Sie sich bereits im Vertrag das Recht vorbehalten, in allgemeiner Form Ihr Projekt und die Tätigkeitsbeschreibung für die weitere Akquise nutzen zu können. Ansonsten fragen Sie im Zweifel bei Ihrem Vertragspartner nach, welche Angaben er als kritisch ansieht.

Und was wurde aus der Vertragsstrafe, mit der sich mein Mandant konfrontiert sah? Der Vermittler begnügte sich letztendlich mit einer schriftlichen Erklärung, die auch dem Kunden zugeleitet wurde, es habe Missverständnisse gegeben und der Freelancer bedaure, den Kunden in diese interne Angelegenheit involviert zu haben. Die Unterlassungserklärung wurde nicht mehr verlangt, auch die Vertragsstrafe musste nicht bezahlt werden. Oscar Wilde würde dazu sagen: "Ich habe gelernt, dass nicht was ich tue, falsch ist, sondern das, was infolge meines Handelns aus mir wird."

Der Text stammt aus dem IT-Freelancer-Magazin.