Sieben Sünden

Stolperfallen im Social Web

23.12.2013 von Stefan von Gagern
Funkstille, verödete Feeds, illegale Gewinnspiele: Die Fauxpas-Liste im Social Web ist lang. Wir zeigen, was Unternehmen bei Facebook, Twitter & Co. alles falsch machen.

Auftritte auf den relevanten Social-Media-Plattformen sind heute so selbstverständlich wie die eigene Website. Facebook, Twitter & Co. werden als wichtige Kommunikationskanäle ernst genommen. Es gibt kaum noch Ausreden, mit denen sich halbwegs moderne Unternehmen noch vor dem eigenen Social-Media-Auftritt drücken können. Social Media Marketing ist deutlich erwachsener geworden, und doch verwundert es immer wieder, wie viele Auftritte ideenlos und halbherzig gepflegt werden. Viele Betreiber vergessen, dass Social Media viel bewirken, aber auch viel kaputt machen kann - zum Beispiel den guten Ruf. Also sollte man von Anfang an Fehler vermeiden - gerade dann, wenn diese bereits von anderen begangen wurden. Vorhang auf für unsere Liste der sieben größten Social-Media-Stolperfallen - und möglicher Gegenmittel.

Das Nicht-Ernstnehmen

Obwohl sich herumgesprochen hat, dass Social Media kein Spielzeug für Teenager ist sowie Twitter und Facebook selbst in der Tagesschau omnipräsent sind, gibt es in vielen Unternehmen immer noch Vorbehalte. Da ist immer noch von einem "vorübergehenden Hype" die Rede, der "in ein paar Jahren wieder verschwunden" ist - selbiges wurde auch schon über das Internet gesagt. Tatsächlich aber sind soziale Medien längst Teil unserer Kultur und wie das Internet nicht mehr wegzudenken. Wer hier nicht mitmacht, verschenkt ein riesiges Potenzial für Marketing und Werbung oder überlässt der aufgeschlossenen Konkurrenz kampflos das Feld.

Denn ob Facebook irgendwann wieder verschwindet, wie es einst MySpace ergangen ist, spielt letztlich keine Rolle. Irgendein Kommunikations-Netzwerk wird es immer geben, in dem sich die Zielgruppe tummelt - ob es nun Pinterest, Foursquare oder etwas noch zu Erfindendes ist.

Dann gibt es noch das Gerücht, dass die eigene Zielgruppe - häufig handelt es sich ums B2B-Geschäft - nichts von Facebook und Twitter Media hält. Das mag teils sogar stimmen: Es gibt Zielgruppen, die Business-Netzwerke wie LinkedIn oder Xing bevorzugen - aber auch die sind Social Media. Zudem haben sich Berufliches und Privates längst vermischt. Warum sollte man nicht einem Entscheider am Wochenende eine interessante IT-Lösung auf dem Tablet servieren, wenn er gerade entspannt surft? Das Interesse seinerseits ist bestimmt da - auch in eher privat genutzten Netzwerken.

Darüber hinaus gibt es auch in Facebook-Gruppen Möglichkeiten, im exklusiven Kreis fachlich zu diskutieren. Facebook und Twitter sind für viele Nutzer heute so alltäglich wie E-Mail - als Quelle der kreativen Inspiration und erste Anlaufstelle für auch beruflich interessante Neuigkeiten.

Kurzum: Social Media ist ein Aushängeschild eines modernen Unternehmens. Wer präsent ist, zeigt sich kommunikationsbereit, modern und offen - warum also sollte man darauf verzichten?

Der Sprung ins kalte Wasser

Es erinnert ein wenig an die Frühzeit des Internets, als alle plötzlich eine Website wollten, aber niemand genau wusste was dort eigentlich geschehen soll. "Konkurrent X ist jetzt auf Facebook und twittert sogar, also müssen wir das auch machen", heißt es dann. Das Schlimme: Facebook-Fanpage, Google-Plus- und Twitter-Account sind in wenigen Minuten eingerichtet, noch viel schneller als jede hastig aufgesetzte Homepage. Was dort aber dann passieren soll, hat sich niemand überlegt. Es gibt weder Ziele noch Ideen für mögliche Inhalte. Ist "die Katze jedoch einmal aus dem Sack", ist ein Rückzieher nicht ohne weiteres möglich. Schließlich kann ein schlecht gepflegter Social-Media-Auftritt, auf dem keinerlei Service stattfindet, schnell den Ruf ruinieren.

Am Anfang war das Konzept...
Foto: Stefan von Gagern

Natürlich muss nicht jeder Kleinunternehmer eine Social-Media-Strategie auf Konzern-Niveau ausarbeiten. Sich vor dem Start aber ein paar Gedanken um ein Konzept zu machen - und diese auch aufzuschreiben -, hilft schon enorm. Etwa, wie die Ziele aussehen, wer sich um die Beiträge und die tägliche Überwachung kümmert (inklusive Urlaubsvertretung) und welche Themen bearbeitet werden sollen. Das reicht in vielen Fällen schon als Kurzkonzept für die grobe Marschrichtung.

Das Strohfeuer

Die eigene Facebook-Fanpage und der eigene Twitter-Account können großen Spaß machen. Entsprechend groß sind die Anfangseuphorie ("Wir sind jetzt auch auf Facebook!") und die Begeisterung, die Social Media fleißig mit Inhalten zu füttern. Auf Dauer braucht es aber viel Geduld und Durchhaltevermögen. Fallen nach den ersten Wochen die Fan- und Followerzahlen ernüchternd aus, erhalten die Beiträge nicht die erwarteten Likes, Kommentare oder Retweets, sinkt die Lust, wird das Social-Media-Thema als solches in Frage gestellt, werden Ressourcen gekürzt oder die Aktivität direkt wieder eingestellt.

Jeder sollte sich vor dem Start klar machen, dass Social Media zwar wirken, die Gefolgschaft aber nur langsam, dafür stetig wächst. Um dem Frust vorzubeugen, hilft es, sich realistische Ziele zu setzen - wer nicht sowieso berühmt ist, wird sich in jedem Fall schwer tun, massenhaft Fans zu gewinnen. Für manche Auftritte, wie die lokal agierender Händler mit einer speziellen Zielgruppe, sind nur ein paar Fans, die aber gute Kunden sind, völlig in Ordnung und ein Erfolg. Die Kanäle sollten stetig, aber langfristig und konstant gepflegt werden. Dabei hilft ein Social-Media-Redaktionsplan - auch gegen sich unkoordiniert wiederholende Themen.

Die Billig-Lösung

"Facebook und Twitter sind kostenlos", denken immer noch viele Unternehmen. Stimmt sogar - direkte Gebühren gibt es nicht. Trotzdem: Wer nicht bereit ist, in Social Media zu investieren, sollte die Finger davon lassen. Denn es kostet vor allem Arbeitszeit. Ein Posting dauert theoretisch zwar nur wenige Minuten - vergessen werden dabei aber gerne die Themenrecherche, der ausführliche Blogbeitrag dahinter, eine Aktion, die Abstimmung von Angeboten mit Filialen, das Überwachen der Kommentare und das Auswerten von Statistiken. So summiert sich der Job des Social Media Managers schnell zur vollen Stelle. Wer den Praktikanten einsetzt, bekommt das zwar billig, verliert aber das gesamte gesammelte Know-how zu Ende des Praktikums.

Ein wenig Werbung per Facebook ist heute unerlässlich. Wer hier spart, spart an der falschen Stelle.
Foto: Stefan von Gagern

Professionelle Social-Media-Auftritte verlangen auf Dauer nach viel Drumherum: Gute Inhalte zum Beispiel - denn der kurze Beitrag auf Twitter, Facebook und Google+ sind oft nur der Lockvogel für einen Blogbeitrag, der gut lesbar geschrieben und aufbereitet sein sollte. Aktionen zur Fangewinnung verlangen schnell eigens programmierte Landing-Pages, Apps für Gewinnspiele, Umfragen und vieles mehr. Und wer heute möchte, dass seine Inhalte nicht in der Masse untergehen, kommt kaum noch daran vorbei, ab und zu auf Facebook Geld für gesponserte Posts oder Werbung für die Fanpage zu investieren. Dabei muss man sich jedoch klar sein, dass die Budgets für Werbung gerade lächerlich günstig sind: Wer hier nur ein paar Euro in die Hand nimmt, kann einen Beitrag, der normalerweise nur 100 Fans erreicht, auf einige tausend "boosten".

Verglichen mit anderen Werbebudgets ist das äußerst günstig. Dazu liefern solche Aktionen wertvolle Daten: Betreiber können exakt steuern, wer was wie oft sehen soll - Wohnort, Alter und Sprache der Zielgruppe. Fazit: Social Media sind, richtig gemacht, enorm wirkungsvoll und können viel mit wenig Budget erreichen - sind aber dennoch alles andere als kostenlos.

Websites mit Social Media erfolgreicher machen -
Social Media Blueprints by Salesforce.com
Die Bloggerin Jennifer Burnham zeigt in ihrer Vorlagensammlung „Blueprints for the perfect Posts“ von Salesforce zeigt wie optimale Beiträge auf Facebook, Twitter, Linkedin & Co aussehen.
Facebook Blueprint
Darin ist zu sehen, dass sich ein Facebook-Beitrag deutlich...
Twitter Blueprint
...von einem Tweet unterscheidet.
Follow Buttons
Addthis erzeugt auf Knopfdruck schicke Buttons, um von der Website aus Fans und Follower zu gewinnen.
Share Buttons
Das Rüstzeug zum Weiterempfehlen hat Addthis ebenfalls parat.
Social Plug-Ins
Die Social-Plug-Ins-Übersichtsseite bietet Weiterempfehlungs-Werkzeuge für die eigene Website.
Like-Box
Auch die bekannte Like-Box kann hier zusammengeklickt und dann auf der eigenen Seite eingebunden werden.
Twitter Developers
Auch Twitter hat einen Entwicklerbereich, aus dem sich Follow-Buttons und vieles mehr kostenlos per Quellcode holen lassen.
Twitter Follow Button
Hier findet sich der bekannte Follow-Button. Es lassen sich aber auch komplette Twitter-Zeitleisten in die eigene Website einbinden.
Beitrag hervorheben
Facebook gibt im Klappmenü zum Hervorheben von Beiträgen schon eine Schätzung der potenziellen Zielgruppe und mit welchem Budget welche Reichweite erzielt werden kann.
Werbeanzeige Facebook
Facebook bringt bei Werbeanzeigen für eine Seite schon eine Schätzung, wie viele Fans pro Tag vermutlich dazu kommen werden.
Twitter Werbung
Schade: Twitter legt interessierten Werbepartnern noch einige Steine in den Weg.

Die krummen Geschäfte

Ist bei manchen Unternehmen erst einmal das Fan-Jagdfieber ausgebrochen, fallen alle Hemmungen. "Wäre es nicht toll, wenn wir mehr Fans und Follower hätten als unser ärgster Konkurrent? Wäre es nicht toll, wenn wir 1.000 Fans hätten?", heißt es dann oft. Statt mit seriösen Mitteln - gutem Content, natürlichem Aufbau einer Community - wird dann gern zu Wundermitteln gegriffen. Zum Beispiel zum Gewinnspiel mit einem tollen Preis, den jeder haben möchte - beispielsweise ein iPad. Wenn sich das herumspricht, geht die Fan-Zahl oft gerne sprunghaft nach oben.

Bei der Umsetzung nehmen es viele mit den Facebook-Richtlinien für Promotion und Gewinnspiele nicht so genau. Facebook hat zwar in diesem Jahr seine Vorgaben deutlich gelockert - so sind jetzt auch Gewinnspiele ohne App und direkt auf der Pinnwand erlaubt -, dennoch ist längst nicht alles möglich. Wer seine Fans beispielsweise zu bestimmten Aktionen wie dem Taggen von Fotos oder Teilen des Beitrags auffordert, landet schnell mindestens in der rechtlichen Grauzone von dem, was Facebook erlaubt. Zudem schreibt auch das deutsche Recht bestimmte Rahmenbedingungen für Gewinnspiele vor. Wer sich nicht in die Nesseln setzen und den Verlust seiner Fanpage riskieren möchte, kommt in vielen Fällen kaum um eine eigene App oder Lösungen wie Halalati herum, die die rechtlich sichere Abwicklung von Gewinnspielen gewährleisten. Damit wird aber nicht nur das verloste iPad, sondern auch das Gewinnspiel an sich nicht ganz billig. Was die so gewonnenen "Fans" tatsächlich bringen, ist überdies zweifelhaft - meist sind sie nur auf den Gewinn aus. Ist die Aktion beendet, schalten sie die Updates der Seite im Nachrichtenstrom stumm oder nehmen ihr "Gefällt mir" gleich ganz zurück.

Noch zweifelhafter ist die Methode, sich Fans zu kaufen. Inzwischen gibt es reichlich Anbieter, die mit dem Verkauf von Fans oder Followern für vergleichbar schmales Geld werben. Dahinter stehen oft käufliche Fans aus Ländern der Dritten Welt. Wer sich auf ein solches Niveau begibt, riskiert eine ähnliche Blamage wie Dschungelcamp-"Promi" Georgina, die kurz nach dem Start der Staffel plötzlich 70.000 Fans auf ihrer Facebook-Seite zählte. Schnell kam heraus, dass viele davon aus Vietnam kamen. Inzwischen kann jeder Besucher mit diversen Tools prüfen, woher die Fans einer beliebigen Fanpage stammen - bei einer vorsätzlichen Täuschung der Netzöffentlichkeit ist der nächste Shitstorm vorprogrammiert.

Es gibt inzwischen massig Angebote im Web, die Fans zum Kauf anbieten. Viele Fans mögen zwar gut aussehen, bringen aber unterm Strich nichts.
Foto: Stefan von Gagern

Jeder, der durch explosionsartige Fansteigerungen auffällig wird, riskiert eine eingehende Prüfung durch Facebook - was wiederum mit dem Verlust der Seite enden kann. Auch rechtlich gesehen ist der Fan-Kauf nicht unbedenklich. Es wird noch diskutiert, ob es sich beim Fan-Kauf um Wettbewerbsverzerrung handelt. Deshalb: Wer sich keinem Ärger mit Abmahnungen aussetzen möchte, lässt es besser sein. Denn unter dem Strich ist vor allem eines wichtig: Zehn echte Fans, die mit dem Seitenbetreiber interagieren und sich für dessen Inhalte interessieren, sind viel mehr wert als 1000 gekaufte, die andere Ziele verfolgen.

Die Funkstille

Vielen Unternehmen ist noch nicht klar, dass Social Media den Dialog mit den Kunden oder der Zielgruppe bedeuten - sichtbaren Dialog. Gibt es Beschwerden über Produkte oder Services, werden diese nicht mehr im Ladengeschäft oder an der Hotline geäußert, sondern via Twitter-Stream oder auf der Facebook-Fanpage. Wer nicht den gefürchteten Shitstorm riskieren möchte, muss sich oft - teils berechtigt, teils auch nicht - harter Kritik offen stellen.

Wichtig ist deshalb ein gutes Krisenmanagement. Auf Kritik muss der Seitenbetreiber angemessen und freundlich reagieren. Sich aber in jedem Fall überhaupt kommunikationsbereit zeigen. Schweigen oder kommentarloses Löschen von Kommentaren kochen den Ärger erst richtig hoch. Störenfriede dürfen natürlich nach angemessener Antwort und anschließender Verwarnung blockiert werden - die oberste Regel aber ist die Gesprächsbereitschaft, die auch eine regelmäßige Überwachung der Beiträge und Kommentare notwendig macht.

Gerne wird zudem vergessen, nicht nur auf Negatives zu reagieren. Wenn es Lob gibt, bedanken Sie sich - auch wenn die Fanpage einen Meilenstein erreicht ("Danke für 1000 Fans...."). Und bei diesem Anlass gleich merken: Kleine Geschenke wie Gutscheine, Freikarten oder ähnliches erhalten die Freundschaft.

Reagieren Sie nicht nur auf Negatives: Feiern Sie Meilensteine mit Ihren Fans.
Foto: Stefan von Gagern

Die Kontrollfreaks

In vielen Unternehmen ist es lange so gewesen, dass die Marketing- und Presseabteilung die gesamte Kommunikation mit der Außenwelt alleine steuerten. Über Jahrzehnte sind die Verantwortlichen daher gewohnt, dass alles was nach draußen dringt exakt gesteuert werden kann. Etwa jedes einzelne Wort, dass auf der Website, in einer Pressemitteilung, Printanzeige oder dem TV-Spot fällt. Sich von dieser Kontrolle, und den damit verbundenen Freigabeprozessen zu verabschieden, fällt vielen schwer. Plötzlich sollen Tweets und Facebook-Beiträge ohne lange Freigabe von ganz oben erscheinen? Und es kommt noch schlimmer: Teils kommen die Inhalte aus der Community, die in Kommentaren oder eigenen Beiträgen Ansichten äußert, die man nicht immer so steuern kann, wie man möchte. Diesen Kontrollverlust zu akzeptieren, fällt vielen sehr schwer. Also werden Freigabe-Prozesse à la Pressemeldung beibehalten.

Der humorvolle Beitrag "Wenn Unternehmen twittern" bei trendopfer.de erweist sich in vielen Unternehmen leider als allzu wahr.
Foto: Stefan von Gagern

Nicht selten ist der Schock groß, wenn der erste Negativ-Kommentar auf der Fanpage steht. Genauso groß ist die Angst, sich mit dem Engagement in den sozialen Medien den Ruf zu ruinieren. Dabei ist der Kontrollverlust - mit oder ohne Social-Media-Auftritt - längst Realität. Über Firmen, Produkte und Service wird heute im Netz fleißig getwittert, gebloggt und im Freundeskreis berichtet. Es gibt massenhaft Bewertungsportale, Foren und so etwas wie Hashtags auf Twitter. Ärgernisse verbreiten sich wie Lauffeuer. Wer früh anfängt, eine Community aufzubauen, kann wenigstens mitreden oder Kundenstimmungen früh mitbekommen - und den drohenden Sturm der Entrüstung noch aufhalten. (sh)