Viele Versuche wurden bislang unternommen, um mit Funkwellen neben der Kommunikation gleichzeitig auch die Lokalisierung von Personen und Objekten zu ermöglichen. Im Bereich der Mobilkommunikation hat sich die Ortseingrenzung mittlerweile gut etabliert. Doch in Nahbereichsfunknetzen gibt es bislang nur wenige funktionierende Lösungen. Für die meisten Anwendungen ist eine Positionsgenauigkeit von 1 Meter oder darunter erforderlich. Dies ist aber mit herkömmlichen Verfahren nicht möglich. Dieser Beitrag diskutiert Anwendungen und bestehende Messprinzipien und -systeme.
Die Kombination aus Lokalisierung und Identifizierung von Personen oder Objekten ist für viele Anwendungsbereiche von großem Interesse. Sie kann in einem Schritt einen Überblick darüber geben, wer oder was sich an welchem Ort befindet. Damit könnte man insbesondere logistische Prozesse, die Objekt- und die Personenüberwachung revolutionieren.
Herkömmliche Systeme zur Identifizierung basieren entweder auf der optischen Erkennung (Barcode, 2-D-Code) oder auf RFID-Verfahren. Sie bedingen aber, dass die Objekte in die Nähe eines Lesegeräts gebracht werden. Trotz aller Fortschritte reichen RFID-Systeme weiterhin nur einige Dezimeter bis maximal wenige Meter weit [2]. Folglich muss in der Regel entweder Lesegerät oder Objekte bewegt werden, um die Identifizierung durchzuführen.
Viele Systeme zur Lokalisierung und Abstandsmessung arbeiten lichtbasiert. Oft nehmen sie nur die Präsenz eines Objekts oder einer Person wahr. Musterbeispiele hierfür sind die meist infrarot-basierten Belegungs- und Bewegungssensoren (Occupancy Sensor), wie sie in der Gebäudeüberwachung oder in Parkhäusern eingesetzt werden. Diese Systeme eignen sich aber nicht zur Identifizierung. In der Folge weiß man nur, dass sich ein Objekt oder eine Person in einer gewissen Entfernung befindet, aber nicht welches Objekt oder welche Person.
Mögliche Anwendungsgebiete
Eine gleichzeitige Lokalisierung und Identifizierung in einem System ist die Grundlage für ortsbasierte Dienste, sogenannte Location Based Services (LBS). Sie stellen unter Zuhilfenahme von positions-, zeit- und personenabhängigen Daten dem Endbenutzer selektive Informationen und Dienste bereit. Einige Beispiele mögen dies illustrieren:
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Besucher in einem Museum erhalten Erklärungen zu den Objekten in ihrer Nähe, Personen im Stadtbereich bekommen touristische Hinweise an den sogenannten Points of Interests (POI). Die ortsbasierte Werbung kann ebenfalls in diesem Kontext genannt werden, weil sie versucht, auch die kommerziellen Aspekte zu berücksichtigen. Sie ist Gegenstand zum Beispiel des ELBA-Forschungsprojekts [1]. Allerdings muss man feststellen, dass sich all diese Ansätze nicht über einen Demonstrationsstatus weiter entwickelt haben. Meist ist das zugrunde liegende Geschäftsmodell unzureichend.
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Bei der Patientenüberwachung in Krankenhäusern besteht oft der Wunsch, insbesondere geistig verwirrte Personen zu lokalisieren, um ihnen trotzdem Bewegungsmöglichkeiten zu geben, ohne eine personalintensive Überwachung gewährleisten zu müssen. Gleiches gilt zum Beispiel für den offenen Strafvollzug.
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Im Gesundheitswesen denkt man auch über eine Unterstützung von Abrechnungssystemen nach. Die örtliche Paarung von Therapeuten und Patienten soll als Nachweis für die Erbringung von Dienstleistungen angesehen werden.
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Bei Einsätzen von Hilfskräften in gefährdeten Gebieten ist es für die Einsatzleitung wichtig zu wissen, welche Person sich an welchem Ort befindet.
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Im Logistikbereich könnten die Anwesenheit und Anordnung von Waren ohne Bewegung von Waren oder Lesegeräten aufgenommen werden.
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Im Verkehrsbereich könnten die Verkehrsteilnehmer lokalisiert werden. Dies ist beispielsweise eine Grundlage des geplanten automatischen Notrufs (eCall), wie es von der Europäischen Union flächendeckend geplant ist [3].
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Darüber hinaus könnten Verkehrsteilnehmer nicht nur Daten austauschen, wie dies in den Systemen zur Kommunikation zwischen Autos [26] vorgesehen ist. Sie können auch ihre absolute und relative Position bestimmen. Ein diesbezügliches Projekt zur Unfallvermeidung wird später kurz vorgestellt [25].
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Schließlich können auch positionsbasierte Routingverfahren auf diese Weise unterstützt werden.
Betrachtet man diese Beispiele, so lässt sich feststellen, dass die Genauigkeitsanforderungen recht stark differieren. Reicht für eine lokationsgestützte Werbung im Outdoor-Bereich durchaus eine Genauigkeit von einigen zehn Metern aus, so liegen für viele andere Anwendungen die Anforderungen im Bereich einiger Dezimeter oder maximal weniger Meter. Dies gilt speziell für alle Indoor-Anwendungen, aber auch für die sicherheitskritischen Outdoor-Anwendungen.
Bestehende Systeme
In der Literatur sind bereits viele Systeme zur integrierten Lokalisierung und Identifizierung vorgestellt worden. Eine mittlerweile leider nicht mehr ganz aktuelle Übersicht findet sich in [13]. Von der technologischen Seite basieren diese auf den in Abbildung 1 gezeigten Messprinzipien. Alle erlauben die Auswertung der Funkwellen bei gleichzeitiger Nutzung der Funkwellen zur Übertragung von Informationen.
Feldstärkemessung
Das einfachste und vermutlich auch das am weitesten verbreitete Verfahren besteht in der Messung der Feldstärke (Received Signal Strength – RSS, beziehungsweise RSS Indicator – RSSI). Dieses Verfahren basiert darauf, dass die Feldstärke einer elektromagnetischen Welle mit dem Quadrat der Entfernung vom Sender abnimmt, wenn eine isotrope, kugelförmige Ausbreitung in alle Richtungen angenommen wird.
Eine solche Feldstärkemessung ist praktisch mit jedem Funkempfänger möglich, da diese immer eine erste Verstärkerstufe zur Anpassung der Signalstärke aufweisen. Diese gleicht die abstandsbedingt sehr unterschiedlichen Feldstärken und damit das sogenannte Near-Far-Problem aus. Der Verstärker wird meist als Automatic Gain Control (AGC) bezeichnet. Der Verstärkungsfaktor der AGC ist dann natürlich umgekehrt proportional zu der Feldstärke der empfangenen Welle.
Um eine wirkliche Lokalisierung vorzunehmen, muss die Feldstärke in Bezug auf mehrere Referenzpunkte gemessen werden. Hierbei kommen meist fest installierte Knoten zum Einsatz, deren Einbauort bekannt ist. Problematisch bei der Feldstärkemessung sind die vielen parasitären Effekte, die sich aufgrund von Dämpfung und Mehrwegeausbreitung einstellen. Insbesondere Letztere kann sowohl zu einer starken Auslöschung der verschiedenen Wellen (Deep Fading), als auch zu einer Verstärkung führen. In der Folge sind sehr starke Abweichungen der Feldstärke auch bei nur kleinen örtlichen Veränderungen zu beobachten.
RSS in der Praxis
RSS-basierte Systeme existieren etwa im Bereich der Mobilkommunikation, wo sie von kommerziellen Providern zur Handy-Ortung angeboten werden, z. B. [7]. Hierbei werden jeweils die an den umliegenden Basisstationen gemessenen Empfangsfeldstärken ausgewertet. Systematische Analysen zur Genauigkeit der Ortsbestimmung zeigen, dass diese im Innenstadtbereich in mehr als der Hälfte der Fälle schlechter als 100 m ist [8].
Auch für den Innenraumbereich existieren viele Veröffentlichungen, die meist auf der Nutzung von Nahbereichsfunknetzen wie etwa ZigBee basieren [9] [10]. Dort finden sich viele weitere interessante Literaturquellen. Auch wenn eigentlich keine spezielle Hardware notwendig ist, so existiert beispielsweise im ZigBee-Controller CC2430 von Texas Instruments [11] eine Registersatz-Erweiterung, die eine effiziente Auswertung der empfangenen Feldstärke erlaubt. Allerdings zeigen Messungen [12], dass Abweichungen im Bereich bis zu einigen Metern möglich sind – auch wenn die Raummaße selbst nur einige Meter betragen.
Verbesserungen bringen Systeme, die den Raum vorher ausmessen [14]. Allerdings treten nach jeder Veränderung der räumlichen Gegebenheiten erneut große Abweichungen auf, sodass neu kalibriert werden muss. Zusätzlich bedeutet die Sammlung von a-priori-Daten für viele Anwendungen einen viel zu großen Aufwand, zumal bislang keine Ansätze einer Automatisierung vorliegen.
Angle-of-Arrival
Auch die Auswertung der Einfallswinkel basiert auf mehreren Basisstationen, die jeweils den Winkel zum gemessenen Objekt ausmessen. Angle-of-Arrival-(AOA)-basierte Verfahren sind vergleichsweise selten anzutreffen, weil sie zwei wesentliche Nachteile mit sich bringen:
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Zum einen sind Antennen erforderlich, die eine Winkelmessung unterstützen. Hierzu werden wenigstens zwei Antennen benötigt, zwischen denen dann die Laufzeit des Eintreffens oder die Phasenlage des Signals ausgewertet wird. Im allgemeinen Fall werden ganze Antennen-Arrays eingesetzt, die natürlich entsprechend kostenaufwendig sind.
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Zum anderen versagen AOA-basierte Verfahren sehr schnell, wenn keine direkte oder nur eine behinderte Sichtverbindung (Line of Sight, LOS) zwischen Sender und Empfänger existiert. Auch im Fall von Mehrwegeausbreitung weisen AOA-basierte Systeme meist eine schlechte Genauigkeit auf. Dies zeigen eigene Messungen aus dem Haus des Autors.
Zeitbasierte Verfahren
Bei den zeitbasierten Verfahren nutzt man die zwar große, aber endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen. In einer Nanosekunde legen die Signale etwa drei Meter zurück. Es existieren folgende Ansätze:
Ausgehend von verschiedenen Referenzpunkten können die Laufzeitunterschiede gemessen werden. Ein Beispiel hierfür ist das Global Positioning System (GPS). Dort wertet der Empfänger die verzögert eintreffenden Signale verschiedener Satelliten aus. GPS-basierte Systeme bringen jedoch zwei wesentliche Nachteile mit sich:
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Ein Indoor-Einsatz ist nicht möglich.
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Die typische Ungenauigkeit insbesondere im Innenstadtbereich liegt deutlich über zehn Meter, im schlimmsten Fall bei über 50 Metern [15].
Einen anderen Ansatz verfolgt die Laufzeitmessung zwischen zwei Knoten (Round Trip Time). Sie ist bereits lange bekannt und wird auch bei laserbasierten Messsystemen verwendet. Dieses Verfahren wertet in der Regel den Zeitpunkt des ersten eintreffenden Signals aus und ist damit meist recht unempfindlich gegen Hindernisse und Mehrwegeausbreitung.
Allerdings wird bisher keine Informationsauswertung des Signals vorgenommen. Gleiches gilt auch für RF-basierte Systeme, wie sie z. B. in [16] vorgestellt werden. Hierzu muss ein normaler Funk-Transceiver so angepasst werden, dass er neben der Demodulation und Decodierung des Signals auch eine Zeitmessung möglichst nah am Antenneneingang vornimmt. Bislang ist dem Autor nur ein Schaltkreis bekannt, der diese beiden Aufgaben miteinander verbindet.
Anwendungsbeispiel Verkehrssicherheit
Beispielhaft soll ein Projekt aus dem Bereich der Verkehrssicherheit vorgestellt werden. Es nutzt die funkbasierte Ortung in Echtzeit, um eine kooperative Ortung durchzuführen.
Im Januar 2006 startete das WATCH-OVER-Projekt (Vehicle-to-Vulnerable roAd user cooperaTive communication and sensing teCHnologies to imprOVE transpoRt safety). Das im Rahmen der eSafety-Initiative der Europäischen Union durchgeführte Projekt soll Unfälle mit wenig geschützten Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern, Radfahrern und Motorradfahrern verhindern. Neben Forschungsinstituten arbeiten dabei auch Automobilhersteller wie Fiat und DaimlerChrysler sowie Zulieferer wie Bosch und Zweiradhersteller wie Piaggio mit [25].
Die Idee ist, alle Verkehrsteilnehmer mit unterschiedlich leistungsfähigen Sensoren auszustatten. So muss der Sensor für Fußgänger klein und leicht sein und vor allem wenig Energie verbrauchen. Ein komplexes Sensorsystem im Fahrzeug soll dann den Fußgänger orten und ein eventuelles Kollisionsrisiko abschätzen. Auf diese Weise könnte die Car-to-Car-Communication, wie sie etwa car-to-car.org plant, auf alle Verkehrsteilnehmer ausgedehnt werden.
Das Steinbeis Transferzentrum hat basierend auf einem ASIC [17] des Berliner Unternehmens nanotron ein System zur Kommunikation zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmern entwickelt. Es beherrscht sowohl die relative Positionierung als auch die Übermittlung von Daten wie GPS-Koordinaten oder Bewegungsmuster.
Abbildung 3 zeigt eine Entwicklungsplatine, wie sie in umfangreichen Feldtests eingesetzt wurde. Die erreichten Genauigkeiten liegen ohne weitere Filterung und Nachbearbeitung im Bereich von weniger als einem Meter. (ala)
Literaturhinweise
[1] http://www.e-lba.com/
[2] K. Finkenzeller, „RFID-Handbuch“, Carl Hanser Verlag 2002.
[3] http://ec.europa.eu/information_society/newsroom/cf/itemlongdetail.cfm?item_id=2842
[4] http://www.car-to-car.org/
[5] http://www.watchover-eu.org/
[6] M. Vossiek et. al., Wireless Local Positioning, IEEE microwave magazine, December 2003.
[7] http://www.handy-ortung.org
[8] M. Y. Chen et.al. Practical Metropolitan-Scale Positioning for GSM Phones Proceedings of Ubicomp 2006.
[9] R. Grossmann et. al. „Localization in ZigBee-based Sensor Networks“, 1st European ZigBee Developers’ Conference, München, Juni 2007.
[10] P. Havinga et. al., „Localization schemes integration with ZigBee communication protocol stack“, 1st European ZigBee Developers’ Conference, München, Juni 2007.
[11] S.A. Tunheim, „Implementing Cost Effective and Low-Power Single Chip Solutions for ZigBee based Wireless Sensor Networks with accurate Location Detection“, „ZigBee & Co.“, Design & Elektronik Entwicklerforum, München, Juni 2006.
[12] D. Taubenheim et. al., “Radiolocation Hardware Core for IEEE 802.15.4“, Motorola Labs, White Paper, 8. Dec 2005
[13] J. Hightower, G. Borriello, „A Survey and Taxonomy of Location Systems for Ubiquitous Computing“; Technical Report UW-CSE 01-08-03, August 2001, http://citeseer.ist.psu.edu/cache/papers/cs/27008/ftp:zSzzSzftp.cs.washington.eduzSztrzSz2001zSz08zSzUW-CSE-01-08-03.pdf/hightower01survey.pdf
[14] U. Großmann „WLAN Indoor positioning based on Euclidian distance and interpolation (isobars)“, in: J. Wollert (Hrsg.), Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 10 Nr. 772, VDI Verlag Düsseldorf 2006.
[15] „Communications Technologies Specification“, WATCH-OVER Deliverable 4.1, http://www.watchover-eu.org/download/WATCH-OVER_D4.1_Communication_technologies_specifications.pdf
[16] A. Klapproth, S. Knauth, „Indoor Localisation“, Technologies and Applications Proceedings of the embedded world 2007 Conference, Nürnberg.
[17] nanoLOC TRX Transceiver NA5TR1, Datasheet, Version 1.01, NA-06-0230-0388-1.01
[18] http://www.nanotron.com
[19] http://www.stzedn.de
[20] W. Hascher, „nanoNET: sichere Verbindung für Sensor-/Aktor-Netzwerke der Zukunft“, Elektronik 22/2002.
[21] http://www.ieee802.org/15/pub/TG4a.html
[22] R. Roberts, „Ranging Subcommittee Final Report“, IEEE P802.15.04-0581r0, 18.10.2004, available at: http://grouper.ieee.org/groups/802/15/pub/04/15-04-0581-00-004a-ranging-subcommittee-final-report.doc
[23] R. Hach, „Symmetric Double Sided – Two Way Ranging“, IEEE 15 05 0334 00 004a, available at: http://www.ieee802.org/15/pub/2005/15-05-0334-00-004a-symetric-double-sided-two-way-ranging.ppt.
[24] eSafety Compendium, May 2006, available at: http://ec.europa.eu/information_society/activities/ esafety/doc/esafety_library/ esafety_compendium_final.pdf
[25] http://www.watchover-eu.org/
[26] http://www.car-to-car.org/