MIL-, IP-Standards & Co.

Standards für robuste Notebooks und Tablets im Überblick

04.10.2012 von Alexander Djemaa
Es gibt Einsatzgebiete, da wird mobilen Computer einiges abverlangt. Die Geräte müssen besonderen Herausforderungen und äußeren Einflüssen standhalten, wie Hitze, Erschütterungen oder auch Feuchtigkeit. Für den Einsatz in Industrie und Militär gibt es daher Standards. Diese wollen wir uns im Folgenden genauer anschauen.

Mobile Computer bieten mit ihrer Flexibilität viele Möglichkeiten und Vorteile - insbesondere für die Industrie und das Militär. Gerade dort führen sie aufgrund der extremen äußeren Bedingungen ein riskantes Leben. Ob große Hitze, harte Erschütterungen, Sandstürme oder starker Regen - die Geräte müssen ganz besonderen Herausforderungen standhalten und in diesen Ausnahmesituationen verlässlich funktionieren.

Dank der Klassifizierung von Anforderungen in Standards und Normen können Anwender aus Industrie und Militär erkennen, welche Geräte für ihren besonderen Zweck geeignet sind. Wenn dies geklärt ist, können die mobilen Computer gegebenenfalls bedenkenlos in einer Fabrik neben dem Heizofen, auf einer Baustelle oder im militärischen Einsatz genutzt werden. Zwar unterscheiden sich die Anforderungen der Industrie und des Militärs, es gibt jedoch auch vieles, das sich auf beide Bereiche anwenden lässt.

Außergewöhnliche Umgebungen erfordern hohe Widerstandsfähigkeit - IP (Ingress Protection)

Die Standards und Normen regeln, in welcher Umgebung die Technik funktionieren muss. Im Alltag geht (meistens) jeder Mensch mit seinen technischen Geräten sorgsam um und versucht sie zu schützen. Arbeitet man hingegen beim Militär oder an produzierenden Stätten, sind die technischen Begleiter permanent außergewöhnlichen Umgebungen ausgesetzt.

Speziell für diese Fälle werden die Geräte im Vorfeld durch die IP-Codes gekennzeichnet. Die Abkürzung IP steht für Ingress Protection (auf Deutsch: Schutz gegen Eindringen). Den beiden Buchstaben werden ohne Zwischenraum zwei Kennziffern angehängt, die den genauen Grad der Robustheit definieren. Bei diesem Verfahren werden die mobilen Computer für die Verifizierung unter verschiedenen Umgebungsbedingungen getestet. Die erste Kennziffer gibt dabei den genauen Widerstand gegenüber Berührung und Fremdkörpern an. Die Skala reicht von 0 bis 6, also von keinem Schutz über den Schutz gegen feste Fremdkörper verschiedener Größe und verschiedener Berührungsmöglichkeiten (Hände, Werkzeuge, Draht) bis hin zum vollständigen Schutz gegen Berührung.

Bildergalerie:
IP5x Test
Bei diesem Test müssen die Geräte Staub in schädigenden Mengen standhalten.
KWF Regentest
Ein Regentest stellt fest, wie gut die Hardware den Elementen trotzt.
Vibration Test
Der Vibrationstest ist mehr als eine Rüttelstrecke.
Vibration Test 2
Die mobilen System werden im laufenden Betrieb getestet.

Die zweite Kennziffer definiert den Schutzumfang des Gehäuses gegenüber Feuchtigkeit beziehungsweise Wasser. Dabei wird umfassend auf Temperatur, aufkommende Stärke des Wassers oder vollkommenes Eintauchen getestet.

Es ist möglich, ein Gerät lediglich auf eine der beiden Schutzarten zu testen. In solchen Fällen wird bei der Kennzeichnung die fehlende Kennziffer durch den Buchstaben X ersetzt. Die gängigsten Zertifizierungen für robuste mobile Computer sind IP54 (gegen Staub in schädigenden Mengen, vollständig gegen Berührung und allseitiges Spritzwasser) oder IP65 (staubdicht, vollständiger Schutz gegen Berührungen und vor starkem Strahlwasser).

MIL-Standards zertifizieren Belastbarkeit der Geräte gegen äußere Einflüsse

Bei Otto Normalverbraucher ist höchstens einmal im Winter die Couch in Kaminnähe belastend für das Notebook. In der Industriebranche und beim Militär sind extreme Umgebungen wie zum Beispiel große Hitze jedoch nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die umweltbedingten Anforderungen an die technischen Geräte werden vorrangig von den weltweit anerkannten und aussagekräftigen MIL-Standards definiert. Diese gängigen militärischen Standards kommen vom US-Militär, werden alle zehn Jahre angepasst und bei jeder Erweiterung mit fortlaufenden Buchstaben gekennzeichnet. Die aktuelle Version ist der MIL-STD-810G von Oktober 2008.

Der Standard MIL-STD-810G wird in drei Teile gegliedert. Teil eins beschäftigt sich mit der Anpassung des Gehäuses an die verschiedenen Umwelteinflüsse, denen ein Gerät während seiner gesamten Lebensdauer ausgesetzt ist. Getestet werden die negativen Auswirkungen der verschiedenen Umweltfaktoren auf das Equipment.

Teil zwei ist unterteilt in verschiedene Anforderungen. Die mobilen Computer werden im laufenden Betrieb und im ausgeschalteten Zustand beispielsweise auf ihren Widerstand gegenüber Temperatur, Temperaturschock, Flüssigkeit, Feuchtigkeit und Vibration getestet. Im Labor werden die verschiedensten Umweltfaktoren nachgestellt, um die Haltbarkeit des Materials und Gerätes zu testen. Bei den MIL-Standards kann es - für zivile Verwender - auch einmal ungewöhnlicher zugehen. Hier muss die Technik zum Beispiel dem Beschuss mit Handfeuerwaffen oder Pilzbefall standhalten.

Der dritte Teil der Prüfung befasst sich mit den verschiedenen Welt-Klimaregionen, in denen die mobilen Computer genutzt werden können. Er stellt die extremen klimatischen Bedingungen nach, in denen die Geräte funktionsfähig sein müssen.

Der MIL-STD-461F ist außerhalb der USA nicht bindend, hat sich aber weltweit im militärischen Bereich durchgesetzt. Industrielle Einrichtungen nutzen diesen Test als Standard, um die elektromagnetische Abstrahlung der Geräte zu zertifizieren.

Hier darf‘s auch mal knallen - die ATEX-Leitlinie

Eine weitere Zertifizierung für technische Geräte befasst sich mit der Verwendung verschiedener Geräte in explosionsgefährdeten Bereichen. Dieser Standard kommt bei Notebooks und Tablets allerdings relativ selten zum Einsatz.

ATEX ist eine Leitlinie der Europäischen Union und leitet sich aus der französischen Abkürzung ATmosphère EXplosive ab. Die zwei gängigsten ATEX-Leitlinien sind 94/9/EG und 1999/92/EG. Die ATEX-Produktrichtlinie 94/9/EG legt die Regeln für das Inverkehrbringen von Produkten fest, die in explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt werden. In diese Richtlinie werden erstmalig auch nicht-elektrische Geräte mit einbezogen.

Hauptzweck der Leitlinie ist der Schutz von Personen, die von Explosionen betroffen sein können. Dafür werden Geräte, die einzeln oder in Kombination zur Verarbeitung von Werkstoffen bestimmt sind, auf ihre potenziellen Zündquellen, durch die eine Explosion verursacht werden kann, getestet. Diese Testergebnisse werden in bestimmte Kategorien und Zonen eingeteilt, wobei einige Kategorien nur in definierten Zonen eingesetzt werden dürfen.

Die ATEX-Betriebsrichtlinie 1999/92/EG ist die zweite gängige ATEX-Leitlinie. Hierbei handelt es sich um eine grundlegende Sicherheitsanforderung, die der Betreiber/Arbeitgeber in einem Bereich mit gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre umzusetzen hat. Dazu gehören:

Die Arbeitgeber teilen die explosionsfähigen Atmosphären in sechs Zonen ein, getrennt nach Gasen und Stäuben. Tablet PCs und Notebooks werden meist für einen Einsatz in Zone 2 zertifiziert. Dies ist ein Bereich, in dem "bei Normalbetrieb eine gefährlich explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln normalerweise nicht oder aber nur kurzzeitig auftritt".

Standards erhöhen die Transparenz

Generell ermöglichen die Standards und Normen den Anwendern aus der Industrie eine verlässliche Entscheidung, welche Technik sie unter welchen Bedingungen einsetzen können. Eine genauere Recherche lohnt sich auf jeden Fall.

Denn dabei stellt man schnell fest, dass die Tablet PCs und Notebooks gar nicht so sensibel sind. Es gibt in fast jedem Unternehmen noch neue Einsatzmöglichkeiten und -orte - und damit Potenzial für eine Effizienzsteigerung. (mje)