Sprinter auf kurzen Strecken

14.10.1998
Einen Ausweg aus dem Bandbreitenengpaß versprechen die xDSL-Techniken: Sie bieten Übertragungsraten bis 6 MBit/s und nutzen herkömmliche Kupferleitungen. Der einzige Nachteil liegt darin, daß sich nur kurze Distanzen überbrücken lassen und ein Service-Provider deshalb dichte Netze knüpfen muß.

Von: Dr. Rudolf Schwen

Den xDSL-Techniken räumen die meisten Hersteller http:// www.adsl.com große Hoffnungen ein. Als eine wesentliche Schubkraft für die Anwendung gilt der schnelle Zugang zum Internet-Provider. Die Internet-Gemeinde greift nämlich auf immer aufwendiger gestaltete Seiten zu, bei denen Grafik und Animation nicht fehlen dürfen. Die herkömmlichen Übertragungsraten machen das Surfen schnell zum Geduldspiel, wenn auf der Suche nach Informationen einige Hundert Kilobyte aus dem Web heruntergeladen werden müssen. Hier begann die Nachfrage nach steigenden Bandbreiten. Glasfaserkabel und Satellitenübertragung fallen angesichts der damit verbunden Kosten aus dem Rennen. Einen weiteren realistischen Ausweg bieten die xDSL-Techniken, die mit hohen Übertragungsraten von sich reden machen und dabei die vorhandenen Netze nutzen.

xDSL liefert genügend Bandbreite

xDSL gilt als Überbegriff für die Digital-Subscriber-Line-Technik. Die xDSL-Technik setzt zur Datenübertragung auf die existierende Kupferverkabelung der Carrier und macht somit ein Verlegen neuer Anschlüsse überflüssig. Ausgangspunkt ist die bisher nur unvollkommene Auslastung der Bandbreite, die die herkömmlichen Kupferkabel zur Verfügung stellen. Für die Übertragung von Sprache im Telefonverkehr werden lediglich die Frequenzen bis 4 KHz belegt. Kupferkabel decken allerdings einen Frequenzbereich bis zu 1,1 MHz ab - haben also Platz für 250mal soviel Information. Diese brachliegenden Frequenzbereiche verwendet die DSL-Technik durch eine Aufsplittung des Kupferkabels.

Eine Kupferleitung wird durch Zwischenschaltung von xDSL-Modems in drei unterschiedliche Kanäle aufgeteilt. Einer dieser Kanäle steht nach wie vor für die herkömmlichen Telefondienste zur Verfügung (POTS, Plain Old Telephone Service). Ein zweiter Kanal wird für die Verbindung vom Anwender zum Serviceleister zur Verfügung gestellt, und die dritte Leitung dient der Datenübertragung vom Serviceanbieter zurück zum Kunden. Digitale Modems sorgen dafür, daß der POTS-Kanal durch Filter von den beiden anderen Bereichen abgetrennt wird, so daß eine gleichzeitige Benutzung des Kabelnetzes für Sprach- und Datenübertragung möglich ist. Mit Hilfe der xDSL-Modems wird so aus einem Telekommunikationsnetzwerk, das bisher auf die Übermittlung von Sprache, Text und einfache Grafiken begrenzt war, ein hochleistungsfähiges System. Damit sind die Kunden in der Lage, multimediale Anwendungen vom schnellen Internetzugang, SOHO- und ROBO-(Remote Office Branch Office)-LAN-Access über Telelearning und Teleworking bis hin zu Videoconferencing oder Video-on-Demand zu realisieren. Die xDSL-Technik erlaubt Übertragungsraten, die im Bereich zwischen 0,5 bis 55 MBit/s liegen. Die unterschiedlich hohen Durchsatzraten variieren je nach verwendeter DSL-Technik.

Mit Hilfe von ADSL (Asymmetric Digital Subscriber Line) lassen sich durch die beiden Modems unterschiedlich hohe Datenübertragungsraten in die beiden Richtungen des Datenstroms realisieren. Hier macht man sich die Tatsache zunutze, daß für den Zugang vom Benutzer zum Telekommunikationsservice in aller Regel nicht die hohen Übertragungsgeschwindigkeiten erforderlich sind, wie für das Downloaden von Daten vom Serviceprovider zum User. Die ADSL-Modems splitten das Frequenzband in drei Kanäle auf: einen Downstream-Kanal, einen Kanal mit mittleren Geschwindigkeitsraten und den POTS-Kanal (siehe Bild 3). Über die Downstream-Leitungen vom Provider werden Übertragungswerte zwischen 1,5 und 6,1 MBit/s erzielt, im Gegensatz zu 640 KBit/s auf den Upstream-Verbindungen zum Zugangsknoten.

ADSL für den Download prädestiniert

Das Erreichen der maximalen Übertragungsgeschwindigkeit ist allerdings von verschiedenen Faktoren abhängig, wie

der Länge des Kupferkabels, dem Querschnitt des Kabels, dem Vorhandensein von bridged taps (überbrückte Frequenzbänder) und der Dämpfung (Nebensprechen).

Die Übertragungsrate sinkt bei zunehmender Leitungslänge sowie höheren Frequenzen und sinkendem Kabeldurchmesser.

Die Technik, die derart hohe Übertragungsraten aus den herkömmlichen Kupferleitungen hervorholt, basiert auf digitalisierten Signalen (Advanced Digital Signal Processing) und weiteren Algorithmen. Um die verschiedenen Kanäle in den Leitungen abzugrenzen, werden die vorhandenen Bandbreiten der Telefonleitungen entweder durch Frequency Division Multiplexing (FDM) oder durch Echo Cancellation in kleinere Einheiten aufgeteilt.

Momentan hat sich auf dem Gebiet der ADSL-Technik noch kein einheitlicher Standard herauskristallisiert. Gegenwärtig gibt es Produkte auf dem Markt, die unterschiedliche Trägersignale einsetzen, die jedoch inkompatibel sind. Diese lassen sich unterteilen in:

CAP, Carrier-less Amplitude/Phase Modulation steht für eine Version der QAM (Quadrative Amplitude Modulation), bei der die eingehenden Daten durch ein einziges Trägersignal moduliert werden. Diese Umwandlung ist für die Übertragung durch die Kupferleitungen verantwortlich, wird aber selbst nicht mit übertragen und enthält auch keinerlei Informationen. DMT, Discrete Multi-Tone, beschreibt die Variante, bei der mehrere Trägersignale für die Übermittlung eingesetzt werden. Die übermittelten Daten verteilen sich auf eine Vielzahl von Trägersignalen, die alle eine Form der QA-Modulation einsetzen. DMT basiert auf einer digitalen Technik, die als Discrete-Fast-Fourier-Transformation bekannt ist. DWMT (Discrete Wavelet Multi-Tone) setzt die Multicarrier-Modulation ein, bei der das Trägersignal durch Wavelet-Transformation aufgebaut wird.

Welcher der Standards sich durchsetzt, werden erst umfangreiche Testverfahren zeigen. In der Anfangsphase wurde die Entwicklung vorangetrieben, um die Übertragung interaktiver Multimedia-Anwendungen zu ermöglichen, wie zum Beispiel Video-on-Demand. Auch heute stehen ähnliche Dienstleistungen wie Homeshopping, Teleworking und Remote Access auf der Liste der Anwendungsbereiche. Die wichtigste Anwendung ist jedoch der Internet-Zugang. ADSL ist vor allem für die Gebiete geeignet, bei denen es auf die Ausnutzung der vorhandenen Infrastruktur mit einseitig hohen Übertragungsraten ankommt.

Symmetrische Varianten HDSL und SDSL

Es existieren allerdings auch symmetrische Varianten der DSL-Technik, die gleiche Datenübertragungsraten in beide Richtungen unterstützen. Dieses Verfahren kommt in Einsatzbereichen zum Tragen, bei denen es auf schnelle Echtzeitübertragungsraten ankommt, wie zum Beispiel Videoconferencing oder für den firmeninternen Einsatz im Netzwerk. Bei der Datenübertragung mit HDSL (High Data Rate Digital Subscriber Line) wird eine weiterentwickelte Modulationstechnik eingesetzt und bei Verzicht von Repeatern nur eine begrenzte Bandbreite von 80 kHz bis 240 kHz belegt. Anwendungsbereiche dafür sind firmeneigene Netzwerke, Basisstationen für drahtlose LANs, Access-Systeme für Carrier, Internet-POPs und der Zugang zu Virtual Private Networks.

SDSL (Single Line Digital Subscriber Line) ist die auf eine Leitung verkürzte Version von HDSL, die Daten über eine einzelne Twisted-Pair-Verkabelung überträgt. In den häufigsten Fällen wird dabei die Telefonleitung benutzt, die dann gleichzeitig für normalen Telefonverkehr und die mittleren Datenübertragungsfrequenzen genutzt wird. Gegenüber HDSL hat SDSL den Vorteil, auch die Anwender zu unterstützen, die lediglich über eine Telefonleitung verfügen. Haupteinsatzgebiete für SDSL liegen im Serverbereich und bei Remote-Anwendern, die schnelle Übertragungsraten brauchen. Eine Limitierung gibt es allerdings: SDSL läßt sich nicht auf Distanzen über 2,7 km einsetzen.

VDSL mit unterschiedlichen Übertragungsraten

Die nächste Generation des digitalen Breitbandzugangs zu Netzwerken ist VDSL. Die Very High Rate Digital Subscriber Line ähnelt im Aufbau der ADSL-Technik am meisten. Auch hier kommen unterschiedliche Down- und Upstream-Übertragungsraten zum Tragen, die allerdings die ADSL-Werte noch um einiges übertreffen. Über kurze Strecken kann die VDSL-Technik im Zusammenhang mit FTTN-Konzepten (Fiber To The Node) zum Tragen kommen. Als Alternative von FTTH (Fiber To The Home), also Glasfaserkabeln für die gesamte Strecke bis zum Benutzer, ist eine Kombination von Glasfaserkabeln denkbar, die in Optical Network Units (ONU) münden und die exisiterenden Kupferkabel auf der "Last Mile" übergehen. VDSL soll zukünftig Daten mit einer maximalen Downstream-Übertragungsrate von bis zu 55 MBit/s über eine Distanz von bis zu 300 Metern übertragen können. Allerdings hat diese Weiterentwicklung noch nicht die Reife von ADSL. Die große unbekannte Komponente in der momentanen Definitionsphase ist die maximale Entfernung, mit der VDSL zuverlässig realisiert werden kann.

xDSL für jedermann?

Die Übertragungsraten der verschiedenen xDSL-Varianten bieten einen Ausweg aus dem vorhandenen Bandbreitenengpaß. Eine Voraussetzung dafür ist, daß die verschiedenen Carrier mitspielen. Sie testen die Technik im Moment weltweit in einzelnen lokalen Telekom-Netzen. Ein weiterer Punkt betrifft den Anbietermarkt: Die Hersteller müssen erst beweisen, daß es leistungsfähige Produkte gibt, die diese hohen Übertragungsraten zuverlässig zur Verfügung stellen. (hjs)

Dr. Rudolf Schwen

ist Marketing Manager bei der Network Systems Division bei US Robotics.

Literatur

[1] Boog, Rüdiger: Flottgemachtes Kupfer; Gateway 2/1996, Seite 106; Verlag Heinz Heise, Hannover 1996