Spezialisten mit generalistischem Wissen

25.11.1999
Die neuen Medien, die wachsende Nutzung von Datennetzen und die Liberalisierung der TK-Märkte haben neue berufliche Qualifikationen nötig gemacht. Bei der Weiterbildung zum Telekommunikationsmanager an der TU Ilmenau lernen die Teilnehmer, wie sie in einem Unternehmen Geschäftsprozesse durch IuK-Techniken verbessern können.

Von: Dr. Ralf Tosse

Man kann es täglich lesen und spüren: Die Gesellschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel zur Informationsgesellschaft. Die neuen Medien und die wachsende Nutzung von Datennetzen in allen Lebensbereichen sind eine ständig sichtbare Seite dieser Entwicklung. Die andere, nicht immer offensichtliche Seite ist die wachsende Bedeutung der IuK-Technologie in Produktions- und Managementprozessen. Sie stellt die Manager aller Branchen vor die Aufgabe, eine neue Technologie im Unternehmen einzusetzen, die meist nicht zu den Kernprozessen gehört, aber Abläufe rationalisiert und den Zugriff auf Informationen sichert. Informationen sind zu einem Produktivitätsfaktor mit ständig wachsender Bedeutung geworden. Ein dritter wichtiger Aspekt ist die Liberalisierung der TK-Märkte. Sie schafft die Voraussetzungen für Telekommunikationsdienste, die von der Übermittlung von Informationen bis zu Mehrwertdiensten reichen.

Diese Entwicklung führt dazu, daß für alle Unternehmen und Verwaltungen maßgeschneiderte TK-Infrastrukturen entwickelt werden können und müssen und hierfür bedarf es eines Verantwortlichen mit den nötigen Kompetenzen: den Telekommunikationsmanager.

Telekommunikationsmanager sind akademisch gebildete Techniker, die auf eine Position als Führungskraft vorbereitet sind und über Grund- und Spezialkenntnisse sowie Weitblick und praktische Fähigkeiten verfügen. Sie sollen Probleme in betrieblichen Prozessen durch den Einsatz von IuK-Techniken lösen helfen. Dazu sind technische, betriebswirtschaftliche, organisatorische und juristische Grundkenntnisse notwendig. Angebote zu Equipment, Netzdiensten und Mehrwertdiensten müssen bewertet werden können. Ansätze zur Rationalisierung der Geschäftsprozesse durch IuK-Produkte müssen richtig erkannt werden.

Ganz neu ist das Berufsbild nicht: Es gibt in großen Unternehmen schon lange TK-Manager, die innerhalb der Firma diese Aufgabe erfüllen. Neu ist, daß nun auch kleine und mittelständische Unternehmen Bedarf an den Diensten eines TK-Managers haben.

Der Telekommunikationsmanager kann in Firmen arbeiten, die die innerbetriebliche Kommunikation und Informationsverarbeitung nicht aus der Hand geben möchten. Er kann aber auch zum Beispiel als Consultant in Dienstleistungsfirmen tätig sein, die die dargestellten Aufgaben für andere erbringen. Die Dienstleistungen sind dabei oft auch eine Basis für eigene Existenzgründungen.

Bedarf an Fachleuten

Auf alle Fälle besteht ein Bedarf an Fachleuten mit den dargestellten Kompetenzen - und dieser Bedarf wird sicherlich noch zunehmen, denn bereits heute ist abzusehen, daß es einen Mangel an Fachkräften im Bereich der Telekommunikationstechnik und Informationsverarbeitung geben wird. Diesem Trend kann durch entsprechende Weiterbildungsangebote entgegengewirkt werden. Weiterbildung ist gleichzeitig ein wichtiges Mittel, mit der auf allen Gebieten rasanten Entwicklung Schritt zu halten und neue berufliche Perspektiven zu eröffnen.

Vor diesem Hintergrund entwickelte das Fachgebiet Kommunikationsnetze der TU Ilmenau den berufsbegleitenden weiterbildenden Studiengang zum Telekommunikationsmanager. Während der Weiterbildung sollen die Teilnehmer Wissen bekommen, das sie in der Praxis unmittelbar nutzen können und das sie dem Berufsbild des TK-Managers schnell näher bringt. Den Stoff vermitteln Dozenten aus Universität und Wirtschaft.

Der Stoffplan enthält zunächst wichtige Grundlagen der Nachrichtentechnik und der Betriebswirtschaft. Diese sind vor allem wichtig für Studenten ohne betriebswirtschaftliche oder nachrichtentechnische Vorbildung. Es hat sich gezeigt, daß auch Absolventen dieser Fachrichtungen eine Auffrischung oft gut gebrauchen können.

Die zweite Säule behandelt Dienste und Netze. Schwerpunkte liegen dabei auf den Trends der Telekommunikationstechnik wie etwa neue Telekommunikationsnetze und -dienste, Endgeräte und Schnittstellen. Corporate Networks werden aus der Sicht kommerzieller sowie offener Betreiber, beispielsweise der Hochschulen, betrachtet.

Betrieb und Planung von Kommunikationsinfrastrukturen bilden die dritte Säule des Studienganges. Hier behandeln die Dozenten die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, Telekommunikationsgesetz und Multimediagesetz. Des weiteren stehen auf dem Lehrplan Aspekte der Zuverlässigkeit, der gesicherten Datenübertragung, Finanzierungs- und Investitionsrechnungen im Bereich der Telekommunikationstechnik. Bei Besuchen von Firmen lernen die Teilnehmer Beispiele von branchentypischen Anwendungen kennen.

Eine Projektarbeit ist ebenfalls Bestandteil des Studiums. Das Thema wird in der Regel von einem Unternehmen gestellt, das auch die Ergebnisse bewertet. Die Themen sind typische kleine Aufgabenstellungen für TK-Manager. Das kann beispielsweise die Auswahl eines Netzbetreibers für eine bestimmte Aufgabe, die Auswahl von Equipment oder die Konzeption eines Netzes sein.

Nach unseren Kenntnissen ist der Studiengang in dieser Form in Deutschland einmalig.

Studium ist berufsbegleitend möglich

Die Teilnehmer können das Studium berufsbegleitend durchführen. Die Vorlesungen, Seminare und Praktika finden in einem Zeitraum von zwei Semestern an elf Kurswochenenden statt. Ein solches Kurswochenende beginnt am Donnerstag um 13 Uhr und endet am Sonntag um 11 Uhr. In dieser Zeit finden 30 Stunden Lehrveranstaltungen statt. Die Kursteilnehmer müssen also alle drei bis vier Wochen nach Ilmenau kommen, wozu 22 Urlaubstage notwendig wären. Die meisten Studenten erhalten jedoch von ihren Arbeitgebern eine Freistellung oder die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu verlagern. In einigen Bundesländern kann den Teilnehmern auf Antrag Bildungsurlaub gewährt werden.

Der Stoff wird in Modulen vermittelt. Nach Beendigung eines Abschnitts erfolgt eine Prüfung, meist in schriftlicher Form. Zwei Teilnehmer bearbeiten in der Regel gemeinsam ein Projekt, welches nicht an den Ort Ilmenau gebunden ist. Die Organisation des Projekts kann auf die Bedürfnisse dieses Teams und gegebenenfalls der betreuenden Firma zugeschnitten werden. Es ist sicherlich aufwendiger, ein Präsenzstudiums zu absolvieren, als eine Weiterbildung zu machen, die mehr oder weniger auf Tele-Learning beziehungsweise Tele-Teaching basiert. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Vorteilen - und die Erfahrungen der vergangenen Kurse sind gut: Die Studenten stehen miteinander in Kontakt und können sich über ihre fachlichen Erfahrungen austauschen. Ihre Berufserfahrungen können die Studenten, die ja auf ihren Gebieten alle Spezialisten sind, in den Kurs mit einbringen. Die Anwesenheit in Ilmenau schottet ab von anderen Aufgaben und Problemen - wenn nicht gerade ein Handy klingelt. Die Motivation ist bei allen so groß, daß sie zumindest einen Teil der Freizeit für das - oft gemeinsame - Selbststudium oder die Nutzung der Rechnerpools verwenden.

Die Weiterbildung kostet insgesamt 6000 Mark, diese sind in zwei Raten zu je 3000 Mark jeweils am Beginn eines Semesters zu zahlen. Nach erfolgreichem Abschluß erhalten die Studenten ein Zertifikat der TU Ilmenau. Die Prüfungsleistungen werden ebenfalls attestiert.

Studium nicht nur für Techniker

Als potentielle Studenten sind zunächst Elektrotechniker und Betriebswirte angesprochen, deren Ausbildung unter Umständen schon etwas länger zurückliegt. Diese können ihr Wissen auffrischen oder bekommen Informationen zu neuen Trends in der Telekommunikationstechnik. Aber auch Berufspraktiker, die keine Ausbildung in Nachrichtentechnik oder Betriebswirtschaft hatten, erhalten wichtiges Grundwissen.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß alle Studenten in der Lage waren, den gebotenen Stoff zu verstehen und die Prüfungen abzulegen. Der Einstieg in ein völlig neues Fachgebiet fällt mitunter schwerer, als das Lernen von neuen Erkenntnissen in einem bekannten Fach. Weil die Teilnehmer aus ganz verschiedenen Berufen kommen, gibt es fast zu jedem Fach Experten, die ihre Unterstützung anderen anbieten können.

Die Studenten der ersten drei Kurse waren Elektrotechniker, Wirtschaftswissenschaftler aber auch Berufspraktiker, die völlig fremde Richtungen oder gar nicht studiert hatten. Bisher haben 93 Prozent aller Studenten ein Zertifikat erhalten. Nur ein Student hat bisher das Studium abgebrochen. Voraussichtlich wird die Erfolgsquote nach drei Kursen 96 Prozent betragen. Diese Zahl zeigt, daß auch Nichttechniker gute Chancen haben, den Kurs erfolgreich abzuschließen.

Enge Kontakte mit der Wirtschaft

Schon zu Beginn der Konzeption des Studiengangs wurde eng mit Vertretern der Wirtschaft zusammengearbeitet und circa 60 Prozent der Dozenten kommen aus diesem Bereich. Inzwischen gibt es Feedback von den Absolventen des Studienganges, welche Kontakte zu Firmen und Verbänden wie dem Interessenverband der Telekommunikationsmanager (IFB), Bundesverband Telekommunikation (VAF) und der Gemeinschaft Fernmeldetechnik e.G. (GFT) haben.

Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens der Wirtschaft ist sehr gut. Angesprochene Firmen sind gerne bereit, Dozenten bereitzustellen oder zumindest Kontakte zu ihnen herzustellen. Bei der Durchführung von Exkursionen sowie bei der Bereitstellung von Projektthemen fand ebenfalls eine tatkräftige Unterstützung statt. Auch im Bereich Personalmanagement ist die Wirtschaft auf den Studiengang aufmerksam geworden. Es kommen immer wieder Nachfragen von Personalabteilungen, vor allem jedoch von Personalberatungsfirmen. Auch hier werden die Kontakte genutzt, um die Studienpläne ständig an die Erfordernisse anzupassen. Allerdings ist die Ausbildung nicht auf ganz spezielle Produkte ausgerichtet, sondern die Teilnehmer sollen ein "generalistisches Wissen" bekommen.

Internationale Zusammenarbeit sichert Kontinuität

Ein fachlicher und methodischer Gedankenaustausch findet vor allem mit den Nachdiplomausbildungen in Informatik und Telekommunikation (NDIT/FPIT) in der Schweiz und mit der Donau-Universität Krems in Österreich statt. Mit der Donau-Universität Krems besteht seit kurzem ein Kooperationsabkommen, das es Ilmenauer TK-Managern ermöglicht, die Weiterbildung in Krems mit dem Ziel fortzuführen, den akademischen Grad Master of Advanced Sciences (MAS) auf dem Gebiet Telematik-Management zu erlangen. Das ist vor allem für nicht graduierte Studenten ein sehr interessantes Angebot. Der Kooperationsvertrag beinhaltet die Abstimmung der Lehrpläne.

Erste Vorbereitungen zur Entwicklung des Studienganges begannen 1993. Es waren intensive Arbeiten nötig und eine Vielzahl von Hürden zu nehmen, ehe der erste Kurs im Sommersemester 1996 stattfinden konnte. Seit 1997 ist der Beginn des Kurses jeweils im Wintersemester. Die ersten drei Kurse besuchten insgesamt 52 Studenten, von denen bis jetzt 48 das Zertifikat als Telekommunikations-Manager erhalten haben.

Für den vierten Kurs, der im Wintersemester 1999/2000 begann, liegen 18 Bewerbungen vor. Wie bisherige Erfahrungen zeigen, bieten Gruppen mit einer Stärke von 15 bis 20 Teilnehmern sehr gute Arbeitsbedingungen. Es bleibt zu hoffen, daß wir mit dem jetzt beginnenden und allen weiteren Kursen an die bisherigen positiven Ergebnisse anknüpfen können. (pri)