Speichernetze effizient verwalten

22.06.2001
Die mit beängstigender Geschwindigkeit wachsenden Datenmengen erfordern ein Umdenken beim Storage-Management. Zentrales Monitoring und Virtualisierung sollen die Verwaltung und Steuerung großer Speichernetze optimieren. Für integrierte Lösungen fehlen jedoch nach wie vor Standards.

Von: DIRK PELZER

Nicht nur Unternehmen der New Economy haben einen unersättlichen Bedarf an Speicherkapazitäten. Der Versand von E-Mails mit immer größeren Dateianhängen sowie stetig wachsende Datenbanken zwingen auch Unternehmen der Old Economy dazu, massiv in Speicherlösungen zu investieren. Nach einer Studie von IDC sollen bereits 2004 allein in Europa unvorstellbare 800 000 Terabyte an Speicher installiert sein. Der Löwenanteil dürfte innerhalb von Storage Area Networks (SAN) seinen Platz finden. Grund genug, sich bereits heute Gedanken zu machen, wie diese gigantischen Datenmengen verwaltet werden sollen.

Storage-Pools vereinfachen Administration

Die klassische Methode des Speichermanagements über den Host funktioniert nur noch in den seltensten Fällen. Eine direkte Zuordnung von Plattenkapazitäten zu einem Unix- oder Windows-System ist nicht nur unflexibel, sondern auch hinsichtlich der Administrationskosten kaum mehr zu vertreten.

Gefragt sind Architekturen, die Speicher als Ressource unabhängig vom jeweiligen Host und dessen Betriebssystem betrachten. Die Speicherressource sollte sich dynamisch erweitern lassen und mit wenigen Mausklicks an dem Hostsystem bereit stehen, wo sie benötigt wird. Virtualisierung und Storage-Pools heißen die Zauberworte, um dies zu erreichen. Die Ansätze hierfür sind ebenso vielfältig, wie die Zahl der Anbieter, die in diesem lukrativen Markt Fuß fassen wollen.

Die derzeit verfügbaren Produkte lassen sich zwei konkurrierenden Technikansätzen zuordnen. Beim symmetrischen Verfahren (In-Band) übernimmt in der Regel eine Appliance oder ein dedizierter Server die Koordination der Speicherzugriffe von Hostsystemen auf die ihnen zugewiesenen Plattenbereiche. Dazu wird die Appliance in den Datenstrom eingehängt. Dies hat den Vorteil, dass sie neben der Zugriffssteuerung weitere Funktionen übernehmen kann, zum Beispiel Caching, Remote-Mirroring oder Snapshot-Kopien. Dieser Ansatz vereinheitlicht den Zugriff und stellt für alle Speichersysteme identische Funktionen bereit. Das symmetrische Verfahren hat aber auch Nachteile. So kann in größeren SANs die Appliance zum Flaschenhals werden, weil der gesamte Datenverkehr des Speichernetzes durch sie hindurchfließen muss.

Die Verfechter des asymmetrischen Lagers (Out-of-Band) beschreiten einen anderen Weg. Sie verwenden zwar auch eine Appliance, jedoch übernimmt diese lediglich die Steuerungsaufgaben, während die Hostsysteme weiterhin direkt über einen Fibre-Channel-Switch mit dem Speicher kommunizieren. Die Appliance beschränkt sich beim Out-of-Band-Ansatz auf die Funktion eines Kontrollzentrums, das die Sicht auf den physikalischen Speicher hat und virtuelle Volumes generiert. Um auf diesen virtualisierten Speicher zugreifen zu können, müssen auf den Hosts betriebssystemspezifische Treiber installiert werden, die mit der Appliance kommunizieren. Die Notwendigkeit von Treibern ist der größte Nachteil des asymmetrischen Ansatzes. Ansonsten stehen hier wie bei der symmetrischen Variante Snapshots, Mirroring und weitere Funktionen zur Verfügung.

Ein typischer Verfechter des symmetrischen Lösungsansatzes ist Datacore mit dem Produkt "SAN Symphony". Die Software fasst Festplattenspeicher unterschiedlicher Hersteller zu virtuellen Speicherpools zusammen. Der Administrator kann die Speicherressourcen über eine grafische Benutzeroberfläche jedem beliebigen Server im SAN zuweisen. Neben der Software ist hierfür mindestens ein dedizierter NT- oder Windows-2000-Server erforderlich, der sich um das Management kümmert. Der SAN-Spezialist Gadzoox hat diese Idee inzwischen aufgegriffen und bietet eine auf SAN Symphony basierende Appliance mit dem Namen "Axxess" an. Um einen Single Point of Failure zu vermeiden, ist SAN Symphony Cluster-fähig.

Den asymmetrischen Ansatz propagieren Schwergewichte wie Compaq und IBM, aber auch Newcomer wie das israelische Unternehmen Storeage. Die schon lange von Compaq angepriesene aber nach wie vor nicht kommerziell erhältliche "Versastor"-Technik soll, wenn es nach den Texanern geht, noch in diesem Jahr zum Standard für Virtualisierung und Storage-Pooling avancieren. Compaq hat zu diesem Zweck eine Reihe von Herstellern hinter sich geschart, die passende Treiber und Schnittstellen liefern wollen. Zu ihnen zählen unter anderem Emulex, JNI, Qlogic, McData, Storage und Troika.

Virtualisierung im großen Stil betreiben möchte auch IBM mit der im Beta-Stadium befindlichen "Storage Tank"-Technik, die ein universelles virtuelles Dateisystem generiert. Auf dieses sollen dann alle Plattformen transparent zugreifen können. Dazu ist die Installation von Plug-in-Software auf den jeweiligen Systemen notwendig.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Newcomer Storeage aus Israel mit der "Storage Virtualization Manager Appliance". Sie ist im Gegensatz zu den anderen asymmetrischen Produkten bereits verfügbar und bietet neben Storage-Pooling Funktionen wie Hochverfügbarkeit, Snapshots oder Verschlüsselung.

Einen Mangel weisen alle Virtualisierungslösungen auf: Es gibt bislang keinerlei Standards und so ist der Anwender auf Gedeih und Verderb an einen Hersteller gebunden.

Management mit Hürden

Virtualisierung und Storage-Pooling sind nicht die einzigen Aspekte, die es beim Management eines SAN zu berücksichtigen gilt. Mit der steigenden Zahl von aktiven Komponenten in Form von Host-Bus-Adaptern, Switches, Hubs und Routern steigt die Zahl potenzieller Fehlerquellen und Engpässe.

Wie bei der Entwicklung in Local Area Networks (LAN) bringen nun die Hersteller auch für Speichernetze verstärkt Netzwerkmanagement-Tools auf den Markt. Unter der Führung des Storage-Spezialisten EMC haben sich rund fünfzig Anbieter von Speicher-Komponenten in der Fibre Alliance zusammen geschlossen und arbeiten an Konzepten für das Monitoring von Speichernetzen. Ein erster Entwurf einer Fibre Channel Management Integration MIB (FCMGMT-INT) wurde inzwischen bei der Internet Engineering Task Force (IETF) zur Standardisierung eingereicht. Die aktuelle Version ist unter der Adresse http://search.ietf.org/internet-drafts/draft-ietf-ipfc-fcmgmt-int-mib-06.txt abrufbar. Die Management Information Base (MIB) erleichtert die Integration von SANs in existierende Enterprise-Management-Frameworks wie BMC Patrol, HP Open View, CA Unicenter oder Tivoli und erlaubt die Überwachung von Performance, Zustand und Konfiguration.

Die Kommunikation erfolgt über Agenten und SNMP GET-Kommandos. Diese werden von einer Managementstation gesendet, die auch die Ergebnisse speichert. Für eine automatische Erkennung der Topologie schicken die Fibre-Channel-Knoten Request-Notification-Identification-Pakete an benachbarte Komponenten. Die zurückgelieferten Daten landen in einer Link-Tabelle des jeweiligen SNMP-Agenten. Damit ist jede Komponente darüber informiert, zu wem sie unmittelbare Verbindung hat. Die Managementstation muss nur noch die Link-Tabellen der SNMP-Agenten abfragen und kann so ein Bild des Gesamtnetzes aufbauen.

ware zeichnet sich durch eine modulare Architektur aus.

Bis die Fibre Channel SNMP MIB und weitere Standards Eingang in die Produkte der diversen Anbieter finden, dürfte noch eine Weile vergehen. So sind die Hersteller von SAN-Managementsoftware heute meist darauf angewiesen, proprietäre Werkzeuge zu verwenden, um das SAN nicht nur zu visualisieren, sondern auch zu verwalten. Diese sind in der Regel ausschließlich auf die eigene Hardwarepalette abgestimmt. Zudem konzentrieren sie sich meist zu sehr auf die physikalische Sicht und lassen den logischen Aspekt aus Sicht der Anwendung, die auf den Speicher zugreift, außen vor.

Für eine geschäftskritische Datenbank zum Beispiel ist es wichtig zu wissen, welche anderen Applikationen Daten auf dem physikalischen Speicher ablegen und damit möglicherweise den eigenen Betrieb stören. Platten-Pooling und Virtualisierung erschweren die Transparenz in diesem Bereich zusätzlich. Die meisten Hersteller pflegen Kompatibilitätslisten mit den von ihnen unterstützten Fibre-Channel-Komponenten, um zumindest eine minimale Interoperabilität zu garantieren.

Etablierte und Start-ups

Mittlerweile bieten eine ganze Reihe von Herstellern Lösungen für die Verwaltung von Speichernetzen an. Die Tools erkennen die im SAN vorhandenen Komponenten automatisch und stellen die Topologie grafisch dar. "SAN Point Control" von Veritas beispielsweise nutzt bereits die Fibre Channel Management Integration MIB, um eine möglichst umfassende Abbildung der Struktur zu erreichen. Die Software kann darüber hinaus die Performance messen und erlaubt bei Überschreitung von Schwellwerten eine Alarmierung per SMTP-Mail oder SNMP-Trap.

Einen ähnlichen Weg beschreitet BMC mit dem "Patrol Storage Network Manager" und "Patrol for Storage Devices". Allerdings fällt die Kompatibilitätsliste bislang relativ kurz aus. Nur die ganz großen Anbieter wie EMC, Compaq oder Brocade stehen neben einer Hand voll anderer Hersteller auf der Liste.

Fazit

Von einem ganzheitlichen Ansatz sind SAN-Management-Tools noch weit entfernt. Ursache dafür sind fehlende Standards und konkurrierende proprietäre Lösungen. Auch ist die Innovationswut der Hersteller aus Managementsicht derzeit eher hinderlich als hilfreich. Neue Techniken wie Storage over IP (I-SCSI) und Fibre Channel over IP (FCIP) werfen zusätzliche Probleme auf. Unternehmen können sich nur dadurch absichern, dass sie entweder möglichst homogene Landschaften betreiben oder Anbieter bevorzugen, die bereits Standards wie die FC-MIB unterstützen. So oder so müssen sie mit einer Kompromisslösung leben und darauf achten, dass sie eine modulare Managementsoftware einsetzen, die sich bei Bedarf erweitern lässt. (cl)

Zur Person

DIPL.-ING. DIRK PELZER

ist freiberuflicher Consultant und Journalist in München. Er beschäftigt sich unter anderem mit Speichernetzwerken und hochverfügbaren Rechnersystemen.