Elektronische Post im Unternehmen

Sollen private E-Mails in Firmen verboten werden?

27.02.2011 von Oliver Häussler
Aus rechtlicher Sicht spricht alles für ein Verbot der privaten Nutzung von E-Mails und Internet im Unternehmen. Rechtsexperten raten jedoch davon ab und empfehlen eine Erlaubnis mit klaren Regelungen.

Wer eine private E-Mail von seinem Arbeitsplatzrechner aus schreibt oder zu privaten Zwecken im Internet surft, riskiert unter Umständen seinen Job. Eine extensive private Nutzung des Internets im Unternehmen kann zur fristlosen Kündigung führen, urteilte der Bundesarbeitsgerichtshof am 7.7. 2005, auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich die private Internet-Nutzung am Arbeitsplatz gestattet hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer auf Web-Seiten mit pornografischen Inhalten zugreift.

Kriterien für die fristlose Kündigung

"Ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, hängt davon ab, inwiefern der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht durch allzu langes Surfen vernachlässigt oder die Kosten der Internet-Nutzung über das erlaubte Maß hinaus überschreitet", erklärt Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Hackenberg, Mitbegründer und stellvertretender Leiter des Steinbeis Transferzentrum pvm. Auch der Imageschaden des Unternehmens, der durch die "Spuren", die der Betroffene beim Surfen auf pornografischen Seiten hinterlässt, wirkt belastend für ihn. Hat der Arbeitgeber die private Nutzung von Internet und E-Mail nicht geregelt, wirkt dies allerdings entlastend für den Arbeitnehmer.

Komplexer Rechtsrahmen

Der Gesetzgeber schreibt keine Regelung zur privaten Nutzung von E-Mail und Internet im Unternehmen vor: Jede Organisation regelt das selbst. In Deutschland hat knapp die Hälfte der Firmen private E-Mails verboten. Von diesen Unternehmen kontrolliert allerdings wiederum nur die Hälfte das Verbot. Die Mehrzahl duldet oder toleriert private E-Mails.

Problematisch wird es für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, wenn durch Nutzung, Kontrolle, Einsicht oder Speicherung Rechte beeinträchtigt oder Gesetzesvorschriften missachtet werden. Verletzbare Rechte sind auf der Arbeitnehmerseite der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor Eingriffen durch den Arbeitgeber. Im Sinne des Datenschutzes kann der Arbeitgeber nicht uneingeschränkt Stammdaten, Nutzungsdaten oder gar Inhaltsdaten einsehen und verwenden. Das wirft rechtlich eine Reihe von Fragen auf: Inwiefern verletzt der Arbeitgeber bei der Erfüllung seiner gesetzlichen Vorgaben das im Grundgesetz geregelte Recht auf informelle Selbstbestimmung, inwiefern gilt das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis für E-Mails, welche Betriebs- oder Tarifvereinbarung bestehen dazu?

Der Arbeitgeber wiederum unterliegt Pflichten, die Ressourcen, die Arbeitsproduktivität und den Betriebsfrieden zu schützen. Er hat eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Außerdem ist er verpflichtet, E-Mails zu archivieren und zu schützen. Dazu benötigt er das Recht, E-Mails zu kontrollieren und Daten zu erheben. Kurzum: Aus rechtlicher Sicht besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. "Deshalb empfehlen wir Unternehmen dringend eine Regelung der privaten Nutzung von Internet und E-Mail im Unternehmen", sagt Dr. Hackenberg.

Wer keine Regelung hat, riskiert…

Wer keine Regelung trifft, begibt sich rechtlich gesehen auf Glatteis. "Bei ungeregelter Nutzung besteht die große Gefahr der persönlichen Haftung für IT-Verantwortliche oder Geschäftsführer auf Schadenersatz, Bußgelder, Geld- und Freiheitsstrafe - es sei denn, es werden technische und organisatorische Maßnahmen getroffen, die eine Einhaltung der zahlreichen gesetzlichen Vorgaben gewährleisten", so Rechtsexperte Hackenberg.

Dr. Wolfgang Hackenberg: "Die private Nutzung moderner Kommunikationsmedien im Unternehmen schafft eine Unternehmenskultur der Selbstverantwortung, der Wertschätzung und des Vertrauens".

Letzteres sei aber in der Praxis de facto nicht möglich, denn es müssten für die private Mail- und Internet-Nutzung technisch komplett getrennte Systeme installiert werden. Keine Regelung ist somit die schlechteste Lösung. Doch welcher Regelung ist der Vorzug zu geben? Die Nutzung von E-Mail und Internet am Arbeitsplatz verbieten oder sie - wenn auch mit Vorbehalten - zu erlauben?

"Problemfall" TKG

Genehmigt oder duldet der Arbeitgeber die private Nutzung, so gilt er im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) als Diensteanbieter und ist zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet. Das heißt, er darf weder Inhalte noch Verbindungsdaten der Internet- und E-Mailnutzung überwachen. Sämtliche Inhalts- und Verbindungsdaten, die Auskunft über die an der Internet-Nutzung oder am E-Mail-Verkehr Beteiligten geben könnte, sind durch angemessene technische Vorkehrungen und sonstige Maßnahmen vor Kenntnisnahme zu schützen. Dazu gehören Zutritts- und Zugriffsbeschränkungen, gegebenenfalls Verschlüsselung und Schutz der Logfiles vor unbefugter Einsichtnahme.

Außerdem muss er nach dem Telemediengesetz (TMG) die Erhebung von personenbezogenen Daten auf ein Mindestmaß reduzieren und erhobene Daten nach der Nutzung sofort löschen. Private E-Mails sind gesondert zu speichern. Trennt der Arbeitgeber die private E-Mailnutzung nicht logisch oder physisch von der dienstlichen Nutzung, so ist jede Kommunikation als privat anzusehen, so die Auffassung der Aufsichtsbehörde in Baden-Württemberg.

Doch damit nicht genug: Der Arbeitgeber darf auch die Nutzung nicht ohne Einwilligung protokollieren, es sei denn, sie dient "zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung, zur Sicherung des ordnungsgemäßen Betriebs der Verfahren oder zu Abrechnungszwecken oder es liegt der Verdacht einer strafrechtlich relevanten Nutzung vor." Selbst Abrechnungsdaten dürfen nur dann protokolliert werden, wenn der Arbeitnehmer zur Zahlung eines Entgelts für die Nutzung verpflichtet ist.

Äußerst problematisch ist der Umgang mit SPAM oder virenbehafteten E-Mails. Allein schon der Einsatz eines SPAM-Filters kann eine Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses bedeuten. Das Oberlandesgericht Karlsruhe begründete in einem Urteil: Das Tatbestandsmerkmal des "Unterdrückens" im Sinne des § 206 StGB wird durch das Ausfiltern von E-Mails erfüllt." Um zu wissen, welche E-Mails verseucht sind, muss der IT-Administrator jedoch alle anschauen, auch die nicht verseuchten, und das ist nicht erlaubt.

Die Folgen des Verbots

Bei rein dienstlicher Nutzung, hat der Arbeitgeber einen größeren Handlungsspielraum. TKG und TMG finden keine Anwendung. In diesem Fall darf er stichprobenartig prüfen, ob die Nutzung von Internet und/oder E-Mail dienstlicher Natur ist. Zwar müssen die Arbeitnehmer auf mögliche Überwachungsmaßnahmen und die in Betracht kommenden Sanktionen hingewiesen werden, doch darf sich der Arbeitgeber prinzipiell jede ein- und ausgehende E-Mail - wie einen Geschäftsbrief - vorlegen lassen.

Daher ist "aus rein rechtlichen Gründen zu empfehlen, die private Nutzung des Internet im Betrieb zu untersagen", sagt Dr. Hackenberg. Allerdings schränkt der Rechtsexperte ein, dass bei genauerer Betrachtung der Folgen des Verbotes einer "Erlaubnis mit klaren Regelungen" der Vorzug zu geben sei.

Denn: Internet und E-Mail werden trotz des Verbots von vielen Mitarbeitern dennoch privat genutzt. Kontrolliert und ahndet der Arbeitgeber Verstöße nicht, so kommt das einer Erlaubnis gleich. Deshalb muss das Unternehmen Prozesse implementieren, um das Verbot zu überwachen. Dazu gehört auch, dass ein Strafkatalog aufgestellt wird und Strafen bei Verstößen auch tatsächlich verhängt werden. "Das alles führt zu einer extremen Verschlechterung der Unternehmenskultur, weil loyalen Mitarbeitern eine böswillige Absicht unterstellt wird, außerdem schürt es die Angst vor `BigBrother` und demotiviert die Mitarbeiter", so Hackenberg.

Erlaubnis mit klaren Regelungen

Um das Betriebsklima zu fördern, rät der Rechtsexperte daher zu einer Erlaubnis mit einer klaren Regelung. Diese definiert den Geltungsbereich, damit jeder Mitarbeiter weiß, ob, wann und in welchem Umfang er E-Mail und Internet nutzen darf. Sie holt vom Mitarbeiter die Einwilligung in die Aufzeichnung und Verarbeitung personenbezogener und -beziehbarer Daten ein und legt fest, an wen und in welchem Prozess Verstöße mitgeteilt und welche Sanktionen bei Verstößen vorgenommen werden. Die Organisation, wie E-Mails gespeichert, archiviert und gelöscht werden ist weiterer Bestandteil wie auch die Regelung, was nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters mit der E-Mail-Adresse geschehen soll. "Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss dieser bei der Erstellung der Regelung unbedingt mit eingebunden werden", so Hackenberg.

Der Vorteil dieser Vorgehensweise: Bei einer klaren Regelung ist keine restriktive Überwachungen mehr erforderlich. "Das ist angesichts der verschwimmenden Grenzen der Trennung von Arbeitswelt und privater Welt auch nicht mehr zeitgemäß, denn motivierte Arbeitnehmer sind auch außerhalb der Arbeitszeit für das Unternehmen tätig". Die private Nutzung moderner Kommunikationsmedien im Unternehmen schafft eine "Unternehmenskultur der Selbstverantwortung, der Wertschätzung und des Vertrauens", sagt Hackenberg. (mec)