Solides System mit Extras

02.02.2001
Die Software-gestützte TK-Anlage für mittlere Unternehmen glänzt mit Zusatzfunktionen wie "Least Cost Routing" und "Hook-On/-Off"-Unterstützung. Den noch nicht vorhandenen Konferenzmodus will Swyx bis zum Ende des Jahres nachrüsten.

Von: Inti Florez-Brandel, C. Rossenhoevel, K. Plessner

Die junge Dortmunder Firma Swyx Communications hat sich ganz auf Voice-over-IP-Komplettlösungen spezialisiert. Sie lieferte für diesen Test ein Szenario aus vorinstallierten Komponenten: den Gatekeeper und ITSP-Server "Swyx Server", zwei Gateways "Swyx Gate", zwei Telefone "Swyx Phone" und zwei Softwaretelefone "Swyx It!" inklusive PCs.

Die PC-Clients

Als Plattform der Software-Telefone dient ein herkömmlicher PC mit IP-Netzwerkanbindung und einer gewöhnlichen Full-Duplex-Soundkarte (Swyx empfiehlt "Creative Sound Blaster"). Das unter Windows arbeitende Programm hat uns im Hinblick auf seine Ausstattung sehr gut gefallen. Alle "Features" (siehe Liste) funktionierten einwandfrei. Auch unter einem belasteten Betriebssystem verhielt sich die Software stets stabil. Sie ist mit austauschbaren "Skins" - grafischen Oberflächen - sehr anpassungsfähig. Neben Standard-Skins liegt eine dem Apparat Swyx Phone nachgebildete Oberfläche bei. Mit einem Editor können die Benutzer die mitgelieferten Templates nach ihren Wünschen verändern.

Individuelle Skins, Klingeltöne und Namenstastenbilder wandern mit dem Benutzer mit. Sie werden als Roaming Profiles auf dem Swyx Server gespeichert. Beachtlich ist dabei, dass Namenstasten auf dem PC-Client und auch auf dem Telefon den Zustand des betreffenden Rufziels darstellen: frei, besetzt oder abwesend. Dieser Überblick kann mancher Sekretärin die Vermittlungsarbeit erleichtern.

Die Roaming-Profile mit der Darstellung der Belegtzustände werden allerdings damit erkauft, dass die Software proprietäre Übertragungsprotokolle nutzt. So unterstützt sie nicht den Standard H.323 und funktioniert daher nur zusammen mit einem Swyx Server. Ein Preis, der in unseren Augen angesichts der gewonnenen Zusatzfunktionen zu verschmerzen ist.

Eine als Zubehör erhältliche "Handsetbox" dient als Telefonhörer mit Ablage. Sie wird zwischen Soundkarte, Telefonhörer und Gameport oder COM-Port geschleift, sodass die Software auf das Abheben und Auflegen des Hörers reagieren kann. Diese so genannte "On-Hook/Off-Hook"-Funktion fanden wir sehr praktisch, weil der gewohnte Ablauf aus Klingeln, Hörer abnehmen, Telefonieren und Hörer auflegen dadurch auch unter Windows funktioniert, ohne dass der Benutzer klicken muss.

Die Telefonapparate

Das Hörer-Set nutzt die Ein- und Ausgänge der Soundkarte und bietet einen zusätzlichen Audioausgang für Boxen. Die Lautstärkeregelung des Client ist von der Windows-Regelung entkoppelt, womit Fehlbedienungen vermieden werden. Der Gesprächspartner hört die typischen Windows-Multimedia-Sounds nicht. Eine externe USB-Box mit eingebauter Soundkarte ist laut Swyx in Planung; eine Lösung, die viele Hersteller favorisieren, weil sie von der PC-Hardware unabhängig ist und auch VoIP-Nutzung mit Laptops ohne Soundkarte zulässt. Das IP-Telefon von Swyx hielt allen Funktionstests stand und arbeitete fehlerlos. Wie aus der Liste im Detail ersichtlich, werden die meisten Standardmerkmale bereits unterstützt. Ähnlich wie beim PC-Client sind auch hier Zusatzdienste auf der Basis eines proprietären Übertragungsprotokolls verfügbar. Swyx verspricht, mit der Softwareversion 3.5 zur CeBIT alle geplanten Zusatzfeatures auszuliefern.

Die Hardwareentwicklung ist dagegen schon abgeschlossen. Ein eingebauter 10/ 100-MBit/s-Mini-Ethernet-Switch eignet sich zum Durchschleifen eines Arbeitsplatz-PCs. Wegen der gerade ausreichenden Displaygröße und dem etwas "klobigen", amerikanischen Design ist das Telefon allerdings höchstens für den Sachbearbeiterplatz geeignet und weniger für das Geschäftsführerbüro. Für anspruchsvolle Benutzergruppen und "Vieltelefonierer" empfiehlt Swyx das PC-gestützte Telefon, weil der Apparat weder eine Freisprecheinrichtung noch einen Anschluss für ein Headset hat.

Künftig will der Hersteller mit neuen Telefontypen auch solche Zielgruppen erreichen. Positiv überrascht hat uns der schnelle Verbindungsaufbau. VoIP-Telefone erkennen das Ende der vom Benutzer eingetippten Rufnummer nicht ohne weiteres. Das Swyx Phone unterstützt "Overlap Sending", das heißt es sendet die Telefonnummer während des Eintippens "stückchenweise". So kann der Gatekeeper das Ende schneller erkennen und zügig verbinden. Die beim PC-Client erwähnten Zusatzfunktionen bietet auch das Swyx Phone. Sie rechtfertigen die Nutzung des proprietären Übertragungsprotokolls ITSP, das das Telefon wie den PC-Client an den Swyx Server bindet. Laut Hersteller kann der Benutzer jedoch das Hardware-Telefon auch mit einer standardkonformen H.323-Software booten.

Der Gatekeeper und das Gateway

Beide Komponenten laufen als Windows-NT- oder Windows-2000-Dienste auf Standard-PCs. Mehrere Gateway-PCs lassen sich vom Gatekeeper-Rechner aus über das Administrations-Programm "Microsoft Management Console" zentral verwalten. Leider gibt es kein Web-Interface; der Kunde ist auf das genannte Microsoft-Produkt angewiesen. Demnächst soll jedoch auch eine Linux-Version des Gatekeepers und des Gateways auf den Markt kommen - keine Linux-Clients -, die dem Anwender Lizenzgebühren für Microsoft ersparen. Die Bedienung der Server halten wir für "intuitiv". Einfache Administrationsaufgaben konnten wir schon nach einer kurzen Einführung durchführen. Eine ausführliche Online-Hilfe existiert auch in deutscher Sprache. Wie üblich, ist ein zentrales Adressbuch vorhanden. Swyx hat dieses mit Microsoft-Exchange so verknüpft, dass ein im Outlook-Kalender als abwesend markierter Benutzer auf den Namenstasten der Swyx-Telefone entsprechend dargestellt wird und dass Anrufe im Call- Routing automatisch umgeleitet werden.

Auch die Gatekeeper- und Gateway-Software wird laut Swyx "mit Hochdruck" weiterentwickelt. Derzeit fehlen noch Funktionen, die aus unserer Sicht für einige Kundengruppen wichtig sein könnten: Konferenzgespräche sind nicht möglich, auch nicht die Weiterleitung von Faxnachrichten an VoIP-Endgeräte, die aus dem ISDN-Netz eingehen. Das Gateway unterstützt momentan nur G.711, ist also nur bedingt für die standortübergreifende Nutzung geeignet. Das wollen die Entwickler jedoch spätestens in der Version 3.8 (Dezember 2001) behoben haben.

Nicht getestet haben wir das Least-Cost-Routing zur Kosteneinsparung. Das Gateway wählt den günstigsten Telefonanbieter aus, wenn diese Funktion eingeschaltet ist. Die notwendigen Daten über die Dienstanbieter kann der Benutzer entweder von Hand eingeben oder von der Swyx-Website herunterladen. Die angefallenen Gesprächskosten werden ihm unabhängig vom Telekom-Gebührenimpuls auf seinem VoIP-Telefon während des Gesprächs angezeigt. Der Gebüh-renimpuls ist laut Hersteller oft nicht ausreichend, da er trotz unterschiedlicher Tarifmodelle stur im Zwölf-Pfennig-Rhythmus rechnet.

Die Sprachqualität

Wie üblich setzten wir unsere Analysatoren "Tiqus SQA" und "Storm" auf das Voice-over-IP-Szenario an, um die Sprachqualität der Gateways bei Teleworking-Anwendungen zu testen.

Die subjektiv empfundene Sprachqualität bestimmen wir üblicherweise mit dem Tiqus-Analysator, und zwar von Gateway zu Gateway. Dabei geben wir eine ISDN-Sprachprobe vor, die vom ersten Gateway in IP-Pakete verwandelt wird und über das LAN das zweite Gateway erreicht, das aus dem IP-Strom wieder ein ISDN-Signal errechnet. Weil die Gateways so eine Zusammenschaltung nicht unterstützen, konnten wir die Referenzmessungen der Sprachqualität dieses Mal leider nicht durchführen. Wir dürfen den Geräten deshalb keine Punkte abziehen, weil eine solche Konfiguration schließlich nicht ihrem typischen Anwendungsbereich entspricht.

Die Teleworking-Simulation

Beim Teleworking wird ein Voice- over-IP-Telefon im Home Office oder in einer kleinen Filiale betrieben, während das Gateway zum öffentlichen Telefonnetz und der Gatekeeper in der Firmenzentrale stehen. Dazwischen laufen die Telefongespräche über eine IP-Verbindung, wodurch der Anwender Verbindungskosten und einen doppelten Infrastrukturausbau spart.

Der Swyx-It-PC-Client und das Gateway "Swyx-Gate" verwenden nur die nicht-komprimierenden Codecs (Codec = Kodierer und Dekodierer) G.711; Sprachverbindungen benötigen damit brutto circa 80 kBit/s. Das ist mehr als über ISDN zur Verfügung steht. Deshalb testeten wir nur das Verhalten des Swyx-It-PC-Client und des Swyx-Phone über eine simulierte DSL-Leitung mit den Datenraten 128 kBit/s Upstream und 768 kBit/s Downstream. Von diesen Endgeräten aus wurden Telefone im Testnetz angerufen, wobei Mitarbeiter unter verschiedenen Verkehrsbedingungen die Qualität einer Sprachprobe beurteilten. Der WAN-Emulator beschnitt die Bandbreite individuell in beide Richtungen (Upstream und Downstream). Außerdem erzeugte er künstlich Paketverluste und Jitter-Effekte.

Testergebnisse

Die Ergebnisse der Sprachqualitätstests entsprachen im Wesentlichen den Erwartungen. Gegenüber der Referenzmessung waren bei der Simulation eines unbelasteten DSL-Anschlusses mit nur einem Prozent Paketverlustrate lediglich minimale Unterschiede zu bemerken. Ab einer Paketverlustrate von drei Prozent kamen die Sprachsignale teilweise zerhackt und verrauscht beim Empfänger an. Bei zehn Prozent Netzverlust kam es zu deutlichen Aussetzern, die Qualität war in keinem Fall mehr akzeptabel. Im Vergleich mit anderen Produkten haben sich Swyx Phone und Swyx It recht gut geschlagen, da Verbindungsabbrüche nicht auftraten.

Schon bei den Referenztests fiel uns in einigen Fällen ein leises Rauschen und Knistern des Swyx Phone auf. Die Entwicklungsabteilung von Swyx reagierte schnell und versprach, das DSP-Problem bereits bis zum Erscheinen dieser Ausgabe der NetworkWorld mit neuer Firmware zu beseitigen. Generell hatten wir den Eindruck, dass der Vertrieb und die Entwicklung bei Swyx gut zusammenarbeiten: Technische Detailanfragen wurden rasch und kompetent beantwortet. Im Interview betonte der Hersteller, dass er auf besondere Kundenwünsche eingehen und sie bei der Entwicklung der Software schnell umsetzen will. (kpl)

Zur Person

Carsten Rossenhövel

ist im Vorstand des European Advanced Network Testcenter (EANTC) und leitet die Abteilung Research & Development. Das NetworkWorld PartnerLab EANTC führt unabhängige Tests von Netz-Equipment durch.

Inti Florez-Brandel

ist seit Anfang 2000 bei der EANTC AG beschäftigt. Sein Spezialgebiet ist die Durchführung von Performance- und Dienstgütemessungen für verschiedene Switching-Technologien.