Solides Arbeitspferd

05.05.2000
Die Linux-Distribution des amerikanischen Anbieters Red Hat steht auf dem amerikanischen Markt unangefochten an der Spitze. Umso spannender wird es, wenn ein neues Release des "Red Hat Linux" erscheint. Allerdings lässt bei dieser Version schon die Bezeichnung "6.2" erkennen, dass es sich hierbei im Gegensatz zu der bisherigen Version 6.1 wohl eher um ein Update handelt.

Von: Frank-Michael Schlede

Seit April dieses Jahres steht die Intel-Version 6.2 des Red Hat Linux zur Verfügung und seit dem 17.04. ist nach der Sparc-Version nun auch das Release für Digitals Alpha-CPU erhältlich. Damit beweist Red Hat ein weiteres Mal, dass es mit einer einheitlichen Code-Basis sehr schnell möglich ist, ein Betriebssystem auf einer ganzen Hardware-Palette zur Verfügung zu stellen. Allerdings sind "weltbewegende" Dinge von aktuellen Linux-Releases im Moment sicher nicht zu erwarten: Solange der Linux-Kernel in der Version 2.4 nicht freigegeben ist, werden sich die meisten Anbieter auch weiter damit beschäftigen, kleine Updates oder Fehlerbereinigungen ihrer Distributionen auf den Markt zu bringen.

Wir haben uns für dieses Review die so genannte "Download-Version" des aktuellen Release 6.2 heruntergeladen. Waren gerade die FTP-Server nach der Ankündigung der neuen Version in den Anfangstagen kaum zu erreichen, so bereitete es eine Woche später kaum Probleme, das ungefähr 640 MByte große ISO-File von einem deutschen FTP-Server herunterzuladen. Bei dieser Größe ist allerdings eine schnelle und stabile Internet-Verbindung unbedingte Voraussetzung.

Das Schreiben der ISO-Datei bereitet mit den gängigen Programmen zur CD-Erstellung ebenfalls keinerlei Probleme. Die so erstellte Red-Hat-CD startete in unserem Testsystem ohne Schwierigkeiten und stellte eine grafische Oberfläche für die Installation zur Verfügung, die mit der installierten Grafikkarte vom Typ ATI Mach-64 gut zusammenarbeitete. Die Auswahlmöglichkeiten der verschiedenen Softwarepakete (siehe auch Bild oben) haben uns besonders gut gefallen - durch Grafiken unterstützt, findet der Anwender hier schnell "sein" optimales Unix. Allerdings ist hier nach wie vor Vorsicht geboten: Red Hat Linux stellt gleich zu Beginn die Option zur Verfügung, das komplette System als Workstation einzurichten. Dabei wird natürlich die gesamte Festplatte gelöscht und mit Linux überschrieben. Allerdings findet man in diesem Release auch mehrere Warnhinweise, die auf diese Gefahr aufmerksam machen.

Lokalisierung inbegriffen

Ebenfalls gefallen hat uns die weitgehende Lokalisierung dieses Betriebssystems. Es ist gerade bei den Releases, die von den Anbietern auf den FTP-Servern bereitgestellt werden, nicht eben üblich, hier andere als die amerikanischen Versionen zur Verfügung zu stellen. Bei dieser Distribution konnte aber gleich zu Anfang die entsprechende Sprache ausgewählt werden, und danach waren auch alle Hilfetexte während der Installation in Deutsch. An dieser Stelle zeigt sich wohl die Integration des im letzten Jahr von Red Hat übernommenen Anbieters Delix aus Stuttgart, dessen deutschsprachige Linux-Distribution zu den besten gehörte, die auf dem Markt erhältlich waren.

Die Partitionierung der Festplatte kann während der Installation auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen: Für Linux-erfahrene Anwender steht das bekannte "fdisk"-Programm zur Verfügung, während Red Hat für alle anderen Anwender das eigene Programm "Disk Druid" empfiehlt. Es bietet eine grafische Oberfläche und erleichtert dadurch die Aufteilung der Festplatte(n) im System. Allerdings zeigte das Werkzeug bei unserem System einige Schwächen, wenn es darum ging eine Partition anzulegen und zu beschreiben, deren Anfang in einem Bereich lag, der über 1 024 Zylinder der Festplatte hinaus geht. Dieser Bereich befand sich dabei hinter zwei sehr großen bereits existierenden Partitionen - ein Windows-NT- und ein anderes Linux-System waren bereits auf der Festplatte. Erst nachdem wir in diesem Bereich "per Hand" (also in diesem Fall mittels "fdisk" eines anderen Linux-Systems) eine leere Partition angelegt hatten, konnte der Disk Druid mit diesem Bereich umgehen.

Sieht man einmal von dieser Problematik ab, so funktionierte der Rest der Installation reibungslos. Zu den Neuerungen, die Red Hat mit dieser Version eingeführt hat, gehört unter anderem die Möglichkeit, das Linux-System jetzt schon bei der Installation als Raid-System aufzusetzen. Die entsprechende Software wurde im System integriert und soll mit dieser Version auch noch weiter verbessert worden sein.

Bei der Netzwerkeinstellung geht das System standardmäßig davon aus, dass die Netzwerkkarte über einen DHCP-Server (Dynamic Host Configuration Protocol) konfiguriert wird. Wir wählten hier die manuelle Methode und konnten dann die IP-Adresse, Domain-Namen und die DNS-Nameserver eintragen. Die Netzwerkkarte erkannte und konfigurierte das System ebenso selbstständig wie den verwendeten Monitor und die Grafikkarte. Wichtig hierbei: Man sollte unbedingt die manuelle Einstellung des X-Servers nehmen, um wenigstens die gewählte Einstellung einmal zu überprüfen. Die automatische Hardwareerkennung neigt nämlich dazu, die Werte ziemlich "auszureizen", sodass wir auf einem 17-Zoll-Bildschirm eine Darstellung von 1280 x 1024 Pixel vorfanden - eine nicht gerade "augenfreundliche" Einstellung.

Nach der Installation und dem Neustart des Systems findet man einen aufgeräumten Desktop unter dem Window-Manager "Gnome" (siehe Bild unten) vor. Allerdings kann man sich auch während der Installation entscheiden, nur mit dem KDE-Desktop zu arbeiten. Die Integration von Red Hat Linux und Gnome ist aber besser gelungen als die von KDE auf diesem System, sodass es anzura-ten ist, unter diesem Desktop zu arbeiten.

Schon bei der vorherigen Version 6.1 war festzustellen, dass Red Hat mit dem Programm "linuxconf" zwar ein prinzipiell sehr gutes Tool zur Systemverwaltung besitzt, dass dieses Werkzeug jedoch noch relativ instabil ist. Diese Einschätzung hat sich leider mit dieser Version nicht geändert.

Probleme mit "linuxconf"

Abstürze im laufenden Betrieb sind zwar nicht mehr so häufig wie bei 6.1, aber trotzdem beendete das Programm von Zeit zu Zeit eine Sitzung dadurch, dass es einfach vom Desktop verschwand. Nachforschungen im entsprechenden Home-Verzeichnis (in diesem Fall des Superusers) brachten dann auch einen Core-Dump (Speicherauszug des Hauptspeichers - ein Debugging-Mechanismus auf Unix-Systemen) zu Tage.

Besonders schlimm fielen die Probleme mit "linuxconf" auf, als es darum ging, den "Samba"-Server zu konfigurieren. An dieser Stelle kommt hinzu, dass beim Red Hat Linux mit diesem Release der Samba-Server nach der Installation nicht mehr automatisch als System-Dämon gestartet wird. So findet der Anwender unter "linuxconf" zwar alle Möglichkeiten vor, die Samba-Einstellungen zu konfigurieren - es ist aber kein Menüpunkt vorhanden, der das Starten oder Stoppen dieses Services ermöglicht. Zudem scheint "linuxconf" einige Probleme beim Schreiben auf die Konfigurationsdatei "smb.conf" zu haben: Nach dem Versuch, diesen Teil des Systems zu konfigurieren, und einem weiteren Absturz von "linuxconf" war nämlich eine ganze Reihe merkwürdiger Steuerzeichen in der Datei zu finden, mit denen das Samba-Programm schließlich nicht zurechtkommen konnte. Insgesamt macht dieses Release des Red Hat Linux einen stabilen Eindruck und unterscheidet sich nur wenig von der vorherigen Version. Das uns zur Verfügung stehende System verwendete einen Kernel, der als 2.2.14-5 bezeichnet wird. Nähere Informationen hierzu kann man auf den Web-Seiten von Red Hat finden. Eine ISDN-Unterstützung ist in dieser Download-Version leider ebenfalls nicht enthalten.