SOI: AMDs riskanter Weg in die Zukunft

27.09.2002 von Wiliam Siegle
Silicon-on-Insulator wird bei AMDs 64-Bit-CPUs erstmals in der Massenfertigung zum Einsatz kommen - und soll der Grund für die Verzögerung der Hammer-CPUs sein. Doch für AMD führt kein Weg an SOI vorbei.

Bislang ist die Massenfertigung von Prozessoren mit SOI-Technologie noch Neuland. Doch bei AMDs Hammer-CPUs wird sie erstmals eingesetzt werden. Im folgenden Beitrag erläutert William Siegle, AMD-Chefentwickler und Senior Vice President Technology, die riskante Entscheidung des Chip-Herstellers für SOI. Denn scheitern die geplanten Produktionsprozesse, ist der Schaden für AMD nicht abzusehen. Ausführliche technische Grundlagen sowie Einzelheiten zu den spezifischen Vor- und Nachteilen von SOI finden Sie in unserem Beitrag Schnellere Prozessoren mit SOI-Technologie .

Die etablierte Presse zitiert immer wieder gern - wenn auch falsch - Moores Gesetz, das angeblich besagt, die Leistungsfähigkeit von Computern verdopple sich alle zwei Jahre. In Wirklichkeit hat Intel-Mitbegründer Gordon Moore 1965 festgestellt, dass sich "die Transistorenanzahl auf einem produzierten Die jedes Jahr verdoppelt". Und er sagte voraus, dieser Trend würde anhalten.

Obwohl sich die Verdopplungsrate in den späten siebziger Jahren auf etwa alle 18 Monate etwas verlangsamte, erwarten die meisten Industriebeobachter auch in Zukunft eine nicht abreißende Folge technischer Revolutionen. Was 1961 mit der Erfindung der ersten planaren integrierten Schaltung begann, soll auch auf absehbare Zeit dem Trend der Verdopplung folgen, und sei es bei gedrosseltem Tempo.

Wichtige Entwicklungsstufen

Zahlreiche beachtliche Neuerungen machten das exponentielle Wachstum der Transistorenanzahl in der noch kurzen Daseinsspanne der Mikroprozessoren möglich. Hier einige der wichtigsten Beiträge seit 1965:

Das jüngste Beispiel in dieser Folge technischer Revolutionen ist die Silicon-on-Insulator-, kurz SOI-Technologie. Einige Hersteller äußern sich immer noch skeptisch über das Potenzial von SOI, die Performance integrierter Schaltungen zu verbessern oder deren Leistungsaufnahme zu verringern. Daher soll hier als anschauliches Beispiel dafür, wie Fortschritte in der Halbleitertechnologie vonstatten gehen, eine einst ebenfalls stark angezweifelte Technologie dienen, die heute Standard ist: die Kupfertechnologie.

Die Debatte um Kupfer-Interconnects

1997 leistete IBM Pionierarbeit, als seine Entwickler Kupfer statt Aluminium als Material für die elektrischen Leitungen zwischen den Transistoren eines Halbleiters (Interconnects) einsetzten. Danach tauchten Kupferverdrahtungen erstmals wieder gegen Ende des Jahres 1998 in verschiedenen IBM-Prozessoren auf.

Auch AMD setzte früh auf Kupfer: Eine strategische Partnerschaft zwischen AMD und Motorola aus dem Jahr 1998 führte zur Entwicklung neuer Verfahrenstechnologien, darunter auch Kupfer-Interconnects. Damit wurde AMD zum ersten Unternehmen, das die Kupfertechnologie zur Massenproduktion von PC-Prozessoren nutzte.

Im Juni 2000 produzierte AMDs Fab 30 in Dresden erstmals Prozessoren mit Kupfertechnologie. Sie erhielt im darauffolgenden Jahr von der "Semiconductor International" die Auszeichnung "Fab of the Year". Die Fab 30 wird Ende 2002, zweieinhalb Jahren nach ihrer Eröffnung, 50 Millionen Prozessoren ausgeliefert haben. Im Rückblick erscheinen die schwierigen Entscheidungen, die zu dieser beachtlichen Erfolgsgeschichte führten, allerdings einfacher, als sie es zu jenem Zeitpunkt waren.

Aus heutiger Sicht ist es ganz unbestritten, dass die Kupfertechnologie einen revolutionären Schritt auf dem Weg zu immer schnelleren Schaltungen darstellt. Fünf Jahre nach der Ankündigung und drei Jahre nach der ersten Produktion von Kupfer-Interconnects glaubt man kaum mehr, dass sich die Industrie zunächst hartnäckig weigerte, von Aluminium auf Kupfer umzustellen. Nicht überzeugt vom technischen Vorteil des Kupfers und unsicher über die wirtschaftlichen Risiken, erschien der Prozessor-Industrie die Einführung der Kupfertechnologie keineswegs erfolgversprechend.

Erstes Athlon-Design mit Kupfer

1997 wurde bei AMD gerade das entwickelt, was später der Athlon-Prozessor in 250-nm-Aluminumtechnologie werden sollte. AMD plante, den Chip in seiner Fab 25 in Austin, Texas, herzustellen. Erste AMD-Analysen hatten für Kupfer im Vergleich zu Aluminium einen relativ vernachlässigbaren Performance-Gewinn ergeben. Als AMD jedoch immer kleinere Transistoren und Dies - mit Strukturgrößen von 250 nm bis 180 nm und kleiner - aufkommen sah, war Kupfer gegenüber Aluminium klar im Vorteil.

Vor die Frage gestellt, wie die neue Fab 30 in Dresden auszurüsten war, entschied AMD sich für die Kupferproduktion und begann mit einer 180-nm-Technologie. Jetzt, da die Industriestandards auf 130 nm und kleiner sinken, sind die Performance-Gewinne durch Kupfer offensichtlich: AMD hat verglichen mit dem ersten Athlon-Prozessor die Taktfrequenz mehr als verdreifacht, und dieses Ergebnis ist nicht zuletzt den Kupfer-Interconnects zuzuschreiben. Inzwischen fertigt ein Großteil der Industrie ihre 130-nm-Chips mit Kupferverdrahtungen.

Wer bei SOI zögert, schadet allen

Heute steht die Prozessor-Industrie bei der Silicon-on-Insulator-Technologie genau dort, wo sie in den später neunziger Jahren mit Kupfer gestanden hat. Viele Mikrochip-Hersteller haben nach dem Motto "abwarten und Tee trinken" der SOI-Technologie gegenüber eine skeptische Haltung kultiviert. Ihnen fehlt die letzte Gewissheit über die technischen Vorteile, zudem sind sie in diesen ökonomisch turbulenten Zeiten jedem kapitalintensiven Risiko abgeneigt. Wenn diese Haltung auch weiterhin anhält, wird sich das jedoch zum Schaden der gesamten Industrie auswirken. Betroffen sind davon insbesondere Anwendungen, die von der niedrigen Leistungsaufnahme und der hohen Performance der Bausteine in SOI-Technologie profitieren würden.

Um den exponentiell ansteigenden Anforderungen nach noch stärkeren und schnelleren Transistoren Rechnung zu tragen, müssen Entwickler von Prozessoren die technologischen, physikalischen und Design-Grenzen immer weiter ausreizen. Die SOI-Technologie kann ihnen den dafür nötigen Spielraum zumindest für die nächsten drei bis vier Jahre bieten.

Alle Unternehmen, die auf SOI setzen, machen die Erfahrung, dass bei SOI-basierten Chips die mögliche Taktfrequenz um 20 bis 35 Prozent steigt. Alternativ senkt SOI die Leistungsaufnahme bei gleicher Taktfrequenz um das Zwei- bis Dreifache verglichen mit Prozessoren auf Bulk-Silizium. In Relation zur bisherigen Steigerungsrate bedeutet dies, dass der Einsatz von SOI-Technologie ungefähr einem Zwei-Jahres-Fortschritt in der CMOS-Technologie gleichzusetzen ist.

SOI und der Hammer

Bei der Entwicklung von AMDs Hammer-Technologie - AMDs x86-basierter 64-Bit-CPU - ermöglicht die SOI-Technologie eine signifikante Steigerungen der Anzahl an Transistoren auf dem Die. So kann beispielsweise ein AMD-Desktop-Prozessor, der 70 Watt aufnimmt, bei einer Fertigung auf Bulk-Silizium etwa 40 Millionen Transistoren enthalten. AMDs 64-Bit-Desktop-Prozessor der Hammer-Serie wird aber mit ungefähr 100 Millionen Transistoren arbeiten - bei denselben 70 Watt Leistungsaufnahme.

AMD erreicht diesen signifikanten Fortschritt, weil die SOI-Technologie im Vergleich zu Bulk-Silizium die Kapazitäten von Source und Drain der Transistoren sowie die parasitären Kapazitäten der unteren Verdrahtungsebene um 20 bis 25 Prozent reduziert. Dadurch kann die Betriebsspannung verringert werden. Diese Technologie hat deshalb eindeutig ihren Platz dort, wo es darum geht, für die ICs von morgen die Performance zu steigern und die Leistungsaufnahme zu verringern.

Herausforderungen und Chancen von SOI

Es ist offensichtlich, wie wichtig die mit Hilfe der SOI-Technologie erreichte Energieeinsparung ist für mobile, drahtlose und andere Ultra-Low-Power-Anwendungen. Die Möglichkeit, ohne jede Einbuße an Performance die Leistungsaufnahme um fast die Hälfte zu verringern, ist ein entscheidender Faktor für alle weiteren Fortschritte bei tragbaren Computern.

Da Wissenschaftler und Ingenieure mit allen Spielarten der Siliziumtechnologien experimentieren, ist es nicht schwer, weitere Verbesserungen für den SOI-Prozess vorauszusagen. Vielleicht werden wir einmal SOI-Prozessoren mit vollständig verarmtem Leitungskanal haben, aber auch die Kombination von SOI auf einem gezerrten Siliziumgitter (Strained Silicon) ist denkbar.

Letztendlich wird die Möglichkeit, die höhere Performance gegen reduzierten Stromverbrauch zu tauschen, einen völlig neuen Markt schaffen. Für jede Anwendung werden die Ingenieure dann einen jeweils auf die Anforderungen angepassten Prozessor entwickeln - leistungsstark oder stromsparend. (ala/Übersetzt von Britta Mümmler)