Einsatzmöglichkeiten, Datenschutz, Standards

So verändert das Internet der Dinge die Welt

27.02.2014
"Das Internet der Dinge wird die Welt verändern", sind viele Forscher und Firmen überzeugt. Doch viele Menschen wissen gar nicht, was mit diesem Schlagwort gemeint ist.

Das Auto, das allein die Spur halten kann, der Ofen, der die Lebensmittel ganz von selbst richtig backt oder die Zahnbürste, die weiß, ob ihr Nutzer korrekt die Zähne putzt: Möglich machen soll dies das Internet der Dinge. Nicht mehr nur Computer und Smartphones sind ans weltweite Datennetz angeschlossen, sondern alle möglichen Geräte - von der Kaffeemaschine bis zum Garagentor. Die Einsatzmöglichkeiten scheinen nahezu unbegrenzt. Firmen wie Bosch oder Intel haben dies erkannt und gründen eigene Unternehmenszweige für den neuen Markt. Der Halbleiter-Riese will sich gar an die Spitze setzen. "Wir wollen alle Geräte smart machen", gab Intel-Chef Brian Krzanich kürzlich die Devise aus.

"Jede Sensation, die über Nacht kommt, wurde 20 Jahre lang vorbereitet. So ist es auch mit dem Internet der Dinge", sagte Intel-Vizepräsident und Chef der gleichnamigen Sparte, Doug Davis, auf der Nürnberger Messe Embedded World. "Das Internet der Dinge verändert, wie Firmen arbeiten und wie wir leben." Es wird eine riesige Bewegung: Bis zum Jahr 2020 werde es mehr als 50 Milliarden vernetzte Geräte weltweit geben, schätzt der weltgrößte Netzwerk-Ausrüster Ericsson.

Internet der Dinge und M2M in Gartners Hype Cycle -
Internet der Dinge und M2M
Industrie 4.0, M2M und das Internet der Dinge sind unterschiedliche Themen mit gleichem Hintergrund: Bessere Vernetzung, zunehmende Miniaturisierung und fallende Hardwarekosten bereiten den Boden für sich selbst verwaltende Systeme.
Internet der Dinge und M2M in Gartners Hype Cycle:
Während die Umsetzung des „Internet der Dinge“ nach Gartner-Einschätzung noch weit entfernt erscheint, könnte die M2M-Kommunikation in fünf bis zehn Jahren zum praktischen Einsatz kommen. Erste Projekte gibt es heute bereits, wie in Blick auf Beispielen aus verschiedenen Branchen zeigt.
Call a Bike:
Wer ein Fahrrad der Deutschen Bahn am Wegesrand sieht und es ausleihen möchte, wählt die darauf angegebene Nummer und bekommt eine Öffnungsnummer mitgeteilt. Schon kann man losradeln, einmalige Anmeldung vorausgesetzt.
John Deere:
In seine Mähdrescher packt der Landmaschinenhersteller die Rechen-Power von acht PCs. Via GPS lassen sich Geräte spurgenau steuern. Eine Vielzahl von Sensoren sollen drohende Probleme frühzeitig melden, damit die Maschinen nicht während der Erntezeit ausfallen.
GAP:
Die Modekette GAP begrüßt in einigen Warenhäusern auf Bildschirmen im Ein- und Ausgangsbereichen Kunden mit persönlichen Nachrichten. Erkennungsmerkmal ist das mitgeführte Smartphone.
Telemedizin:
Vitalparameter werden mittels Körperscanner gemessen und dem behandelnden Arzt übermittelt. So können beispielsweise Krankenhauszeiten verkürzt werden.
DriveNow:
BMW hat das Geschäftsmodell Autoverkauf und die Autovermietung erweitert. In einigen deutschen Städten gibt es BMW-Fahrzeugflotten die registrierte Nutzer über Smartphone-App orten, reservieren und mieten können.
Smart Energy:
Das intelligente Energie-Management beschränkt sich nicht auf die Energiemessung, sondern steuert den Energieverbrauch je nach Angebot.

Beispiele seien etwa ein Hersteller für Autobatterien, der über das Internets jede einzelne Batterie verfolgen könne. "Die haben all diese Informationen in ihrem Datenzentrum und wissen immer, wo jede Batterie ist, wie alt sie ist und wie viel Energie sie noch hat." Oder ein Logistik-Unternehmen, das seinen Lastwagenfahrern mit Hilfe der Technik zeigen könne, wie sie noch effizienter fahren.

"Und auch für Konsumenten gibt es viele faszinierende Möglichkeiten - etwa eine App auf dem Smartphone, mit der man vom Arbeitsplatz aus prüfen kann, ob man zu Hause die Garagentür zugemacht hat", sagt Davis. Oder der Ofen, der anhand eines Strichcodes auf der Kuchenverpackung erkennt, wie die Süßspeise perfekt zubereitet wird. "Ich nehme den Kuchen aus der Gefriertruhe und stelle ihn nur rein - und der Backofen taut ihn auf, stellt dann die perfekte Temperatur für die Füllung ein und am Ende bräunt er die Kruste."

Intel will hier an allen Stellen der Kette präsent sein: Mit Chips und Prozessoren etwa für Smartphones und andere Kleingeräte, aber auch an den Schnittstellen, der Netz-Infrastruktur und auch bei den Servern. Die neueste Entwicklung: Der Mikro-Computer "Edison", der so groß wie eine SD-Speicherkarte ist. Junge Unternehmen und Forscher sollen damit in kürzester Zeit ihre Ideen für vernetzte Technik umsetzen können. Der Kleinst-Computer soll im Lauf des Jahres auf den Markt kommen, zu den Kosten äußert sich Intel noch nicht. Ein Anwendungsbeispiel ist eine Art Baby-Strampelanzug, der Schlaf, Herzrate und Atemfrequenz überwacht und den Eltern über eine vernetzte Kaffeetasse übermittelt.

Diese ganzen neuen Möglichkeiten könnten dem einen oder anderen schon Angst machen, gibt Davis zu. "Ich glaube nicht, dass sich die Welt dadurch dramatisch ändern wird. Aber das Internet der Dinge kann die Gegenstände, mit denen wir jeden Tag umgehen, nützlicher, effizienter und sicherer machen."

Eines der Hauptprobleme beim Internet der Dinge ist jedoch die Datensicherheit. Erst kürzlich hatte das Sicherheitsunternehmen Proofpoint darauf hingewiesen, dass Hacker mit Hilfe vernetzter Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik wie Smart-TV und Kühlschrank ein sogenanntes Botnetz errichtet haben, aus dem Hunderttausende von Spam-E-Mails verschickt wurden. "Das Thema Sicherheit ist fundamental für alles, worüber wir hier reden", sagt Davis. "Die Geräte müssen sicher sein, die Daten, die sie erzeugen, müssen geschützt sein und auch deren Auswertung muss privat bleiben, wenn man das will."

Wer haftet beim "Internet der Dinge“ -
Industrie 4.0 - auch eine Frage des Rechts
Wenn Maschinen die Fäden in die Hand nehmen und Entscheidungen für Menschen treffen, stellt sich automatisch die Frage nach dem juristischen Hintergrund. Hier ist noch vieles offen. Folgende Aspekte sollten Sie im Blick behalten.
1. Wer handelt im Internet der Dinge?
In unserer Rechtsordnung, ob im Zivilrecht, öffentlichen Recht oder Strafrecht, sind Handelnde und Zuordnungsträger von Rechten und Pflichten immer Menschen oder juristische Personen. Daran ändern auch M2M und IoT grundsätzlich nichts.
2. Vertragsabschluss durch Softwareagenten?
Was ist, wenn die Initiative zum Abschluss einer Online-Transaktion vollautomatisiert abläuft, also eine Maschine selbst den Bestellvorgang als Nutzer auslöst? Hier stellt sich die Frage, wie sich die Verantwortung für den konkreten Rechtsakt (die automatisierte Willenserklärung und der beidseitig rein elektronische, voll automatisierte Vertragsabschluss) zuordnen lässt. Er beruht ja ausschließlich auf einem zeitlich weit vorausgelagerten, abstrakten Programmiervorgang, einem Rechtssubjekt.
3. Unternehmensübergreifende M2M-Systeme brauchen Regeln
Werden komplexe M2M-Systeme unternehmensübergreifend aufgesetzt, kommt es nicht nur auf die technische Standardisierung, sondern auch auf die vereinbarten Nutzungsregeln an. Wie dürfen die Teilnehmer mit den Nutzungsergebnissen umgehen, und wie verhält es sich mit regulatorischer Compliance und Rechten Dritter, die der M2M-Nutzung entgegenstehen könnten (etwa Datenschutz, branchenspezifische Regulierung, Verletzung von Softwarepatenten oder sonstiger Rechte Dritter)?
4. Offene Fragen zu Logistik, Mobilität und Smart Home
Weitgehend ungeklärte Fragen lassen sich an M2M- und IoT-Beispielen zeigen:<br>Doch wem gehören die Daten?<br>Wie steht es um die Produkthaftung - wer ist Hersteller, und welche Regressketten bauen sich auf? <br>Wer haftet für Konnektivitätsausfälle?
5. Wer haftet in vernetzten Wertschöpfungsketten?
Wenn M2M der Schlüssel für vernetzte Wertschöpfungsprozesse ist, rückt automatisch auch die Frage der Haftung für mögliche Fehler und Ausfälle in den Vordergrund. Man wird zwischen der Haftung für fehlerhafte Datenquellen und Datenerzeugung einerseits und Fehlern in der Datenübermittlung andererseits unterscheiden müssen.
6. Unternehmen müssen Datenschutz im Blick behalten
Der Datenschutz ist über den weiten Begriff personenbezogener Daten, zu denen auch dynamische IP-Adressen gehören können, und die Möglichkeiten komplexer Datenauslese (Big Data) etwa in den Bereichen Mobilität, Energie und Smart Homes grundsätzlich immer im Blick zu halten. Es gilt sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls mit den Behörden abzustimmen, ob und wie er sich mit "informierter Einwilligung", Inter-essenabwägung und Auftragsdatenverarbeitung wahren lässt.

Daher werde am besten schon in die Prozessoren und Chips ein Antivirenprogramm eingebaut. "Es ist immens wichtig, in diese Technik zu investieren." Aus diesem Grund habe Intel vor drei Jahren auch den Hersteller von Antivirensoftware McAfee übernommen.

Datenschützer bleiben skeptisch. "Wir haben bei dem Thema durchaus sicherheitsrechtliche Bedenken", sagt Miriam Meder vom bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht. Zugunsten der Nutzerfreundlichkeit werde die Datensicherheit bei vielen Geräten wahrscheinlich eher hintenan stehen. Wenn sich die Zahl der Dienstleister erhöhe, steige auch die Missbrauchsgefahr. "Transparenz ist uns dabei sehr wichtig. Die Nutzer müssen erfahren, was mit ihren Daten passiert, wie sie verknüpft werden, wer Zugriff darauf hat und wo sie gespeichert werden."

Eine weitere Schwierigkeit sind neben den enormen Datenmengen auch bisher noch fehlende einheitliche Standards für den Datenaustausch zwischen verschiedenen Geräten. "Um gemeinsame Standards zu entwickeln, müssen wir mit anderen Unternehmen in dieser Branche zusammenarbeiten", sagt Davis. (dpa/hal)