Praxistipps zu SDN

So rüsten Sie sich für die SDN-Einführung

22.01.2014 von Bernd  Reder
Die amerikanische IT-Consulting-Firma The First Tracks hat für Unternehmen und Organisationen, die Software Defined Networking einführen, eine Reihe von Tipps erarbeitet.

Die Consultants von The First Tracks kommen nach der Analyse der SDN-Technik zu folgenden fünf grundlegenden Erwägungen:

1. Die Konsistenz der Netzwerksoftware prüfen

Selbst in Netzen, die ausschließlich auf Produkten eines Herstellers, etwa Switches und Routern von Cisco, Juniper oder Brocade, basieren, sind oft Dutzende unterschiedlicher Softwareversionen zu finden, etwa von Ciscos Systemsoftware IOS. Solange das Netz funktioniert, sind Lässigkeiten akzeptabel. In SDN-Infrastrukturen muss dagegen penibel darauf geachtet werden, dass ein solcher Wildwuchs nicht stattfindet. Dies erfordert in vielen Unternehmen eine Umstellung der Praktiken in den Bereichen Support und Systemwartung.

2. Analyse von Netzwerkhardware und IT-Services

Vor der Implementierung einer SDN-(Test-)Infrastruktur muss klar sein, dass die Netzwerkkomponenten in der entsprechenden Niederlassung beziehungsweise dem avisierten Netzwerksegment SDN unterstützen, insbesondere das OpenFlow-Protokoll oder Alternativen.

Bildergalerie: SDN
Die SDN-Strategien führender Hersteller
Software Defined Networking (SDN) ist als heißes Thema für 2013 gesetzt. Nachdem wir in der vorigen COMPUTERWOCHE die Grundlagen beleuchtet haben, nehmen wir nun die Strategien führender Hersteller unter die Lupe.
Arista Networks
Die amerikanische Firma, die Ex-Sun-Chef Andreas von Bechtolsheim mitbegründet hat, setzt auf eine eigene SDN-Lösung auf Basis der Systemsoftware "EOS" und der Hochleistungs-Switches der Reihen "7050" und "7150". Die Switches arbeiten mit SDN-Controllern der Arista-Partnerfirmen VMware, Nebula und Big Switch zusammen. Die SDN-Strategie von Arista zielt derzeit vornehmlich auf Cloud-Computing-Umgebungen ab.
Big Switch Networks
Die amerikanische Firma hat eine eigene Version eines OpenFlow-Controllers entwickelt, der auf FloodLight basiert. Das Unternehmen arbeitet mittlerweile mit Netzwerkfirmen wie A10 Networks, Arista, Extreme Networks, Broadcom und Citrix zusammen. Im November stellte Big Switch drei SDN-Produkte vor: den "Big Network Controller" (BNC), "Big Tap", eine Network-Monitoring-Lösung, und den "Big Virtual Switch" (BVS). Big Tap und der BVS sind Beispiele für Anwendungen, die in einer SDN-Infrastruktur eingesetzt werden können.
Brocade
Das Unternehmen unterstützt bereits seit 2010 Software Defined Networking. Einen Schwerpunkt bilden die "NetIron"-Switches für den WAN- und Service-Provider-Markt. Im November 2012 übernahm Brocade zudem die Firma Vyatta. Sie hat einen Virtual Router entwickelt, der vorzugsweise zur Kopplung von virtualisierten oder physischen Netzdomänen eingesetzt wird, speziell in Cloud-Computing-Umgebungen.
Citrix
In diesem Jahr soll die nächste Generation des Application Delivery Controller (ADC) der Reihe "Netscaler SDX" verfügbar sein. Sie wird nach Angaben des Herstellers für SDN optimiert sein. Im Unterschied zu vielen anderen SDN-Spezialisten, die sich auf Layer 2 und 3 konzentrieren, favorisiert Citrix eine SDN-Lösung, mit der sich Layer 4 bis 7 steuern lassen. Als Partner hat Citrix Unternehmen wie Palo Alto, RSA, Trend Micro und Aruba Networks gewonnen.
Dell / Force10
Durch den Kauf von Force10 hat sich Dell einen Hersteller von Hochleistungs-Switches ins Haus geholt. Für Arpit Joshipura, ehemals bei Force10 und nun Chef von Dells Netzsparte, wird SDN allerdings erst in etwa drei bis fünf Jahren eine Rolle im Netzbereich spielen. Aber natürlich hat auch Dell eine SDN-Strategie: die "Virtual Network Architecture" (VNA) ist ein Framework, mit dem sich Netzdienste in Rechenzentren, dem Firmengelände und in Außenstellen virtualisieren, automatisieren und verwalten lassen.
Enterasys
Die Company setzt auf das hauseigene "OneFabric Control Center", das nicht auf neuen Protokollen wie OpenFlow basiert, sondern auf bereits etablierten Ansätzen wie VLANs und VRF/MPLS. Allerdings hält sich der Hersteller die Türe zu OpenFlow und vergleichbaren Spezifikationen offen.
Extreme Networks
Das Kernstück der SDN-Strategie des Switch-Herstellers ist das System "Diamond X8" mit der Systemsoftware XOS. Ähnlich wie Arista kooperiert Extreme mit Big Switch. Der Diamond X8 unterstützt Big Switch Network Tap und den Big Virtual Network Switch. Zudem arbeiten die Switches von Extreme Networks mit den SDN-Controllern von NEC zusammen.
IBM
Das Unternehmen will ebenso wie HP eine umfassende SDN-Produktlinie auf den Markt bringen. Ein erster Schritt ist der "Programmable Network Controller" auf Basis von OpenFlow, der für bis zu 300.000 Flows ausgelegt ist. Hinzu kommen Rack-Switches wie der "G8264". Was allerdings noch fehlt, ist ein Core-Switch mit OpenFlow-Unterstützung. Offen ist, ob IBM selbst ein solches System entwickelt oder als OEM-Produkt von einem andere Hersteller bezieht.
Juniper Networks
Im Juni 2012 veröffentlichte das Unternehmen seine SDN-Strategie. Die Schwerpunkte des Anbieters liegen auf Systemen für das Rechenzentrum und "Northbound"-APIs (Anwendungsschnittstellen). Das Software Development Kit (SDK) für Junipers Systemsoftware JunOS enthält zudem einen OpenFlow-Client. Im Lauf des Jahres will Juniper mit den Switches der "EX"-Reihe und den Routern der "MX"-Serie OpenFlow 1.3 unterstützen.
NEC
Das Unternehmen hat unter der Bezeichnung "NEC ProgrammableFlow" ebenso wie HP mehrere SDN-Produkte im Programm, etwa einen SDN-Controller sowie die Switches "PF 5240" und "5820", die für OpenFlow ausgelegt sind. Dazu kommt eine Management-Konsole. Geplant sind Applikatio-nen, mit denen sich Netzwerke auf Basis von SDN verwalten lassen.
VMware
Der Spezialist für Virtualisierung hat sich durch den Kauf von Nicira im Juli 2012 verstärkt. VMware selbst sieht sich als Protagonist des "Software Defined Data Center". Daher ist zu erwarten, dass der Hersteller Niciras SDN-Technologie nutzt, um in vCenter ein Management-Framework für virtualisierte und physische Netzsysteme zu integrieren.

3. Bestandsaufnahme von Netzwerkmanagement und -analyse:

Die IT-Abteilung muss prüfen, ob sie tatsächlich die relevanten Netzwerkkennwerte erfasst, etwa Antwortzeiten und Nutzung der Bandbreite. Zudem sollte ein Policy-basiertes Netzwerk- und Anwendungsmanagement etabliert sein. Diese Faktoren spielen in einer SDN-Infrastruktur eine zentrale Rolle. Der Grund: Der Fokus verschiebt sich vom Betrieb des Netzes hin zur Bereitstellung von Anwendungen mit höchst unterschiedlichen Anforderungen an dieses Netz. Netzwerkmanager müssen daher exakt wissen, welche Anforderungen in Bezug auf die Quality of Service eine Applikation hat, die über die SDN-Infrastruktur bereitgestellt werden soll.

4. Verknüpfung zwischen Netzwerk- und Computing-Umgebung berücksichtigen:

Eine Herausforderung im Zusammenhang mit SDN besteht darin, dass die Grenzen - und die organisatorischen Zuständigkeiten - zwischen Netzwerk auf der einen Seite und Servern und Anwendungen auf der anderen verschwimmen. Gefördert wird dies durch Technologien wie Netzwerk-, Storage-, Server- und Anwendungsvirtualisierung.

Ansätze wie NSX von Vmware/Nicira etablieren beispielsweise eine Abstraktionsebene zwischen Netzwerk- und Computing-Umgebung. Über diese Ebene lassen sich beide Bereiche steuern und IT-Services bereitstellen. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Netzwerk-, Storage-, Virtualisierungs- und Anwendungsfachleuten in der IT-Abteilung, zudem die Einbindung der Anwendungsentwickler.

Bildergalerie: SDN
SDN Directions
Entwicklungstrends im Rechenzentrum: Laut IDC zählt SDN neben 100-Gigabit-Ethernet zu den Technologien, die das Data Center in den kommenden Jahren maßgeblich prägen werden.
Grafik SDN-Markt
Laut einer Studie von Plexxi, Lightspeed Venture und SDNCentral werden 2018 vorzugsweise Service Provider und Betreiber von Cloud-Computing-Rechenzentren SDN-Produkte kaufen.
SDN Funktion ONF
SDN trennt die Control- und Forwarding-Ebene, die in einem Switch eine Einheit sind. Die Steuerung (Control) übernimmt ein externer Controller.
Ciscos SDN Ansatz
Cisco sieht sein Open Network Environment als Gegenentwurf zu Software Defined Networking.
SDN OpenDaylight
Das OpenDaylight Project, ein Konsortium von Netzwerkfirmen, will neben OpenFlow auch andere Protokolle auf dem Service Abstraction Layer (SAL) verwenden.
SDN Adaption
Nach Einschätzung von HP etabliert sich SDN in etwa zwei Jahren.
SDN NFV
Network Functions Virtualization (NFV) will ein Problem beseitigen, das vor allem in Netzen von Service-Providern und Carriern vorherrscht: Es sind viele Spezial-Appliances vorhanden. NFV forciert dagegen die Implementierung von Netzwerkfunktionen auf Standard-Hardware.

5. Beziehungen zu den Systemlieferanten prüfen

Derzeit gibt es nach Angaben von Marktforschungsfirmen wie IDC, Gartner und ESG mehr als 220 Anbieter von SDN-Komponenten oder entsprechenden Komplettlösungen. Das bedeutet für potenzielle SDN-Nutzer, dass sie prüfen müssen, ob ihre bislang bevorzugten Lieferanten adäquate SDN-Produkte anbieten und ob sie weiterhin auf diese Anbieter setzen wollen.

Anwender, die sich bislang auf nur einen Systemlieferanten verlassen haben, erhalten durch SDN die Möglichkeit, eine Multi-Vendor-Strategie umzusetzen und damit die Abhängigkeit von besagtem Anbieter zu verringern. Firmen, die bereits über mehrere Systemlieferanten verfügen, sollten kritisch prüfen, ob es Sinn ergibt, zusätzliche Anbieter zu berücksichtigen. (hal)