Es gibt einen formalen Weg, sich zum SAP-Berater ausbilden zu lassen: nämlich Zertifizierungen. Der SAP-Konzern und zahlreiche andere Institutionen bieten Trainingskurse an, wo Teilnehmer in bestimmten Modulen der SAP-Software geschult werden. Diese Schulungen sind standardisiert, nicht billig und zeitaufwendig. Trotzdem sind sie in der SAP-Welt nur von geringer Bedeutung.
Wer darauf setzt, nach der Zertifizierung einen der lukrativen SAP-Beraterjobs zu ergattern, kann enttäuscht werden, weil im Endeffekt nur die Praxis zählt. Der Grund dafür liegt im spezifischen Berufsbild des SAP-Beraters. Die Software von SAP mit ihren vielen unterschiedlichen Modulen für Branchen und Abteilungen hilft Unternehmen, ihre internen Abläufe genau zu steuern und in Echtzeit zu kontrollieren. Die Software ist deshalb entsprechend komplex. Die Aufgaben eines Beraters gehen aber weit über deren Bedienung hinaus und konzentrieren sich eigentlich mehr auf die Prozesse selbst.
Übersetzer zwischen IT-Welt und Fachabteilung
Ein Berater mit Spezialisierung auf Controlling muss beispielsweise neben der Beherrschung des Moduls SAP FICO (Finance/Controlling) in der Lage sein, sich mit den komplexen Kostenstrukturen von Großunternehmen auseinanderzusetzten. Er muss sie so durchdringen oder erklären können, dass die Erklärungen den Anforderungen eines Geschäftsführers oder Abteilungsleiters standhalten. Diese Klientel interessieren Fragen wie: Welchen Umsatz hat das Unternehmen pro Region erzielt? Mit welchen Produkten sind wir profitabel? Wo sind unerwartet hohe Kosten entstanden? Manager arbeiten nämlich meist auf die Verbesserung bestimmter Kennziffern hin - sogenannte Key Performance Indicator (KPI). Ein KPI gibt Aufschluss, ob die Zielsetzungen erreicht werden. Und solche KPI zu entwerfen und ihre Aggregation umzusetzen, gehört zu den typischen Tätigkeiten eines SAP-Beraters mit Spezialisierung auf FICO oder BI (Business Intelligence).
In den meisten Bereichen benötigen SAP-Consultants ein sehr gutes Verständnis für Unternehmensabläufe. Ihr Job ist es, zwischen den zwei Welten der IT und der Fachabteilung zu übersetzen, wie zum Beispiel der Personal- oder Buchhaltungsabteilung. Sie müssen Prozesse verstehen, diese grafisch dokumentieren und Ideen entwickeln, wie sie zu verbessern sind. Ein Prozess kann dabei ganz verschiedene Abläufe beschreiben: die Auslieferung eines Produkts, den Umgang mit einer Beschwerde, die Erstellung einer Rechnung oder die Bearbeitung eines Urlaubsantrags. Es ist also nicht die Anpassung der Software, das sogenannte Customizing, was am meisten Zeit kostet, sondern es sind fachliche Fragen der Unternehmensführung.
SAP-Projekte verändern Unternehmensorganisation
Im Zuge einer SAP-Einführung stellen Berater oft fest, dass sich die Vertreter des Unternehmens nicht einig sind und die gleichen Dinge in der Vergangenheit verschieden gehandhabt haben: Schaut erst Abteilung A auf ein Kundenschreiben oder erst Abteilung B? Wer kümmert sich um die Lieferung eines Produkts, das nicht mehr auf Lager ist? In diesen Fällen muss der SAP-Berater Entscheidungsvorlagen erarbeiten und diplomatisch agieren. Seine Aufgabe ist es, geschickt zu moderieren, Entscheidungen herbeizuführen und Lösungen konsequent durchzufechten und umzusetzen.
Das geschieht mitnichten allein vor dem Computerbildschirm, sondern in zahlreichen Besprechungen mit den Beteiligten. Fakt ist: Ein SAP-Projekt verändert ein Unternehmen organisatorisch. Bei einer SAP-Einführung geht es immer auch um Rationalisierung, weshalb nicht immer jeder Mitarbeiter mitzieht. Deshalb muss ein SAP-Spezialist seinen Ansprechpartnern auch erklären können, warum ein Ansatz gescheitert ist oder warum ein vom Kunden gewünschter Prozess unter Umständen keinen Sinn ergibt. Es braucht eine gut ausgeprägte Fähigkeit, mit der Komplexität der Materie umzugehen, und darüber hinaus eine hohe Kommunikationsfähigkeit, Parkettsicherheit und Konfliktbereitschaft. Ob ein Consultant über diese Merkmale verfügt, lässt sich über eine Zertifizierung nicht prüfen. Und deshalb zählt in der SAP-Welt nur die Berufserfahrung.
Der typische Ausbildungsweg eines SAP-Beraters beginnt in einem technischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang. In Fächern wie Betriebswirtschaftslehre, Informatik oder Wirtschaftsinformatik gibt es starke Berührungspunkte zum Thema SAP. Oft besitzen die Lehrinstitute dieser Fächer SAP-Testinstallationen auf eigenen Systemen, womit Studenten einen ersten Einblick in das Customizing erhalten können. In aller Regel konzentrieren sich Kurse auf ein Teilthema, zum Beispiel ein Programmierkurs in ABAP oder ein Kurs in den Grundbegriffen von SAP BI. Solche Seminare sind ein Anfang und können den Weg in ein Praktikum bei einer SAP-Beratungsfirma ebnen. Alternativ kann auch fundiertes Branchenwissen, zum Beispiel über Logistikabläufe, ohne vorherige Berührungspunkte zur SAP-Software zu einem Praktikumsplatz verhelfen.
Im Praktikum Teilprojekt verantworten
Praktika in der SAP-Welt sind in aller Regel bezahlt. Sie sollten mindestens drei bis sechs Monate dauern, damit den Praktikanten ein ausreichend tiefer Einblick in Projekte möglich ist und sie erste Aufgaben eigenverantwortlich übernehmen können. Von Vorteil sind hohes Engagement und die Bewährung in praktischen und systemnahen Aufgaben. Praktikanten sollten deshalb einfordern, während des Praktikums kleinere SAP-Teilprojekte in Abstimmung mit einem Mentor selbstständig zu betreuen.
Je mehr Praktika ein Student macht, desto leichter fällt der Einstieg in den SAP-Arbeitsmarkt. Die praktische Ausbildung kann darüber hinaus für die richtigen persönlichen Verbindungen sorgen. Und ein positives Praktikumszeugnis, das die für SAP-Berater nötigen Hard- und Soft Skills hervorhebt, zählt bei der Suche nach der ersten Stelle mehr als jede Zertifizierung.
Der nächste Schritt ist, sich gegen Ende des Studiums für den Direkteinstieg zu bewerben. Da sehr viele Unternehmen händeringend SAP-Nachwuchs suchen, sprechen sie Studenten im Zuge ihres Hochschul-Marketings an und präsentieren sich auf Jobmessen. Wer gute bis sehr gute Noten in einem der genannten Studiengänge und Praktika vorzuweisen hat, besitzt beste Karten.
Aus dem Koffer leben
Jeder, der sich für das Berufsbild des SAP-Beraters interessiert, muss ferner über Reisebereitschaft verfügen. Sie gehört zumindest am Anfang dazu. Gerade in den ersten fünf Jahren muss man damit rechnen, vier bis fünf Tage pro Woche unterwegs zu sein. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen ein Umzug fällig ist. Der beste Berufseinstieg läuft über eine renommierte SAP-Beratung. Für diese arbeitet man vor Ort in einem Unternehmen, das gerade SAP einführt. Später in der Karriere besteht die Möglichkeit, zu einem SAP-Anwenderunternehmen zu wechseln und dort das Customizing und die Pflege bestehender Systeme zu übernehmen, was normalerweise kaum noch Reisetätigkeit beinhaltet.
Auch eine Bewerbung bei der SAP AG selbst kann nicht schaden. SAP hat eine eigene Consulting-Sparte und geht damit oft die schwierigsten aller SAP-Projekte an. Die Tätigkeit dort gilt als die Königsreferenz in der Branche.
Erst Customizing, dann Planung und Prozesse
In den ersten Berufsjahren sollten angehende SAP-Berater darauf achten, sich in verschiedenen Bereichen weiterzuentwickeln. Nur so können sie sich für die nächsten Aufgaben qualifizieren. In der Branche gilt die Faustregel: Etwa die Hälfte der Zeit sollte für Implementierung und Customizing aufgewendet werden - also das Kernwissen eines jeden SAP-Beraters. Die andere Hälfte der Zeit sollte in die Konzeption gehen, also vor allem in die Planung und Besprechung von Prozessen. Letzteres ist der Punkt, an dem sich die besten Berater beweisen. Außerdem sollten Berufsanfänger Erfahrungen in allen Projektphasen sammeln, also Planung, Implementierung und Support, auch wenn das den Wechsel zwischen verschiedenen Projekten oder Kundenunternehmen bedeutet.
Unternehmensintern den Job wechseln
Seltener als der Direkteinstieg in die SAP-Beratung nach dem Studium ist der Wechsel von einer fachlichen Position, zum Beispiel in Controlling oder Logistik, in die unternehmensinterne SAP-Beratung. Sehr häufig geschehen solche Rollenwechsel im Rahmen einer SAP-Einführung. Dies lässt sich für den einzelnen SAP-Bewerber kaum planen, aber wer eine solche Chance für den Umstieg zum SAP-Berater für sich sieht, sollte die Chancen einer vom Unternehmen bezahlten Fortbildung klären.
Einen solchen Schritt unternehmensübergreifend aus der Fachabteilung von einem Unternehmen auf die SAP-Position in einem anderen zu gehen, ist dagegen risikoreich. Ein sicherer Job sollte nicht für eine Trainingsmaßnahme und Zertifizierung aufs Spiel gesetzt werden, es sei denn, man hat den Arbeitsvertrag für den SAP-Job danach schon in der Tasche.
Lücken im Lebenslauf sehen Personaler im Arbeitsmarkt für SAP-Berater sehr kritisch. Sechs Monate Übergangsphase, die ein SAP-Bewerber gut begründen kann, werden im Einzelfall noch toleriert. Aber wer trotz des eigentlich ja stark gefragten Profils als SAP-Berater ein Jahr aussetzt, gilt schon als schwer vermittelbar. Die Chancen auf einen anspruchsvollen und gut bezahlten SAP-Job schwinden dann.
Doch auch für Direkteinsteiger gilt: Der Job ist nicht von ungefähr so gut bezahlt. Es klappt nicht bei jedem, in der Branche Fuß zu fassen. Nicht wenige stellen nach einigen Jahren fest, dass sie der dauerhaft hohen Belastung oder Reisetätigkeit nicht gewachsen sind.
Bis zu 90.000 Euro Jahresgehalt nach fünf Jahren
Wer allerdings drei bis fünf Jahre Erfolge im Job nachweisen kann, erzielt oft schon einen Jahresverdienst von 60.000 bis 90.000 Euro und hat auch Jahre später kaum noch Probleme bei der weiteren Jobsuche. SAP-Berater mit dieser Qualifikation können in Zusammenarbeit mit einem auf SAP spezialisierten Personalberater fast immer unter mehreren attraktiven Angeboten auswählen und ihre Karriere Schritt für Schritt ausbauen.
Fazit
Es gibt also mehrere Wege, um den spannenden und lukrativen Job eines SAP-Beraters zu ergreifen. Wer sich schon früh dafür interessiert, sollte idealerweise ein Wirtschafts- oder Informatikstudium absolvieren und studienbegleitend Praktika im Zuge von SAP-Projekten machen. Darüber hinaus ist der Besuch von Seminaren mit SAP-Themen sowie der Versuch ratsam, in einem renommierten SAP-Beratungshaus unterzukommen.
Selten ist für den Erfolg allein das IT-Know-how entscheidend. Und auch ein gutes Verständnis von Abläufen in Unternehmen reicht allein nicht aus. Entscheidend sind am Ende Soft Skills wie Durchhaltevermögen, Verhandlungsgeschick und Koordinationsfähigkeit. Nur SAP-Berater mit diesen Fähigkeiten erzielen in SAP-Anwenderunternehmen die gewünschten Rationalisierungseffekte.
Es gibt tatsächlich Menschen mit dem Titel SAP-Berater auf ihrer selbstgedruckten Visitenkarte, die sich davon wenig kaufen können. Anerkannt in der Branche ist, ist wer wenigstens zwei Jahre in einem renommierten Unternehmen als SAP-Berater gearbeitet hat. Auch wenn es paradox erscheint: Man wird SAP-Berater, indem man einer ist. (pg)