Satya Nadella vs. Steve Ballmer

So gut ist Satya Nadella als Microsoft-CEO

05.03.2015 von Martin Bayer
In seinem ersten Jahr als CEO von Microsoft hat Satya Nadella vieles richtig gemacht. Den einen oder anderen Lapsus verzieh man dem jungenhaft wirkenden Inder schnell. Doch jetzt sind die Weichen gestellt, und der Manager muss beweisen, ob es ihm gelingt, den Konzern sicher durch einen sich rasant wandelnden Markt zu steuern. Gemessen wird er an seinen Vorgängern Steve Ballmer und Bill Gates.

Es war keine einfache Ausgangssituation für Microsoft vor gut einem Jahr. Das weltweite PC-Geschäft steckte in einer tiefen Krise. Quartal für Quartal waren die Absatzzahlen immer wieder eingebrochen, teilweise sogar im zweistelligen Prozentbereich. Damit erodierte auch die Basis für die beiden wichtigsten Umsatzträger des weltgrößten Softwarekonzerns vor sich hin: Windows und Office. Hinzu kam, dass Microsoft mit seinem starken Fokus auf das PC-Geschäft den Anschluss in boomenden Märkten wie beispielsweise dem Smartphone- und Tablet-Business schlichtweg verpasst hatte. Versuche, mit Windows Phone nachträglich einen Fuß in die Tür zu bekommen, misslangen.

Den Ton im rasant wachsenden Geschäft mit mobilen Devices gaben andere Hersteller an: Apple mit seinen iPhones, iPads und der eigenen iOS-Plattform sowie Google mit seinem Android-System und einer ganzen Reihe von Herstellern wie Samsung, HTC und LG, die auf der Mobile-OS-Plattform des Suchmaschinenspezialisten aufbauen.

Zu den tiefgreifenden Veränderungen im Geschäft mit mobilen Endgeräten kamen weitere Verschiebungen in den weltweiten IT-Märkten, die dem Softwarehersteller aus Redmond zu schaffen machten. Die Anwender begannen, IT-Infrastruktur, Plattformen und Softwarelösungen aus dem Internet zu nutzen und im Abonnement zu bezahlen. Die aufkommenden Cloud-Dienste stellten das Geschäft aller großen und kleinen Softwarehersteller, die bis dato ihr Geld im klassischen Lizenz- und Wartungsgeschäft vedient hatten, auf eine völlig neue Basis.

Ballmer stand für das alte Microsoft

Alle Zeichen im Markt standen also auf Veränderung. Es war durchaus nicht so, dass die Verantwortlichen in der Microsoft-Zentrale die Zeichen der Zeit nicht erkannt hätten. Nadellas Vorgänger Steve Ballmer hatte 2012 das Motto "Devices and Services" ausgegeben. Mit dem 7,2 Milliarden Dollar teuren Kauf von Nokias Endgerätesparte, den Ballmer eingefädelt hatte und der unter seinem Nachfolger im April 2014 abgeschlossen wurde, sollte das eigene Device-Geschäft angekurbelt und ein Gegengewicht zu Apple, Samsung und Co. geschaffen werden. Mitte 2013 verkündete Ballmer zudem eine neue organisatorische Aufstellung der verschiedenen Geschäftsbereiche. Doch der Neuanfang wollte nicht so recht in Schwung kommen.

Die fehlende Dynamik lag sicher auch an der Person Ballmers, der weiter das "alte Microsoft" verkörperte. Die Stimmen wurden immer lauter, die auch personell an der Spitze des Konzerns einen Neuanfang forderten. Und dann ging es vergleichsweise zügig für einen Softwarekonzern, der in seiner bis dato 38 Jahre zählenden Firmengeschichte lediglich zwei CEOs auf seinem Chefsessel gesehen hatte: Gründer Bill Gates und seit Anfang 2000 Steve Ballmer. Dieser erklärte im August 2013 seinen Rückzug. Anfang Februar 2014 wurde Satya Nadella zu seinem Nachfolger gekürt und als dritter CEO von Microsoft inthronisiert.

Steckbrief von Satya Nadella

Satya Nadella wurde 1967 im indischen Hyderabad geboren. Nachdem er 1988 seinen Abschluss als Elektroingenieur am Manipal Institute of Technology gemacht hatte, ging Nadella in die USA, um Computerwissenschaften zu studieren - an der University of Wisconsin in Milwaukee und der University of Chicago Booth School of Business. Bevor er 1992 bei Microsoft anheuerte, arbeitete Nadella kurze Zeit bei Sun Microsystems. Bei Microsoft bekleidete er verschiedene Management-Positionen, unter anderem die des Senior Vice President of Research and Development in der Online-Division (2007 bis 2011) und des President der Server and Tools Division von 2011 bis 2014. Am 4. Februar 2014 übernahm Nadella den CEO-Posten bei Microsoft.

In seinem ersten Jahr auf dem Chefsessel bei Microsoft hat Nadella mit einem Gesamtsalär von über 84 Millionen Dollar sehr gut verdient. Seine Entlohnung setzte sich aus einem Grundgehalt von 920.000 Dollar, einem Bonus von 3,6 Millionen Dollar sowie Aktien im aktuellen Wert von fast 80 Millionen Dollar zusammen. Letztere kann der Manager allerdings erst im Jahr 2019 versilbern. Der Verwaltungsrat sprach Nadella seinen vollen Bonus zu, nachdem sich Vorgänger Ballmer zuletzt mit einer Teilauszahlung bescheiden musste, weil er die Geschäftsziele nicht erreicht hatte.

Nadella lebt in Bellevue im US-Bundesstaat Washington und ist mit Anupama Nadella verheiratet, der Tochter eines Kollegen seines Vaters in der indischen Verwaltung. Das Ehepaar hat drei Kinder.

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Das neue Mantra: Mobile first, Cloud first

Die Erwartungshaltung an den neuen Microsoft-Chef war von Anfang an klar. Es ging für den gebürtigen Inder um nicht mehr und nicht weniger, als den größten Softwarehersteller der Welt neu zu erfinden und in ein neues Computing-Zeitalter zu führen, das in erster Linie durch die Paradigmen Mobile und Cloud bestimmt ist. "Man erneuert sich jeden Tag selbst", sagte der langjährige Microsoft-Manager auf einer Konferenz in Paris rund einen Monat, bevor er seinen neuen Spitzenposten antrat. Wenn es nur noch darum gehe, die eigene Größe nach oben zu skalieren, und man aufhöre, Innovationen voranzutreiben, dann bedeute dies den Tod.

"Wir hatten große Erfolge mit Windows und Office", konstatierte Nadella. "Jetzt aber geht es darum, was wir als Nächstes tun." Vielleicht waren es auch Aussagen dieser Art, die im Aufsichtsrat gut ankamen und dem Manager schließlich den Weg ins Redmonder Chefbüro ebneten.

Dort angekommen, ließ Nadella keine Zeit verstreichen und setzte gleich eigene Akzente. Von der Strategie seines Vorgängers distanzierte sich der frischgebackene CEO umgehend. Der Ansatz mit Devices and Services sei zwar hilfreich gewesen, eine Transformation grundsätzlich einmal anzustoßen. Jetzt gehe es jedoch vor allem darum, eine eigene neue Strategie für die Zukunft herauszuarbeiten und zu schärfen, machte Nadella klar. Sein neues Mantra: "Mobile first, Cloud first."

Als zentrales Element seiner Strategie postulierte Nadella gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine neue Offenheit, die sich wie ein roter Faden durch seine ersten Monate als CEO zog. Bereits wenige Wochen nach seinem Antritt stellte der Microsoft-Chef die seit Langem erwartete "Office Suite for iPad" vor. Nur wenige Wochen später öffnete Microsoft seine Entwicklungsplattform "Visual Studio" für Apples iOS und Googles Android. Mit Visual Studio können Entwickler von jetzt an auch Apps programmieren, die sowohl auf Googles Android oder Apples Betriebssystem iOS als auch auf Microsofts Windows und Windows Phone laufen, hieß es Anfang Mai auf der Technologiekonferenz TechEd in Houston, Texas.

Im vergangenen Herbst erleichterte der Konzern Entwicklern das Andocken an Office 365. Auf der TechEd in Barcelona wurden im Herbst neue Programmierschnittstellen (APIs) sowie Software-Development-Kits (SDKs) für iOS, Android und Windows vorgestellt, mit deren Hilfe sich die Plattformen enger miteinander verzahnen lassen. Beispielsweise könnte eine Reise-App automatisch Kalendereinträge in Outlook anlegen. Anfang November vergangenen Jahres folgte die überraschende Ankündigung, dass Microsoft und der Online-Speicherdienst Dropbox kooperieren wollen.

Demnach sollen Office-Nutzer ihre Dokumente künftig direkt in dem Netzspeicher von Dropbox ablegen können. Microsoft hatte dafür bislang nur den eigenen Online-Speicher OneDrive vorgesehen. Außerdem können Anwender auf dem iPad oder einem Android-Gerät ihre Dokumente aus der Dropbox-App heraus bearbeiten und aus den Office-Apps von Microsoft via Dropbox teilen. Im Gegenzug kündigte Dropbox an, künftig eine App für das Microsoft-Mobilsystem Windows Phone auf den Markt zu bringen.

Die Charmeoffensive trägt Früchte

Microsoft begann also, sich zu öffnen, und im Zuge dieses Kulturwandels geschah etwas Seltsames im Silicon Valley: Die Branche begann, Microsoft zu mögen. Der Konzern aus dem etwa 1300 Kilometer weiter nördlich gelegenen Seattle erschien sympathisch. Die Charmeoffensive Nadellas hatte offenbar schnell Früchte getragen. War Microsoft in der Vergangenheit als rücksichtloser Monopolist gesehen worden, der keine Skrupel zu haben schien, kleinere Anbieter, deren Produkte den Konzernverantwortlichen ein Dorn im Auge waren, zu bedrängen beziehungsweise gleich ganz aus dem Markt zu kegeln, machte sich unter Nadella eine neue Firmenkultur bemerkbar, deren Strahlkraft bald auch außerhalb der Konzernmauern zu spüren war.

Das unterstrichen auch die öffentlichen Auftritte des neuen CEO. Ballmer hatte oft durch extrovertierte, manchmal auch cholerisch wirkende Auftritte von sich reden gemacht, die nach außen hin wenig sympathisch wirkten. Sein Nachfolger Nadella suchte dagegen auf eine ruhige und entspannte Art und Weise das Gespräch und den Kontakt zu anderen Anbietern - auch zu Wettbewerbern. Zunehmend bemühten sich nun auch wieder Startups und andere IT-Anbieter um Kontakt nach Redmond, um sicherzustellen, dass die eigenen Produkte und Dienste reibungslos mit der Microsoft-Plattform funktionieren.

Nadella ist es offenbar gelungen, eine neue Firmenkultur in Redmond zu etablieren, die nicht mehr darauf ausgerichtet ist, Produkte anderer Anbieter zu verteufeln. Im Gegenteil: Unter der Führung von Satya Nadella habe Microsoft nicht nur seinen Ton verändert, sondern den gesamten Kurs der Firma, stellte Aaron Levie, Chef von Box, fest. "Das ist ein Musterbeispiel, wie sich ein Unternehmen neu erfindet."

"Fragen Sie nach einer Gehaltserhöhung"

Angesichts des Kulturwandels verzieh man Nadella auch den einen oder anderen Fehltritt vergleichsweise schnell. Im Oktober verhedderte sich der Manager mit einer kontroversen Äußerung über Frauen und Gehälter. In einer Diskussion sagte er, Frauen müssten keine Gehaltserhöhungen fordern. Gefragt, welchen Rat er für Frauen habe, die sich nicht trauten, in ihrer Firma mehr Geld zu verlangen, sagte er: "Es geht nicht darum, nach einer Erhöhung zu fragen, sondern zu wissen und daran zu glauben, dass das System einem die richtige Gehaltserhöhung geben wird." Frauen, die nicht nach mehr Geld verlangten, würden von "gutem Karma" profitieren. Nur wenig später, nach etlichen kritischen Reaktionen, ruderte Nadella zurück: "Ich habe die Frage völlig falsch beantwortet", schrieb er in einer E-Mail an die Mitarbeiter. "Wenn Sie denken, Sie verdienen eine Gehaltserhöhung, sollten Sie einfach danach fragen."

Es blieb nicht das einzige Mal, dass Nadella seinen Mitarbeitern Erklärungen schuldete. Schließlich fiel in seine noch junge CEO-Ära die größte Entlassungswelle, die der Konzern jemals in seiner Firmengeschichte ankündigte. Im Sommer 2014 gab Nadella bekannt, Microsoft werde im Zuge seiner Neuaufstellung im laufenden Geschäftsjahr, das noch bis zum 30. Juni dieses Jahres läuft, bis zu 18.000 Stellen streichen, 14 Prozent der Gesamtbelegschaft. Den stärksten Aderlass muss die zugekaufte Nokia-Sparte erdulden, wo insgesamt rund 12.500 Stellen gestrichen werden. Microsoft hatte mit Nokia etwa 30.000 Mitarbeiter übernommen.

Nadella erklärte in einer E-Mail an die Belegschaft, Microsoft werde zwar Stellen abbauen, gleichzeitig aber in anderen Bereichen auch strategisch einstellen. Der Konzern brauche finanziellen Spielraum, um mehr in innovative Technik zu investieren, verlautete aus der Chefetage in Redmond. Die Entlassungen sollten so glimpflich wie möglich über die Bühne gehen, bemühte sich Nadella den Kahlschlag schönzureden. Jeder betroffene Mitarbeiter könne erwarten, mit dem Respekt behandelt zu werden, der ihm für seinen Beitrag zum Unternehmen gebühre. Insgesamt strebt der neue Microsoft-CEO flachere und weniger Hierarchien sowie schlankere und effizientere Geschäftsprozesse an, um das Unternehmen produktiver zu machen.

Die Zukunft sind Windows 10 und Azure

Diese Produktivität braucht Nadella in erster Linie, um zwei Entwicklungsschwerpunkte voranzutreiben. Die wichtigste Produktankündigung seines ersten Jahres als Microsoft-CEO dürfte das neue Windows-Release 10 gewesen sein. Nach dem Flop mit Windows 8 brauchte Microsoft auch hier einen Neuanfang. Nicht umsonst wurde die Versionsnummer 9 ausgelassen, um einen möglichst großen Abstand auch im Produktnamen deutlich werden zu lassen. Nadellas Erwartungen sind hoch: "Das neue Release ist der Beginn einer neuen Windows-Ära", frohlockte er anlässlich der Präsentation des kommenden Windows.

Windows 10 bedeutet für manche Entwicklungen, die mit Windows 8 noch als revolutionär angepriesen worden waren, einen Rückzieher. So bekommt Windows 10 sein Startmenü wieder zurück, das Kachel-Design gerät in den Hintergrund. Microsoft adressiert mit Windows 10 alle Plattformen vom Smartphone über Tablets und Notebooks bis hin zum klassischen PC. Über sämtliche Geräteklassen hinweg soll Windows 10 ein einheitliches Nutzererlebnis bieten. Auch für die Entwickler soll vieles einfacher werden. Der Hersteller verspricht, dass Windows-Anwendungen nur noch einmal entwickelt werden müssen und sich dann automatisch an die Nutzung auf unterschiedlichen Geräten anpassen.

Darüber hinaus investiert Microsoft große Summen in den Ausbau seiner Cloud-Infrastruktur und -Plattform "Azure". "Wir liefern die umfassendste Cloud der Branche", hatte Nadella im Herbst vergangenen Jahres behauptet. Azure werde in Kürze in 19 Regionen weltweit verfügbar sein. Das seien doppelt so viele, wie andere Public-Cloud-Anbieter erreichten. Microsoft gewinnt nach eigenen Angaben Woche für Woche 10.000 neue Kunden für Azure hinzu. In der Microsoft-Cloud seien bereits mehr als 30 Billionen Objekte gespeichert. Physikalisch bestehe die eigene IT-Wolke aus 11,4 Millionen Servern.

An dieser Infrastruktur entwickelt Microsoft offensichtlich kontinuierlich weiter. Im Oktober 2014 kündigte der Konzern die neue G-Serie an, leistungsstarke Intel-Xeon-Server, die die derzeit größte virtuelle Maschine für die Public Cloud ermöglichten. Gemeinsam mit Hardwarepartner Dell präsentierten die Microsoft-Verantwortlichen das Cloud Platform System (CPS), ein Komplettpaket aus Dell-Hardware sowie den Softwarelösungen von Microsoft. Der Anbieter sprach damals von der "Azure Cloud in der Box". Anwender könnten damit Azure im eigenen Rechenzentrum betreiben.

Die Cloud macht neue Freunde

Für Microsoft geht es zudem darum, die eigene Cloud durch Zusatzangebote möglichst attraktiv für die Nutzer zu machen. Dafür hat der Konzern mit dem Azure Store seinen Marktplatz vereinheitlicht. Der Store vernetzt ein ganzes Ökosystem aus Software- und Serviceanbietern mit den Enterprise-Kunden. Auch an dieser Stelle wird die neue Offenheit Microsofts deutlich. Mittlerweile können Anwender auch Datenbanken des ehemaligen Erzfeindes Oracle aus der Azure-Cloud beziehen und nutzen. Rund ein Fünftel der virtuellen Maschinen in Azure laufen nach Nadellas Worten unter einem Linux-Betriebssystem.

Die neue Offenheit dürfte Nadella auch in Zukunft vorantreiben. Die Zeiten, in denen Produkte wie Windows und Office die IT-Welt bestimmten und der Konzern infolgedessen wenig Rücksicht darauf nahm, was andere Hersteller anboten, sind vorbei. Heute präsentiert sich die IT-Welt bei Weitem nicht mehr so homogen. Konsumenten wie Unternehmen setzen einen bunten Mix unterschiedlicher Techniken und Plattformen von allen möglichen Herstellern ein - und sie erwarten, dass diese Techniken reibungslos miteinander funktionieren. Dem kann sich Microsoft nicht widersetzen. Die Redmonder müssen dieses Spiel mitspielen, oder sie stellen sich selbst ins Abseits.

Preiskampf um Cloud-Dienste

Die Geschäfte dürften für Microsoft damit allerdings nicht einfacher werden. Gerade in der Cloud liefern sich die Anbieter gegenwärtig einen erbitterten Preiskampf - insbesondere wenn es um standardisierte Services wie Rechenressourcen, Storage-Kapazitäten oder Plattformdienste geht. Anbieter wie Amazon Web Services (AWS) senken laufend die Preise und verstärken den Druck auf die Wettbewerber.

Zwar betonte Nadella, die Tage von Anbietern, die ausschließlich über den Preis konkurrierten, seien gezählt. Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, braucht Microsoft aber stichhaltige Gründe, warum die Anwender für einen angeblich höherwertigen Azure-Cloud-Service mehr zahlen sollten. Hier Argumente zu finden, wird nicht ganz einfach. Derzeit hat im weltweiten Markt für Infrastructure as a Service und Platform as a Service (IaaS, PaaS) AWS eindeutig die Nase vorn.

Die Amazon-Tochter wuchs zuletzt um über 50 Prozent und kam laut aktuellen Zahlen der Marktforscher der Synergy Research Group im vierten Quartal 2014 auf einen Marktanteil von etwa 28 Prozent. Microsoft konnte demnach sein Azure-Geschäft sogar um über 80 Prozent steigern, mit einem Marktanteil von etwas mehr als zehn Prozent bleiben die Redmonder aber deutlich hinter dem Konkurrenten AWS.

Damit Nadellas Pläne aufgehen, muss außerdem Windows 10, das im Spätsommer 2015 auf den Markt kommen soll, ein Erfolg werden. Zwar hat sich das Windows-Business im vergangenen Jahr etwas erholt - woran Microsoft mit dem Support-Ende für Windows XP im April letzten Jahres erheblichen Anteil hatte. Doch ob der Trend anhält, ist längst nicht ausgemacht.

Immerhin stellt Microsoft mit Windows 10 selbst die Weichen für einen Erfolg. Adressierten die Redmonder mit dem Vorgänger Windows 8 vor allem Privatkunden und hofften so, auch den Weg in die Unternehmen zu finden, soll es nun anders laufen: Windows 10 richtet sich gleichermaßen an private Konsumenten wie an Unternehmenskunden. Letztere haben allerdings oft gerade erst Windows 7 eingeführt und dürften damit noch eine ganze Weile zufrieden sein. Warum sie ein paar Jahre später unter hohen Kosten auf Windows 10 umsteigen sollten, muss Microsoft erst noch schlüssig erklären. Bis Januar 2020 gibt es wenig Handlungsbedarf, denn so lange läuft der Extended Support, der regelmäßige und kostenlose Sicherheits-Updates garantiert.

Dazu kommt, dass die Gerätewelt vielfältiger geworden ist. Gartner zufolge werden in diesem Jahr weltweit rund 2,47 Milliarden Devices verkauft. Davon sind nur 321 Millionen (13 Prozent) der PC-Klasse zuzurechnen. Den Löwenanteil machen mit 1,9 Milliarden Geräten Smartphones und Handys aus. Bedenkt man, dass Android und iOS diese Gerätewelt dominieren, dann wird deutlich, dass die Bedeutung von Windows weiter schwinden wird. Das Microsoft-System kommt nur noch auf einen Anteil von nicht einmal 15 Prozent im globalen Endgerätemarkt. Googles Android dominiert mit einem Anteil von fast 60 Prozent.

Nadella hat mit seiner Strategie Mobile first, Cloud first, der neuen Offenheit sowie der Ankündigung von Windows 10 die Weichen gestellt. Nun muss sich zeigen, dass die Spur, die er gewählt hat, zum Erfolg führt. Wenn es in den kommenden Monaten darum geht, zu beweisen, dass die neue Strategie trägt, dürfte dem Microsoft-CEO ein schärferer Wind ins Gesicht wehen.

Börsianer haben hohe Erwartungen

Einen Vorgeschmack bekam Nadella im Januar, als er die jüngsten Zahlen für das zweite Fiskalquartal des laufenden Geschäftsjahres 2014/15 vorstellte. Der Umsatz in dem Ende Dezember abgeschlossenen zweiten Geschäftsquartal legte um knapp acht Prozent auf fast 26,5 Milliarden Dollar zu. Dafür sorgte unter anderem das wachsende Geschäft mit Cloud-Diensten im Internet, das sich im Jahresvergleich verdoppelt hatte und die schwächeren Geschäfte in anderen Sparten etwas kompensieren konnte. Die Erlöse mit den Surface-Tablets wuchsen dank des neuen Modells "Surface Pro 3", um ein Viertel auf 1,1 Milliarden Dollar. Das Geschäft mit dem Windows-Betriebssystem schrumpfte jedoch im weiterhin schwachen PC-Markt um 13 Prozent.

Das Wachstum in den neuen Bereichen konnte im letzten Quartal den Rückgang im Windows-Geschäft mehr als ausgleichen. Der Umbau und das laufende Sparprogramm schlugen aber auf den Gewinn durch. Er fiel im Jahresvergleich um 10,7 Prozent auf 5,86 Milliarden Dollar. An der Wallstreet kamen die Zahlen nicht gut an: Nachdem Steve Ballmer seinen Rückzug angekündigt hatte, war das Microsoft-Papier um fast 30 Prozent gestiegen. Im vergangenen November erreichte es mit knapp über 50 Dollar sogar den höchsten Stand seit dem Jahr 2000. Doch der Höhenflug wurde jäh gestoppt. Nach den jüngsten Quartalszahlen verlor die Aktie fast 15 Prozent und rutschte auf knapp über 40 Dollar ab. Rund 40 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung lösten sich buchstäblich in Luft auf. Nadella weiß nun, was von ihm erwartet wird.

Spiele, Apps und R

Um die Microsoft-Geschäfte weiter anzukurbeln, hat CEO Satya Nadella bereits in seinen ersten Monaten kräftig zugekauft. Seine Einkaufsliste zeigt interessante Facetten. Für 2,5 Milliarden Dollar übernahm Microsoft beispielsweise im vergangenen Herbst den schwedischen Spieleentwickler Mojang, bekannt vor allem für sein virtuelles Bauklötzchenspiel „Minecraft“. Angeblich rund 100 Millionen Dollar war Microsoft die Akquisition von Sunrise wert.

Das Unternehmen entwickelt Kalender-Apps unter anderem auch für iOS und Android. Im Dezember 2014 kaufte der Konzern außerdem Acompli, das eine E-Mail-App für iOS und Android entwickelt hat. Nicht bestätigter Kaufpreis: etwa 200 Millionen Dollar. Zudem schluckte Microsoft mit Revolution Analytics einen Spezialisten für die Programmiersprache R, die rund um statistische Analysen zum Zuge kommt.