SMI-S: Speichern ohne Grenzen

26.01.2006 von Dr. Thomas Hafen
Die "Storage Management Initiative – Specification" (SMI-S) soll die Verwaltung von Storage Area Networks einfacher machen. Doch eine Vielzahl an Zertifizierungsstufen erschwert den Anwendern die Suche nach der besten Hard- und Software.

Storage Area Networks sind teuer in der Anschaffung und kompliziert in der Verwaltung – doch sie sind jeden Cent wert: Das Marktforschungsinstitut IDC beziffert die Gesamtkosten (Total Cost of Ownership, TCO) pro TByte Speicherkapazität im SAN auf rund 25.000 Dollar. Für direkt angebundenen Speicher (DAS) derselben Größe muss ein Unternehmen dagegen rund 40.000 Dollar veranschlagen – und das, obwohl die Preise für Festplatten im Keller sind. Grund für diesen scheinbaren Widerspruch sind die Managementkosten. Sie steigen für dezentrale Speicherressourcen extrem, je mehr einzelne Platten zu verwalten sind. Direkt angebundener Speicher lässt sich außerdem nicht einfach nach Bedarf zuweisen, sodass oft die Hälfte der vorhandenen Ressourcen ungenutzt bleibt.

Doch SANs haben auch ihre Tücken. Vor allem heterogene Umgebungen treiben die Administratoren oft in den Wahnsinn. So benutzt jeder Hersteller von Storage-Hardware für seine Komponenten eigene Verwaltungs-Tools mit jeweils eigenen Benutzeroberflächen. Unterschiedliche Virtualisierungsansätze erschweren es, Speicher automatisch zuzuweisen, Schnittstellen fehlen, um Storage-Komponenten in Standard-Management-Software einzubinden. Sind sie vorhanden, erlauben sie meist nicht den Zugriff auf den kompletten Funktionsumfang eines Geräts. Der Nutzer muss sich also im Zusammenspiel heterogener Devices mit dem "kleinsten gemeinsamen Nenner" zufrieden geben.

Storage Management Initiative

Um diese Situation zu ändern, gründete der Branchenverband SNIA (Storage Networking Industry Association) die Storage Management Initiative (SMI). Ihr Ziel ist es, eine Spezifikation zu entwickeln, die ein Management heterogener SANs erlaubt: die Storage Management Initiative – Specification, oder kurz: SMI-S.

Die Vorteile von SMI-S

Von der Standardisierung beim Storage-Management profitieren Hersteller, Partner und Kunden gleichermaßen. Geräte müssen nur noch eine definierte Managementschnittstelle aufweisen und eine Konformitätsprüfung durchlaufen. Umfangreiche bi- und multilaterale Interoperabilitätstests entfallen. Managementsoftware kann ebenfalls über eine Schnittstelle auf alle Geräte zugreifen. Statt Zeit für die Integration neuer Hardwareschnittstellen verschwenden zu müssen, können sich die Softwarehersteller auf neue Funktionen und bessere Bedienbarkeit konzentrieren.

Für den Kunden bedeutet SMI-S eine größere Unabhängigkeit von Herstellern, mehr Auswahl und damit attraktivere Preispunkte sowie ein einfacheres Management seiner Speicherumgebung. Partner können ihren Kunden nicht nur individuellere Lösungen anbieten und dank preiswerterer und unkomplizierterer Implementierungen neue Käuferschichten erschließen. Es wird außerdem wesentlich leichter, ein heterogenes Speichernetz zum Laufen zu bringen, was Aufwand und Risiko für den Systempartner senkt.

Der Aufbau von SMI-S

Als Basis von SMI-S entschied sich die SNIA für ein WBEM/CIM-Modell (Web Based Enterprise Management/Common Information Model). WBEM und CIM sind Entwicklungen der Distributed Management Task Force (DMTF), die einen plattform- und technologieunabhängigen Austausch von Managementinformationen über Systemgrenzen hinweg ermöglichen sollen. CIM ist ein Informationsmodell, mit dem sich logische und physische Objekte und deren Abhängigkeit voneinander beschreiben lassen. Die Informationen können über eine IP-Verbindung ausgetauscht werden, wobei Standards wie XML und HTTP zum Einsatz kommen. CIM definiert außerdem Schnittstellen zu herkömmlichen Managementsystemen auf SNMP (Simple Network Management Protocol)- oder MIB-Basis (Management Information Base).

Für die Identifikation der Geräte im Netz wird in SMI-S das Service Location Protocol eingesetzt. Des Weiteren beschreibt die Spezifikation Locking-Mechanismen, die für Stabilität und Datenintegrität sorgen. Auch Sicherheitsaspekte wurden berücksichtigt, die in Zukunft noch deutlich ausgebaut werden sollen.

Implementiert wird SMI-S in Form von so genannten "Agents". Sie können sich als "Embedded Agent" direkt auf dem zu managenden Gerät befinden oder als "Proxy-Agent" von außen zugreifen. Ein Agent wiederum besteht aus einem "CIM-Server", dem CIM Object Manager (CIMOM) und einem "CIM-Provider". Ersterer umfasst HTTP-Server, XML-Parser und SLP-Agent. Der Provider ist geräte- oder applikationsspezifisch und führt die CIM-Befehle aus.

Ziel der Storage Management Initiative ist es, alle Geräte über eingebettete CIM-Server, -Provider und Operation Manager zu managen. Dies würde allerdings bereits bestehende Geräte und Applikationen außen vor lassen. Deshalb ist derzeit eher der Ansatz mit Proxy-Agents verbreitet.

Funktionsumfang von SMI-S

Version 1.0 von SMI-S bietet Standardschnittstellen für die Konfiguration von Ports, Fibre-Channel-Fabrics, HBAs (Host Bus Adapter) und LUNs (Logical Unit Number). Sicherheitsmechanismen wie eine Array-Zugangskontrolle sind genauso enthalten wie Verwaltungsmöglichkeiten für Software, Bandbibliotheken und Festplatten. Version 1.1 bringt neben Erweiterungen und Verbesserungen vor allem in den Bereichen Datensicherung und Tape Library Management zusätzliche Profile für NAS (Network Attached Storage) und iSCSI. Für Version 1.2 sieht die SNIA unter anderem erweiterte Security-Funktionen wie Identity-Management oder Policies vor. Version 2 soll auf der nächsten CIM-Generation (CIM 3.x) aufbauen und ILM-Funktionen bieten (Information Lifecycle Management).

Den Zeitplan für die SMI-S-Entwicklung konnte die SNIA allerdings nicht einhalten. So ist zwar Version 1.0.2 bereits Ansi-Standard, und für Version 1.1 sind erste Konformitätstests verfügbar. Von dem einstmaligen Ziel, schon in diesem Jahr Version 2.0 zu verabschieden, ist das Komitee noch weit entfernt. Auch die Forderung "All Storage managed with SMI-S by 2005" ließ sich nicht in die Tat umsetzen.

Wie Geräte zertifiziert werden

Um die Interoperabilität sicherzustellen, hat die SNIA ein Conformance Testing Program (CTP) aufgelegt, das seine Arbeit im März 2004 aufnahm. Es umfasst eine definierte Testumgebung, mit der Hersteller Geräte auf SMI-S-Kompatibilität prüfen können. Wird der Test bestanden, erhält das Produkt das "SMI-S compliant"- Logo. Bisher haben mehr als 200 Produkte von 22 Herstellern den Konformitätstest bestanden. Das ist kein billiges Vergnügen: Für Nicht-SNIA-Mitglieder beginnen die Preise bei 24.000 Dollar, SNIA-Mitglieder zahlen die Hälfte. Dazu kommen noch die Kosten für die Vorbereitung sowie eventuelle Vortests im "SMI-lab".

Das Logo sagt allerdings noch nicht sehr viel über die tatsächliche Kompatibilität aus. Es gibt nämlich kein allgemeines Zertifikat für den Gesamtumfang der SMI-S, sondern ein sehr fein abgestuftes System so genannter CIM-Profile und Sub-Profile. Dies hat vor allem für die Hersteller Vorteile: Sie können Produkte zertifizieren lassen, auch wenn diese nur zu Teilen der Spezifikation kompatibel sind. Außerdem können sie sich weiter über proprietäre Funktionen von den Wettbewerbern differenzieren und eine Kundenbindung erreichen. Für die Kunden bedeutet dies allerdings, dass sie sich vor der Auswahl eines Produkts sehr genau mit der Konformitätsliste befassen müssten, um die tatsächliche Interoperabilität eines Geräts einschätzen zu können. Darüber hinaus signalisiert das CTP-Logo nur, dass das Gerät den Test bestanden hat. Wie leistungsfähig es war, wird von der SNIA nicht bekannt gegeben.

Aufgrund der komplexen Profileinteilung kommt Channel-Partnern bei der Bewertung von SMI-S-Zertifikaten eine wichtige Beratungsfunktion zu. Wer sich als Systemintegrator mit den Zertifizierungspraktiken der SNIA auskennt, hat einen entscheidenden Vorteil. Seit Sommer 2005 kann der Wiederverkäufer seine Kompetenz in Sachen SMI-S auch dokumentieren: Die SNIA zertifiziert Channel-Partner per Online-Test zum "SNIA Qualified Sales Professional".

Standpunkte zu SMI-S

Die Storage Networking Industry Association (SNIA) ist eine Non-Profit-Organisation aus mehr als 300 verschiedenen Herstellern, Endanwendern und Einzelmitgliedern, die sich die Förderung von Storage-Lösungen auf die Fahnen geschrieben haben.

Zu diesem Zweck entwickelt die SNIA technische Standards und bietet Zertifizierungen im eigenen Testlabor an. Über Fachvorträge und Schulungen sorgt sie für die Weiterbildung und Zertifizierung von IT-Personal sowie für den Wissenstransfer. Im Folgenden einige Stimmen aus der Industrie zu den Chancen und Möglichkeiten von SMI-S.

"SMI-S löst das unsägliche Problem der mangelhaften Interoperabilität, weil bei den Speichersystemen das "Vendor Lock-in" der Vergangenheit angehört. Das bislang notwendige arbeitsintensive Studieren, welches System in welcher Version mit welchem Release einer Managementlösung zusammenpasst, und der damit verbundenen Kompromisse entfällt künftig. Stattdessen können sich Systempartner ganz darauf konzentrieren, ihren Kunden eine optimale zusammengestellte Lösung zu unterbreiten."
Peter Rasp, Geschäftsführer CA Deutschland

"Für die Dienstleister und Systemintegratoren eröffnet SMI-S die Möglichkeit, bei ihren Kunden ihre Stärke auszuspielen und die bestmögliche Speicherlösung unter Einbeziehung verschiedener Hersteller anzubieten, ohne dabei das Risiko der Komplexität und aufwändigen Verwaltung einzugehen."
Udo Rauch, Sales Leader IBM Tivoli, IBM Deutschland

"Da Umfragen zeigen, dass Kunden grundsätzlich viel Wert nicht nur auf Interoperabilität, sondern auch auf heterogene Umgebungen legen, können Wiederverkäufer auch von SMI-S profitieren. Da sie genau die Produkte und Lösungen vorschlagen können, die den Anforderungen der Kunden entsprechen, können sie flexibler auf Kundenwünsche eingehen und reagieren. Sie sind nicht an bestimmte Hersteller gebunden, sondern können mehr Produkte unterschiedlicher Hersteller in ihrem Portfolio führen und diese nahtlos in die bestehende Infrastruktur integrieren. Damit gewinnen sie viele Pluspunkte beim Kunden. Ein Fachhändler kann sich auch von der SNIA für den Standard zertifizieren lassen, womit er sich auch vom Mitbewerb absetzen kann."
Manfred Buchmann, Technical Marketing, Network Appliance

"Ein großer Vorteil für die Systempartner liegt darin, dass die Hardware durch den gleichen Kompatibilitätsstandard vieler Hersteller austauschbar wird. Dadurch können die Preise für das Endprodukt gesenkt werden. Zudem reduziert sich durch die Standardisierung die Verantwortung des Systempartners den Kunden gegenüber."
Siegfried Betke, Technical Account Manager, DataCore Software

Fazit

Dass Entwicklung und Verabschiedung der SMI-S-Standards länger dauern als geplant, ist kein Wunder. Schließlich sind sehr viele Parteien mit widersprüchlichen Interessen an dem Prozess beteiligt.

Der Beharrlichkeit und Diplomatie des verantwortlichen SNIA-Komitees ist es zu verdanken, dass die Vereinfachung des Storage-Managements dennoch große Fortschritte macht – auch wenn sich Partner und Anwender sicher ein weniger komplexes und feinstufiges Zertifizierungssystem gewünscht hätten. (mje)

Dieser Beitrag stammt von unserer Schwesterzeitschrift ComputerPartner, der Fachzeitschrift für den ITK-Handel.

SMI-S und Speichermanagement

Frank Bunn, Technical Chair SNIA German Committee und Senior Solutions Marketing Manager Symantec, erklärt, welchen Einfluss SMI-S auf das Speichermanagement hat.

Was sind die Hauptprobleme, die Unternehmen beim Storage-Management plagen?

Bunn: Die Unternehmen kämpfen vor allem mit der Unübersichtlichkeit in heterogenen Umgebungen. Zu viele Produkte bringen ihre eigenen Managementkonsolen und -masken mit. Der Administrator muss zu oft zwischen den Benutzeroberflächen hin- und herschalten, zu viele unterschiedliche Managementsysteme beherrschen.

Welche Probleme lassen sich mit SMI-S lösen, welche nicht?

Bunn: SMI-S kommt ja nicht über Nacht. Das ist ein laufender Prozess, der bereits 2002 begann. Was SMI-S schafft, ist eine bessere Interoperabilität. Es ermöglicht ein einheitliches Management verschiedener Produkte und liefert einen konsistenten Blick auf die SAN- und NAS-Umgebung. Die Anwender sind oft schon deshalb ganz begeistert, weil sie mit SMI-S endlich ihre gesamte Speicherumgebung sehen können. Die Kunden wissen oft gar nicht, was sie noch alles an Storage-Equipment haben. Aber das ist nur ein erster Schritt. In einem zweiten Schritt lässt sich das Management von Speichersystemen wesentlich erleichtern.

Welche Vorteile bringt SMI-S für Systempartner?

Bunn: Das Thema SAN wurde bisher stark von größeren Unternehmen besetzt. Kleine und mittlere Unternehmen waren dagegen eher skeptisch, nach dem Motto "Das ist zu komplex, zu teuer und funktioniert ja sowieso nicht". Und sie hatten ja auch nicht ganz Unrecht. Durch SMI-S wird das SAN-Management aber wesentlich einfacher. Dadurch können auch Partner Speichernetze implementieren und betreuen, die nicht zu den absoluten SAN-Spezialisten gehören. In Version 1.1 von SMI-S werden außer Fibre-Channel-SAN auch NAS und iSCSI berücksichtigt. Das vergrößert das Umfeld für Integratoren enorm.

Ein weites Betätigungsfeld

Haben die Partner die Chancen von SMI-S erkannt?

Bunn: Ich denke, die langfristige Bedeutung von SMI-S ist bei den Partnern angekommen. Sehr viele kleinere Systemhäuser und Fachhändler werden demnächst Integrationsprodukte und -dienstleistungen in diesem Bereich anbieten. Noch nicht konforme Produkte lassen sich per Gateways anhängen, da tut sich ein weites Betätigungsfeld auf.

Worauf muss ich als Partner oder Anwender achten, wenn ich Storage-Produkte anhand ihrer Interoperabilität / SMI-S-Fähigkeit bewerten möchte?

Bunn: Man muss sich mit dem Thema schon ein bisschen beschäftigen, muss verstehen, was ein Profil, was ein Sub-Profil ist, um die Zertifizierungs-Website der SNIA richtig zu interpretieren. Die Bewertung eines Zertifikats wird dadurch zwar komplexer, man erhält aber auch sehr detaillierte Informationen darüber, was ein zertifiziertes Produkt tatsächlich kann und was nicht. Die SNIA-Website liefert hier sehr gute Hilfestellungen und Informationen. Natürlich ist das eine Gratwanderung zwischen Praktikabilität und Genauigkeit. Für Anwender und Partner wäre ein Komplettzertifikat sicher einfacher, aber nicht jeder Hersteller wird alle Standardschnittstellen für sein Produkt anbieten. Auch fördern die detaillierten Zertifizierungsmöglichkeiten den Wettbewerb zwischen den Anbietern – das ist gut für Partner und Endkunden.