Wie IT die Berufswelt verändert

Sieben Trends zur Zukunft der Arbeit

21.06.2013 von Michael Müller
Moderne IT und Beschäftigte auf Abruf prägen die Arbeitswelt von morgen. Die Studie "Evolving Workforce" hat sieben Trends identifiziert, wie sich unser Berufsleben verändern wird.

Schon einmal - vor rund drei Jahrzehnten - hat die IT die Berufswelt umgewälzt. Damals übernahm sie in großem Umfang manuelle Arbeitsprozesse, die sie erheblich schneller und effizienter erledigte. Seitdem sitzen die Menschen im Büro nicht mehr vor der Schreibmaschine oder dem Zeichenbrett, sondern vor dem PC-Bildschirm. Die IT war dabei aber immer auf stationäre Ressourcen angewiesen. Das hat das Internet mittlerweile grundlegend geändert. ERP-Anwendungen oder Datenbanken sind heute nicht mehr länger nur auf dem Firmengelände oder in der Niederlassung, die über eine spezielle Datenverbindung angeschlossenen ist, verfügbar, sondern überall, sei es im Zug, im Auto, im Hotel, während einer Präsentation beim Kunden oder im Home Office.

Damit wälzt die IT die Berufswelt derzeit ein zweites Mal um. Moderne Informations- und Kommunikationstechnik bescheren den Unternehmen eine bislang nicht gekannte Flexibilität - und lösen dadurch traditionelle Arbeitsstrukturen Schritt für Schritt auf. Aber wie wird die veränderte Arbeitswelt konkret aussehen? Dell und Intel haben sich in der umfassenden Studie "Evolving Workforce" mit der Entwicklung der Arbeitswelt in der Internet-Ära befasst. Ein Teil der Studie beschäftigt sich mit den technologischen, sozialen und politischen Faktoren dieser Entwicklung. Namhafte Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft haben daraus sieben Trends für die Entwicklung der Arbeitswelt abgeleitet.

Arbeiten in der digitalen Welt
In einer repräsentativen Umfrage kommt der ITK-Branchenverband Bitkom zu interessanten Erkenntnissen. Mobile Erreichbarkeit und das Arbeiten in Netzwerken heben die strikte Trennung von Arbeits- und Privatleben auf.
Neue Technologien in der Arbeitswelt
Für die Studie wurden 505 Berufstätige und 854 Unternehmen befragt.
Nutzung privater Geräte im Job ist weit verbreitet
Nur knapp ein Drittel aller befragten Berufstätigen nutzen keine privat angeschafften Geräte für die tägliche Arbeit.
Computer und Handy gehören zur Standardausstattung
Arbeit ist selten an einen festen Platz gebunden
55 Prozent der Befragten arbeiten auch "von unterwegs" mithilfe eines Handys, Smartphone oder mobilen Computers.
Home Office ist weit verbreitet
Ein Drittel aller Berufstätigen arbeitet regelmäßig zu Hause.
Arbeit zu Hause versöhnt Job und Familie
Ansichten der Berufstätigen zum Thema Home Office
Unternehmen sehen positive Effekte flexibler Arbeitsmodelle
Ansichten der Personalverantwortlichen in Unternehmen zum Thema Home Office
Always on
77 Prozent der befragten Beschäftigten sind auch nach Büroschluss erreichbar.
Viele Beschäftigte checken dauernd ihre E-Mails
Ein Viertel der Befragten ruft auch nach der Arbeit noch regelmäßig die geschäftlichen E-Mails ab.
Unternehmen verlangen Erreichbarkeit
Zwei Drittel der befragten Unternehmen sind der Meinung, dass die Mitarbeiter auch außerhalb der regulären Arbeitszeit für Kollegen, Vorgesetzte oder Kunden per Handy bzw. E-Mail erreichbar sein sollten.
Erreichbarkeit in der Regel nicht geregelt
Doch kaum ein Unternehmen verfügt über klare Regelungen zur Erreichbarkeit der Mitarbeiter außerhalb der regulären Arbeitszeit.
Was Unternehmen für die Work Life Balance tun
Berufstätige sehen das Teilen von Wissen positiv
Soziale Medien verändern die interne Kommunikation
Nur noch 32 Prozent der befragten Unternehmen nutzen keine Social-Media-Tools
5 Regeln für Arbeitgeber
4 Regeln für Beschäftigte

Trend 1: Virtuelle Teams nivellieren Hierarchien

In der Arbeitswelt von morgen arbeiten die Menschen zusammen, ohne sich überhaupt zu kennen. Teams werden ad-hoc zusammengestellt und sind über moderne Kommunikationsmittel verbunden, so dass die Mitglieder ihre Beiträge sehr einfach in die Prozesse einbringen können. Dadurch wird aber auch eine Nivellierung stattfinden, denn diese Teams definieren sich vor allem funktionell und weniger durch Hierarchien. Die technische Grundlage dafür bieten pervasives und Cloud Computing.

1. Springer:
Mitarbeiter ohne feste Aufgaben können flexibel disponiert werden.
2. Voneinander lernen:
Mitarbeiter aus einer Abteilung erlernen die Fertigkeiten für die Aufgaben aus einer anderen Abteilung - und umgekehrt.
3. Kräftig mischen:
Bei Bedarf können Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen andernorts eingesetzt werden.
4. Teilen und herrschen:
Komplexe Jobs werden in kleine, einzelne Projekte zergliedert. Siehe Scrum.
5. Kräfte Bündeln:
Ebenso lassen sich komplexe Projekte breiter definieren - so dass bei Bedarf fremde Kollegen einspringen können.
6. Die Cloud-Lösung:
Aus der Ferne arbeiten externe Kollegen bei Bedarf per Internet mit. Das wird einzeln abgerechnet.
7. Die menschliche Cloud:
Wer gute externe Kräfte kennt, holt sie bei Bedarf mit einem Vertrag in die Firma.
8. Geteilte Freud:
Die Mitarbeiter einer Firma können anderen Unternehmen ausgeliehen werden - und umgekehrt.

Trend 2: Das Arbeitsergebnis wird wichtiger als die Arbeitszeit

Bisher war die Arbeitswelt vor allem über die Verteilung der Arbeitszeit organisiert. Da sich die Produktivität moderner Arbeitsprozesse, gerade unter den Bedingungen virtueller Teams, aber nur unzureichend über die Anzahl aufgewendeter Stunden erfassen lässt, werden zunehmend neue, Output-orientierte Messmethoden eingeführt. Ein allgemein akzeptierter Standard für die Ermittlung von Output in der "Knowledge Economy" muss sich aber erst noch entwickeln.

Trend 3: Der Einsatz mobiler Geräte nimmt zu

Wir werden eine Vielzahl unterschiedlicher Endgeräte und Betriebssysteme sehen, die auf die jeweiligen Einsatzbereiche abgestimmt sind. Cloud Computing bietet dafür eine Fülle von Möglichkeiten, weil die jeweiligen Endsysteme damit auf einen praktisch unbegrenzten Vorrat an Daten und Anwendungen zugreifen können. Kompatibilität und Interoperabilität sind dabei entscheidende Faktoren.

Trend 4: Generationenkonflikte drohen

Der Austausch von Know-how zwischen Generationen, also zwischen erfahrenen Mitarbeitern und jüngeren, so genannten Digital Natives, wird zunehmen. Die unterschiedlichen Werte und Arbeitsstile dieser Gruppen bergen das Risiko von Konflikten und Spannungen, bieten aber auch Chancen für gegenseitige Anregungen.

1. Betrachten Sie sich nicht als passiver „Arbeit-Nehmer“, sondern als selbstverantwortlich handelnder „Arbeitsmarkt-Unternehmer.“
Sie verkaufen ein Produkt, nämlich Ihre Arbeitskraft, und es ist Ihre Aufgabe, dieses Produkt laufend zu verbessern. In drei Jahren müssen Sie ein besserer Arbeitnehmer sein, als Sie es heute sind – wenn Sie in drei Jahren ein neues Auto kaufen, erwarten Sie schließlich auch, dass es ein besseres Modell ist als das, welches Sie heute fahren.
2. Schätzen Sie Ihre Arbeitsmarktfitness realistisch ein.
Analysieren Sie Ihre eigenen Fähigkeiten und gleichen Sie diese realistisch mit dem ab, was derzeit gefragt ist. Lassen Sie sich regelmäßig Feedback von Kollegen und Vorgesetzten geben und nehmen Sie dieses ernst.
3. Bleiben Sie geistig flexibel.
Das Umfeld, in dem Ihr Unternehmen tätig ist, hat sich bereits in den letzten zehn oder 15 Jahren tiefgreifend gewandelt, und die Zukunft wird noch mehr und noch schnelleren Wandel bringen. Dieser wird auch an Ihrem Job deutliche Spuren hinterlassen, in Ihrem Unternehmen und in der ganzen Branche. Das sollten Sie rechtzeitig erkennen und sich darauf einstellen.
4. Besuchen Sie Weiterbildungsmaßnahmen – notfalls auch auf eigene Kosten.
Besonders die Personalabteilungen größerer Unternehmen legen Wert auf Zertifikate und Schulungsbestätigungen. Nur wer diese in seiner Personalakte hat und regelmäßig neue hinzufügt, dokumentiert seine Veränderungsbereitschaft und Lernwilligkeit. Auch im Hinblick auf externe Bewerbungen sollten Sie jährlich zwei bis vier Tage in Schulungen, Seminaren oder Kursen verbringen und dafür Nachweise abheften.
5. Machen Sie Ihre Leistungen sichtbar.
Wer heute über 40 ist, spricht häufig nicht offensiv über das, was er oder sie gut kann, sondern meint, die anderen würden schon von selbst merken, wie tüchtig man ist: Das ist allerdings ein Irrglaube. Ihr Chef wird zwar wahrscheinlich merken, wenn jemand immer wieder Fehler macht oder schlechte Ergebnisse abliefert. Aber solange bei Ihnen alles reibungslos läuft, hat er keinen besonderen Anlass, Sie positiv zu bemerken. Was Sie im Einzelnen leisten wird er nur erfahren, wenn Sie es ihm sagen. Und mal ehrlich: Warum sollten die Kollegen von sich aus einem Vorgesetzten erzählen, wie hervorragend Ihre Arbeit ist?
6. Engagieren Sie sich.
Bringen Sie eigene Ideen ein. Übernehmen Sie freiwillig Aufgaben, deren Sinn und Notwendigkeit Sie erkennen. Sagen Sie nie Sätze wie „Das muss ich laut meinem Arbeitsvertrag nicht tun“ oder „Dafür bin ich nicht zuständig“. Bleiben Sie auch dann engagiert bei der Sache, wenn Sie sich über Ihren Chef wirklich geärgert haben. Wie unfähig und unmöglich er auch sein mag, lassen Sie sich von ihm auf keinen Fall in die passive Resignation treiben. Suchen Sie lieber in aller Ruhe eine neue Stelle und kündigen Sie anschließend fristgerecht und mit einem freundlichen Lächeln.
7. Denken und handeln Sie im Sinne des Unternehmens.
Bedenken Sie bei allem, was Sie tun, welche Folgen es für Ihre Abteilung und für das Unternehmen hat. Tun Sie das, was nötig ist, um Ihre Arbeit gut zu machen, und machen Sie niemals nur „Dienst nach Vorschrift“. Sie haben es zwar nicht mehr nötig, täglich zwölf Stunden im Büro zu sein, nur damit Ihr Chef sieht, wie einsatzfreudig und fleißig Sie sind. Aber Sie sind selbstverständlich da, wenn Sie wirklich gebraucht werden. Auch mal abends und am Wochenende, auch dann, wenn Sie etwas anderes vorhaben oder schon müde sind.
8. Arbeiten Sie konstruktiv mit Jüngeren zusammen.
Strecken Sie die Hand aus und gehen Sie auf die jungen Kollegen zu. Nicht gönnerhaft, nicht ängstlich, sondern weil Sie wissen, dass Sie es sich leisten können. Beweisen Sie, dass Sie dialogfähig sind, indem Sie ehrliches Interesse zeigen. Und erinnern Sie sich ab und zu daran, wie blöd es war, als Sie jung und voller Ideen waren und die Älteren immer nur sagten „Das kennen wir alles schon, das bringt doch nichts, du wirst schon sehen …“
9. Pflegen Sie die Kommunikation mit Ihren Vorgesetzten.
Halten Sie keine Informationen zurück, sondern sorgen Sie für Transparenz, für umfassende und rechtzeitige Information. Suchen Sie auch dann das Gespräch mit der Chefin, wenn Sie Wünsche und Anregungen haben, wenn Sie sich Sorgen über Ihre weitere Entwicklung machen oder wenn Sie sich für eine neue Aufgabe positionieren möchten. Wichtig ist der regelmäßige Kontakt und die offene (nicht naive!) Kommunikation, die Vertrauen und Partnerschaftlichkeit wachsen lässt.
10. Akzeptieren Sie Arbeitslosigkeit nicht als Schicksal.
Registrieren Sie aufmerksam, was um Sie herum passiert. Verdrängen Sie nicht, wenn Entlassungen abzusehen sind, sondern strecken Sie schon vorher die Fühler aus. Es ist immer besser, sich aus einer Beschäftigung heraus zu bewerben als aus der Arbeitslosigkeit. Ihre Verhandlungsposition ist dann viel stärker. Wenn Sie dennoch arbeitslos werden, jammern Sie nicht, sondern werden Sie aktiv, qualifizieren Sie sich, bewerben Sie sich, präsentieren Sie sich. Solange Sie gute Arbeitsleistung zu bieten haben, ist Ihre Suche keineswegs aussichtslos.
"Ü40 und top im Job"
Barbara Kettl-Römer: "Ü40 und top im Job: So werden und bleiben Sie attraktiv für Ihren Arbeitgeber - oder für einen anderen". Linde Verlag, 2010. 176 Seiten. 16,30 Euro. ISBN 978-3-7093-0305-4.

Trend 5: Werte werden wichtiger als Regeln

Die IT gibt Unternehmen die Möglichkeit, die Arbeit ihrer Mitarbeiter umfassend zu analysieren. Dies kann zu Misstrauen führen und dazu, die Arbeitsprozesse stärker zu reglementieren. Andererseits gehört das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu den wichtigsten Ressourcen; weitblickende Unternehmen werden daher eher auf ein "Werte-basierendes" als auf ein "Regel-basierendes" Modell setzen.

Trend 6: Die IT übernimmt neue Aufgaben

Mit der Konsumentenorientierung von IT entstehen neue Anforderungen von Seiten der Mitarbeiter. Sie sind mit IT sozialisiert und wollen ihren selbstbestimmten Lebensstil beibehalten, wozu eben auch der Einsatz von privaten IT-Systemen wie Notebooks oder Smartphones gehört. Die IT muss solche Entwicklungen aufgreifen und zum Beispiel in Rechnung stellen, dass sich Mitarbeiter ihren Arbeitgeber auch nach dessen IT-Ausstattung aussuchen. Die IT-Verantwortlichen sollten solche über herkömmliche IT-Themen hinausreichenden Aspekte in ihren Aufgabenkatalog aufnehmen.

Trend 7: Mitarbeiter initiieren Innovationen

Die Business-Software der Zukunft wird nicht mehr ausschließlich vom Management oder von der IT konzipiert und übernommen, sondern zunehmend von den Mitarbeitern entsprechend eigener Anforderungen. Gerade für die wachsende Zahl dezentraler Organisationen sind dabei Interoperabilität und Ease-of-Use entscheidend.

Dass diese Entwicklungen weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten haben, liegt auf der Hand. Eine davon ist die zunehmende Auflösung der festen Verbindung zwischen Arbeitsprozess und Arbeitsplatz. Gerade in Internet-affinen Unternehmen arbeiten die Beschäftigten häufig nicht mehr in festen Angestelltenverhältnissen, sondern flexibel und projektbezogen, gewissermaßen "on-demand".

Die "virtuellen Teammitglieder" könnten dadurch neue Freiräume in Anspruch nehmen und zumindest zum Teil ihre Lebensplanung unabhängiger von den Vorgaben der Unternehmen gestalten. Dass die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben auf diese Weise verwischt, wird von den einen eher positiv, von den anderen vermutlich eher negativ erlebt. Und es stellt sich die Frage, in wie weit eine langfristige Lebensplanung auf dieser Basis überhaupt noch möglich ist. Welches seriöse Bankhaus wird einem vornehmlich in der virtuellen Welt lebenden Freelancer einen langfristigen Hypothekenkredit gewähren?

Doch auch für die Unternehmen wären die Folgen dieser Auflösung ambivalent. Einerseits gewinnen sie natürlich an Flexibilität und könnten die virtuellen Teams effizient und produktiv einsetzen. Andererseits ist es in diesen Beschäftigungsstrukturen schwieriger, langfristig Know-how aufzubauen und ans Unternehmen zu binden. Ebenso würde sich in diesem Zusammenhang die Frage nach Loyalität und nach dem Vertrauen zwischen dem Unternehmen und den Mitarbeitern ganz neu stellen. (ad)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer-Schwesterpublikation Computerwoche.