Mobile Usability

Sieben Gründe, warum User ihre Apps löschen

06.01.2014 von Stefan von Gagern
Wer bei Apps nicht innerhalb von Sekunden und dauerhaft mit einer guten Usability überzeugt, verliert seine Kunden an die Konkurrenz. Deshalb sollten Sie diese gern gemachten Fehler in Ihrer App unbedingt vermeiden.

Die App - das kleine nützliche Programm auf dem Smartphone oder dem Tablet - ist das Erfolgsmodell der vergangenen Jahre. "Der Krieg der Mobilgeräte ist vorbei - und die App hat gewonnen", schrieb das Tech-Magazin "Venture Beat" im Frühjahr. Zahlen des Analyse-Portals flurry.com zufolge, das die App-Nutzung auf über einer Milliarde Mobilgeräte beobachtet hat, verbringen Smartphone-Anwender heute 80 Prozent ihrer Zeit in Apps. Im Tagesdurchschnitt sind es zwei Stunden - nur noch 30 Minuten entfallen auf den mobilen Browser.

Wer nun glaubt, es genüge, eine App auf den Markt zu werfen, um kräftig mitzumischen, könnte schnell enttäuscht werden. Der Konkurrenzdruck in den App Stores ist enorm. Für jeden erdenklichen Anwendungsfall tummeln sich dort mindestens eine Handvoll Alternativen - egal, ob es ums Thema Wetter, um soziale Netze, Navigationssysteme, Fotoeffekte, Nachrichten oder Kochrezepte geht. Und findet doch einmal jemand eine Marktlücke, dauert es nur ein paar Augenblicke und schon sind auch dort die ersten Nachahmer am Start.

Apps müssen ihre Besitzer in wenigen Minuten von ihrem Alltagsnutzen überzeugen - und das immer wieder. Wenn eine App nicht ständig benutzt wird oder nicht zu bedienen ist, ist sie schnell wieder vom Gerät verschwunden. Es geht ausschließlich um diese zwei Faktoren: Alltagstauglichkeit und Benutzerfreundlichkeit. Hier werden immer wieder typische Fehler gemacht, die den Anwender zur Weißglut treiben. Wir führen einige Beispiele auf.

Mobile Usability Sünden -
Developer Garden App Monitor
Über 80 Prozent ihrer "Smartphone-Zeit" verbringen Anwender heute in Apps. Wichtig also, dass App-Entwickler auf die saubere Programmierung und eine hohe Usability achten. Werkzeuge wie der App Monitor des Developer Garden helfen bei der Prüfung.
Fehlermeldung
Denn nur durch ausgiebiges Testen können Abstürze oder gar Fehlermeldungen wie bei dieser App vermieden werden.
Dropbox Schaubild
Neue App-Features lassen sich mit einem Schaubild oft schneller erklärt werden als mit langen Texten.
Facebook Login auf Adobe Revel
Ein Facebook-Login ist ein guter Service, wie hier beim Fotosharing-Dienst Adobe Revel - sollte jedoch immer nur ein Angebot und niemals Pflicht sein.
Freemium
Das Freemium-Modell kann, wird es wie hier beim Spiel Real Racing 3 zu aufdringlich eingesetzt, den Nutzern schon einmal die Freude an einer App versalzen
Push it
Ein Blick in die Einstellungen – hier iOS 7 – zeigt: Fast jede App nutzt heute Push-Benachrichtigungen.
Pinball Arcade
Warum nicht neue Features vor der Veröffentlichung gleich mit der Zielgruppe austesten? Wie das geht, macht die Flipper-Simulation Pinball Arcade auf Facebook vor.

Der schlechte erste Eindruck

Eine neue App bekommt genau eine Chance und auch dann nur wenig Zeit, den Nutzer von ihren Qualitäten zu überzeugen. Durch die Beschreibung im App-Store, den Preis, das App-Symbol, die vielleicht vorhandenen Empfehlungen von Freunden und viele andere Faktoren entsteht beim Anwender schon eine recht genaue Erwartungshaltung. Er erwartet schnelle Antworten auf Fragen wie: Was kann die App leisten? Wie sieht sie aus? Wie ist sie zu bedienen? Wie gut funktioniert die Technik? Häufig hat er sich diese Fragen geistig bereits beantwortet, bevor er die App das erste Mal startet. Werden die Erwartungen dann nicht binnen Minuten schon beim ersten "Durchtippen" erfüllt und die App nicht sofort verstanden, ist der Daumen des Anwenders schnell wieder auf dem Löschsymbol.

Apps sollten deshalb intuitiv zu bedienen, selbsterklärend und modern sein, dazu mit solider, durchgetesteter Technik aufwarten. Niemand ist bereit, sich lange einzuarbeiten - Ausnahmen mögen komplexe Unternehmens-Apps oder die umfangreiche Tonstudio-Software für das Tablet sein. Hier ist die Erwartungshaltung dann aber auch von vornherein eine andere.

Eine gute Möglichkeit für eine schnelle Einführung sind ein paar Intro-Screens, die kurz die Funktionen der App erklären. Wer dem User noch Werbung für andere Apps des Herstellers anbietet, einen nicht weg zu klickenden Intro-Film serviert oder zu einer langwierigen Anmeldung zwingt, strapaziert die Geduld unnötig. Ein häufig gemachter Fehler ist auch, sich in zu vielen Features zu verlieren. Jede Funktion macht eine App schwieriger zu verstehen, aufwändiger und fehleranfälliger. Oft ist es besser, sich auf ein paar Kernfunktionen zu beschränken, statt den Alleskönner anzupeilen.

Neue Features können oft mit einem Schaubild schneller erklärt werden als mit langen Texten.
Foto: Stefan von Gagern

Der Kaufmannsladen

Das "Freemium"-Modell liegt schwer im Trend. Publisher bieten Kunden aufwändig programmierte Spiele oder Applikationen gratis an - die "Rechnung" kommt dann in Form von kostenpflichtigen App-ins, ohne die Spiel oder App quasi nutzlos sind. Ob Credits, Edelsteine, Season-Pässe, Premium-Abos oder Kartenmaterial - ohne diese teuren Gimmicks ist eine dauerhafte Nutzung der Anwendung kaum möglich.

An wirkliche Gratis-Apps glaubt deshalb heute kaum noch jemand - außer es wird erkennbar und oft Werbung in einer App eingeblendet. Die Folge: Die User ärgern sich über eigentlich sonst gut gemachte Apps, posten schlechte Bewertungen im App Store, auf Facebook und bei Twitter - und flüchten so bald wie möglich zur Konkurrenz. Bei dem eigentlich hervorragenden Rennspiel Real Racing 3 werden die Spieler zum Beispiel ständig für Autos, Upgrades und Strecken zur Kasse gebeten. Durchspielen ohne zu zahlen ist unmöglich. Der Spieler kommt sich vor wie in einem Laden, in dem er ständig zur Kasse gebeten wird.

Das Freemium-Modell kann, wird es wie hier beim Spiel Real Racing 3 zu aufdringlich eingesetzt, den Nutzern schon einmal die Freude an einer App versalzen
Foto: Stefan von Gagern

Das Freemium-Modell oder die Monetarisierung einer App über flexible Bezahlmodelle sind nicht grundsätzlich falsch - richtig umgesetzt, können sie eine App sogar für ein breiteres Publikum zugänglich machen. Achten Sie aber darauf, Preise und In-App-Käufe fair zu gestalten, die Kunden nicht zu oft zur Kasse zu beten und prinzipiell faire Preise anzubieten.

Mit der Tür ins Haus fallen

Die Verlockungen der Marketing-Möglichkeiten auf Smartphones und Tablets sind enorm: Warum nicht gleich nach der Installation der App auf die Kontakte und die Freundesliste des Kunden zugreifen? Den Ort abfragen? Nutzungsdaten protokollieren? Neue Twitter- und Facebook-Fans gewinnen? Spezialangebote regelmäßig auf das persönlichste aller Geräte, nämlich das Smartphone, schicken?

Grundsätzlich gilt: Kauf, Download und Installation einer App sind ein großer Vertrauensbeweis. App-Anbieter müssen damit extrem sensibel umgehen. Wer gleich mit Geschäften wie beim Gebrauchtwagenhändler ankommt ("Du empfiehlst mich an Deine Freunde und bekommst dafür Premium-Upgrade XY kostenlos") hinterlässt bei den Kunden ein mieses Gefühl. Wer nach der Installation scheinbar ohne Grund um Erlaubnis für den Zugriff auf Ort, Kontakte, Fotos fragt, wird gern gleich wieder gelöscht. Regel: Wenn Sie um Erlaubnis zum Beispiel für Ortsdaten bitten, liefern sie gleich den Grund mit. Wenn der Nutzer beispielsweise zum ersten Mal die Filialsuche antippt und darauf nach den Ortsdaten gefragt wird, ist klar nachzuvollziehen, wozu diese nun gerade jetzt gebraucht werden. Als Ergebnis wird er gerne kooperieren.

Ein Facebook-Login ist ein guter Service - wie hier beim Fotosharing-Dienst Adobe Revel - , sollte jedoch immer nur ein Angebot und niemals Pflicht sein
Foto: Stefan von Gagern

Ein Benutzerkonto mit dem Facebook-Login anzulegen, kann ein toller Service sein, wenn es einen sinnvollen Austausch der Daten gibt, die sowieso bereits bei Facebook hinterlegt sind. Wenn beispielsweise Foursquare gleich entdeckt, wenn ein Facebook-Freund bei dem Ortsdaten-Netzwerk mitmacht oder Spotify anbietet, die eigene Lieblingsmusik zu posten.

Aber posten Sie um Himmels willen nichts ohne Erlaubnis des Kunden (und bieten Sie an, das Posting "Nutzer XY hat gerade App XY installiert" zu überspringen) und gehen Sie sensibel mit seinen Kontakten um. Er wird es Ihnen nicht verzeihen, wenn Sie seine Freunde mit Spam belästigen.

Push, Push, Push!

Aus Sicht des Marketings sind Push-Benachrichtigungen ein Traum. App-Betreiber können den Kunden ohne dessen aktive Mitwirkung mitteilen, wenn es Events, Sonderangebote oder neue Download-Inhalte gibt. Die Benachrichtigung landet auf dem persönlichsten Device ganz oben auf dem Startbildschirm, dazu vibriert es auch noch und gibt einen Warnton von sich. Wie praktisch. Der durchschnittliche Smartphone- oder Tablet-Nutzer hat aber viele Apps installiert, die Push-Benachrichtigungen schicken und oft auch noch mehrere Geräte im Haus. Da wird das ganze "Gepushe" dann schnell nervtötend. Viele Anwender kennen da nur ein Gegenmittel: Sie löschen die App.

Push-Benachrichtigungen sind daher ein sensibles Thema. Sie sollten möglichst selten zum Einsatz kommen. Es bedarf schon einer Top-Meldung, eines besonders sensationellen Tagesangebots oder eines anderen dringenden Grundes, die Kunden damit zu belästigen. Das gleiche gilt für Newsletter, die App-Kunden oft automatisch erhalten, wenn sie ein Nutzerkonto per E-Mail anlegen. Auch Newsletter sollten ein Service sein, keine Belästigung.

Ein Blick in die Einstellungen - hier iOS 7 - zeigt: Fast jede App nutzt heute Push-Benachrichtigungen.
Foto: Stefan von Gagern

Betteln nach Lob

"Sie nutzen jetzt schon so und so viele Tage unsere App. Bewerten Sie uns im App Store!" Positive Nutzerwertungen im App Store sind für die Vermarkter lebenswichtig. Daher ist es doch in Ordnung, dass er ab und zu dezent danach fragt, oder? Nun ja: Wenn jemand seit Monaten eine App nutzt und noch immer keine Bewertung abgegeben hat, gibt es meist einen Grund dafür - dauerhafte Unlust, grundsätzlich kein "Bewerter"… Einen Nutzer einmal freundlich nach einer Bewertung zu fragen, ist trotzdem völlig legitim. Bei vielen Apps - oder vielleicht auch deshalb, weil es fast jede macht - kommt jedoch das Gefühl auf, sie würden ständig um Lob betteln. Deshalb: Wenn Ihre App nachfragt, in jedem Fall eine Taste mit "Nicht wieder fragen" anbieten. Und vielleicht ist es sogar besser, einfach nicht zu fragen. Wer seine Meinung kundtun will, wird es auch ohne die Aufforderung tun.

Miese Technik

Einfrieren, Abstürze, langsame Performance und leergesaugte Akkus sind laut einem Apigee-Report die Gründe, die zu schlechten App-Bewertungen, Frust und letztendlich dem Löschen der App führen. Die Todsünde ist sicherlich das Einfrieren, das zum Neustart des Geräts zwingt. Instabile oder langsame Apps macht jedoch auch kein User lange mit, bevor er sich verabschiedet und nach Alternativen Ausschau hält.

Das beste Gegenmittel ist eine gute Qualitätskontrolle. Testen Sie die App ausgiebig vor dem Veröffentlichen und vor jedem Update auf Fehler, Probleme und Performance. Testen Sie auf allen relevanten Betriebssystemen und Geräten. Aber Vorsicht: Unter iOS kann das aufwändig sein und unter Android zum Albtraum werden. Die stark fragmentierte Plattform ist mit zahlreichen Kombinationen an Geräten, Versionen, Bildschirmgrößen und Fehlerquellen wie Wechselwirkungen mit anderen Apps kaum geeignet fürs umfassende Testen. Inzwischen gibt es aber spezielle Testumgebungen für App-Entwickler wie den Developer Garden App Monitor oder Testobject, die bei Fehlersuche und Bugfixing helfen.

Abstürze oder gar Fehlermeldungen wie bei dieser App müssen durch ausgiebiges Testen vermieden werden.
Foto: Stefan von Gagern

Fehlende Pflege

Manchmal gibt es großartige Apps, die alles richtig machen. Mit der Zeit wenden sich ihre Entwickler jedoch neuen Projekten zu. So gibt es keine neuen Features mehr, kein Update, das Optik und Technik an das neue Betriebssystem anpasst. Das kürzlich veröffentlichte Apple iOS 7 beispielsweise verlangt eine ganz andere "Designsprache" als seine Vorgänger. Die User verzeihen es, wenn es etwas dauert, bis eine App an neue Systeme und Hardwaregenerationen angepasst wird. Wirkt die App jedoch irgendwann verlassen, verlassen sie auch die User. Merkregel: Wer eine App auf den Markt bringt, muss wie bei einer Website mit regelmäßigen Updates und Pflege rechnen.

Nicht zuhören

"Wann kommt endlich das Update mit dem Offline-Modus?", "Wo bleibt die Anbindung an xyz": Vieles in derart liest man täglich in den Bewertungen in den App-Stores. Wer eine erfolgreiche App auf dem Markt hat, sollte sich regelmäßig in App Stores und Social-Media-Kanälen dahingehend umhören, was sich die User wünschen, kritisieren und vorschlagen. Wer auf Wünsche, Beschwerden und Probleme reagiert und sich kommunikationsfreudig zeigt, wird von seiner Community geschätzt. Wer sie ignoriert, riskiert schlechte Stimmung, die sich gerade im Social Web wie ein Lauffeuer verbreitet.

Warum nicht neue Features vor der Veröffentlichung gleich mit der Zielgruppe austesten - wie es die Flipper-Simulation Pinball Arcade auf Facebook vormacht.
Foto: Stefan von Gagern

App-Anbieter sollten eine eigene Facebook-Seite für jede ihre Apps einrichten, auf der sich die User austauschen und wichtige Erweiterungen und Updates angekündigt werden können. Serviceanfragen können so öffentlich abgehandelt werden und es muss nicht jeder User einzeln die Hotline oder E-Mail-Adresse bemühen. Wer die Kommunikation richtig nutzt, kann sich teure Marktforschung oder Brainstormings für künftige Versionen sparen, da die besten Ideen oft direkt aus der Community kommen. (sh)