Service als Schlüssel

14.10.1998
Niedrige Preise und hohe Investitionen allein sind auf dem Markt für Telekommunikation keine Garanten für Erfolg. Entscheidend ist vielmehr die Art der Kundengewinnung und Kundenbindung, wie die Andersen-Studie "Telecommunication - The German Market" zeigt.

Von: Konrad Buck

Nach einer Untersuchung der Sulzbacher Unternehmensberatung Andersen Consulting zur Situation am hiesigen TK-Markt sind insbesondere die Investitionen der Anbieter in Infrastruktur mit großen Risiken behaftet. "Immer leistungsfähigere Übertragungsmedien sorgen dafür, daß die Übertragungswege selber zunehmend an Bedeutung verlieren", so Thomas Herbst, zuständig für Telekommunikation bei Andersen und Autor der Studie.

Schlechte Karten also für Mannesmann, RWE/Veba und Viag, die hohe Summen in den Ausbau eigener Infrastrukturen gesteckt haben? Nicht unbedingt, meint Herbst. Alle genannten Anbieter sähen ihre Festnetz-Flickenteppiche vielmehr als Teilstücke neuer "Fixed/Mobile"-Strukturen, mit denen dem Ex-Monopolisten ab 1998 Paroli geboten werden soll.

Wer Fest- und Mobilnetze kombiniert, kann vom Mobilfunkboom im Privatkundenbereich profitieren. Die dort gesammelten Erfahrungen lassen sich auf den Festnetzbereich übertragen und die Funktechnik zur Überbrückung der "letzten Meile" benutzen. Zwar reichen die Kapazitäten der Funknetze nicht für eine landesweite Vollversorgung aus, aber um die ersten sechs Monate auf Kundenzuwächse vorbereitet zu sein, reichen sie allemal.

Erfolgsfaktoren für Kundenzufriedenheit

Die Andersen-Strategen haben mehrere Erfolgsfaktoren für Kundenbeziehung und Kundenzufriedenheit ausgemacht: Als wichtigstes Instrument zeichnet sich die portable Telefonnummer ab, über die ein Teilnehmer universell erreichbar ist, gleich in welchem Netz er sich befindet. Hinzu kommen maßgeschneiderte Tarifstrukturen, um den einfachen Telefonanschluß gebündelte Zusatzdienste, die auch von außerhalb des Kerngeschäfts stammen können. Auch ist die Telefonrechnung mittlerweile als individuelles Informationsmedium erkannt worden. Letztere kann Thomas Herbst zufolge für das Angebot günstiger Tarifstrukturen oder intelligenter Services genutzt werden.

Die Ankündigung eines neuen Zeitalters der Kundenfreundlichkeit kommt laut Herbst nicht von ungefähr. Carrier und Provider sind gezwungen, sich im Wettbewerb durch ihren Marketingmix zu differenzieren und damit Profitabilität zu erreichen.

Hinzu kommt, daß die Anbieter von Kommunikationsdiensten in einem komplexen und schnellebigen Umfeld operieren. Die Telekommunikation mündet in einem zunehmend konvergierenden Markt für multimediale Kommunikation, Information und Unterhaltung. Künftige Key Player sind somit neue globale Infotainment-Anbieter. Weltweit operierende Konzerne bauen gegenwärtig Infrastrukturen auf, in denen der Kunde von morgen an seinem PC oder Fernseher alle Dienste nutzen kann, die über Netze anwendbar oder konsumierbar sind.

Für den Konsumenten heißt das: Im nächsten Jahr wird nicht nur das Telefonieren teurer. Auch für alle zusätzlich angebotenen Zusatz-Services wie Onlinedienste oder den Pay-TV-Rückkanal wird der König Kunde demnächst mehr berappen. Auf welche Preisentwicklungen sich der Verbraucher einstellen muß, läßt sich aus der Andersen-Studie nur indirekt ablesen. Im Vergleich der durchschnittlichen jährlichen Telefonausgaben privater Haushalte schneiden die bundesdeutschen Verbraucher vergleichsweise gut ab. Benutzt werden hier allerdings Zahlen der OECD, welche die Telekom bereits im zweiten Quartal dieses Jahres als Argumente gegen Vorwürfe zu hoher Tarife für ihre Services veröffentlicht hatte.

Schuß vor den Bug

Konkretere Aussagen in puncto Preise wollte und konnte Andersen-Herbst nicht treffen. Zu stark ist die Branche noch in Bewegung, zu viele Parameter liegen noch nicht fest. Erst Mitte September konnte sich das BMPT zu einem Schuß vor den Bug des TK-Riesen Telekom durchringen. In Sachen Nutzungsentgelt legte Noch-Minister Wolfgang Bötsch fest, daß die politisch gewollten Wettbewerber für die "City"-Zone in der Zeit von 9 bis 21 Uhr nur 1,97 Pfennige statt den von der Telekom geforderten 4,58 Pfennigen pro Minute bezahlen müssen.

Aber wo viel verdient werden kann, da ist auch der Einsatz hoch. Andersen Consulting zufolge wurden am hiesigen TK-Markt mit Equipment und Diensten insgesamt 42 Milliarden ECU umgesetzt. Bis 1998 sollen die Umsätze um etwa sechs Prozent steigen. Zwar haben die alternativen Carrier ein breit gefächertes Portfolio an Produkten und Services aufgebaut, dabei aber "den wichtigen Aspekt der Nachfragegenerierung drastisch vernachlässigt", so Herbst. Hinzu kommt der Personalnotstand bei den neuen Carriern. Es sei zwar möglich, Mitarbeiter bei der Telekom abzuwerben. Aber diejenigen, die man dann bekomme, würden nicht unbedingt dazu beitragen, Innovationen in den Markt zu bringen.

Carrier investieren 25 Milliarden

An Beschäftigungstrends haben die Unternehmensberater - die im TK-Bereich derzeit hierzulande allein die Telekom unter Vertrag haben - ausgemacht, daß unter dem Strich in den nächsten Jahren etwa 8000 neue Stellen geschaffen werden. Den etwa 30.000 Freistellungen bei der Telekom stünden insgesamt 38.000 Arbeitsplätze bei Arcor (15.000), Otelo (10.000), Viag Interkom (9000) Thyssen Telecom (1000) und anderen (3000) gegenüber.

Umgekehrt proportional zur Beschäftigungsprognose ist die erwartete Verteilung bei den Investitionen. Mannesmann Arcor, Otelo, Viag Interkom und Thyssen Telecom haben sich vorgenommen, zusammen 25,2 Milliarden Mark in den nächsten fünf bis zehn Jahren auszugeben (9, 7, 8,5 und 0,7 Milliarden respektive), während die Telekom in den vergangenen fünf Jahren 136 Milliarden Mark investierte.

Für die Wettbewerber prognostiziert Andersen ausgehend von heute 9 Milliarden Mark Umsätze von etwa 19 Milliarden Mark bis zum Jahr 2000 und zirka 33 Milliarden Mark bis 2003. Demgegenüber soll der Turnover der Telekom von gegenwärtig 66 auf 79 Milliarden Mark in 2000 und auf 95 Milliarden in 2003 steigen. Zusammen könnten die Herausforderer bis 2003 einen Marktanteil von etwa 25 Prozent erreichen.

Broker suchen günstigste Verbindungen

Auf den Ausgang der Entwicklungen braucht der Kunde indessen nicht zu warten. Bis Anfang nächsten Jahres werden ausreichend viele Netz- und Diensteanbieter eine Lizenz erhalten, Interconnect-Vereinbarungen getroffen und Durchleitungstarife ausgehandelt haben. Und dann beginnt die Zeit der Broker, die für ihre Kunden die günstigste Verbindung, den besten Service und den größten Mehrwert zu ergattern versuchen.

Um bis zu 30 Prozent wird auch ein privater Kunde seine Telefonkosten senken können. Bereits seit über drei Jahren tummeln sich Anbieter von Call-Back- und Dial-In-Diensten im deutschen Telefonmarkt. Dial-In-Spezialisten wie Telepassport, Talkline, Debitel, Netnet sowie Mannesmann Arcor mischen den Markt von unten her auf. Ihr Trick ist das sekundenschnelle Herausfinden der jeweils preiswertesten Verbindungsstrecke mittels Computertechnik ("Least Cost Routing"). Dieser Service war bis dato nur Unternehmen vorenthalten, die sich die notwendige Hard- und Software (zwischen 1500 und 12.000 Mark) für die Verbindung zum Leitungs-Broker leisten konnten.

Gemeinsam mit dem Marburger Softwarehaus Tedas hat Telepassport jetzt das Programm "Phoneware für ISDN 1.7" zu Preisen zwischen 300 und 500 Mark auf den Markt gebracht. Jetzt kann jedermann die Tarifstruktur von Telepassport zu Einsparungen nutzen: Bis zu 25 Prozent sind in Deutschland möglich bei Entfernungen über 50 km werktags zwischen 9.00 Uhr und 18.00 Uhr. Verbindungskosten zu Mobilfunknetzen lassen sich um bis zu 32 Prozent reduzieren. Ins europäische Ausland telefonieren Telepassport-Kunden um rund 16 Prozent billiger, nach Übersee sogar bis zu 50 Prozent. (cep)

Literatur

[1] Telecommunication - The German Market, Andersen Consulting, Sulzbach, http://www.ac.com,

Fax: 06196/576433