SDSL drängt in den Markt

05.05.2000
Traditionelle Festverbindungen bekommen zunehmend Konkurrenz durch alternative Breitbandtechniken. Außer Punkt-zu-Multipunkt-Funkverbindungen und Richtfunk sind die ersten SDSL-Dienste (Symmetric Digital Subscriber Line) verfügbar. Mit Flatrates und individuellen Angeboten locken sie vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen und könnten einen Preisverfall bewirken.

Von: Hartmut Lüerssen

"Digital Subscriber Line" (DSL) ist nicht nur bei der Telekom in Mode. Auch andere Netzbetreiber und Internet-Serviceprovider haben ADSL-Dienste (ADSL = Asynchronous Digital Subscriber Line) angekündigt, die sich an private Endkunden richten. Beispielsweise steht das ADSL-Roll-out von Mannesmann Arcor unmittelbar bevor, wobei zunächst nur Bandbreiten bis 128 kBit/s angeboten werden. Warum nicht ADSL für Geschäftskunden? Die Telekom offeriert diesen Service als Produkt "T-Interconnect", sagt aber nicht, wie groß die Nachfrage ist. Solange nur ein schneller Internet-Zugang benötigt wird, reicht ADSL vollkommen aus. Dort fließen die Daten hauptsächlich in Richtung Endgerät, mit Telekom-Download-Raten von bis zu 6 MBit/s. Problematisch für den Unternehmenseinsatz ist der auf maximal 576 kBit/s begrenzte Uplink. Viele typische Unternehmensanwendungen setzen eine symmetrische Verbindung voraus. Seien es Server-basierte Anwendungen wie Terminal-Sitzungen, LAN-LAN-Kopplungen oder Videokonferenzen - ohne gleiche Bandbreite für beide Richtungen geht es nicht.

Techniken wie SDSL schaffen eine Plattform für Services, mit denen sich Provider differenzieren können. Mit der entsprechenden Bandbreite lassen sich Datendienste der nächsten Generation professionell vermarkten. Mit Walkie-Talkie-Sprachqualität bei Voice-over-IP (VoIP) kann kein Anbieter Kunden locken, auch wenn die Tarife noch so günstig sind. Im Gegenzug sind Unternehmen auch bereit, für Dienstleistungen zu bezahlen. Mit der Bandbreite rückt der angebotene Dienst in den Mittelpunkt der Geschäftsbeziehung. Welche Technik im Hintergrund für einen reibungslosen Betrieb sorgt, spielt bei der Verhandlung zwischen Kunden und Provider meist eine untergeordnete Rolle. So werden auch Angebote entstehen, die in der einen Stadt auf Punkt-zu-Multipunkt-Funktechnik setzen und in einer anderen auf Digital Subscriber Line. Viel wichtiger als eine bestimmte Technik wird ein flächendeckendes Angebot, für das Provider wie Cybernet oder CCN aus München auch gerne auf mehrere Netzbetreiber setzen, in beiden Fällen auf QSC und Highway One.

Das Preisgefüge gerät ins Wanken

Bisher kosten 2-MBit/s-Festverbindungen ohne zusätzliche Services mit einer Verfügbarkeit von 98,5 Prozent im Jahresmittel mehrere tausend Mark monatlich, auch abhängig vom übertragenen Datenvolumen. Zwar sind die Preise seit der Liberalisierung des Telefonmarktes bereits gesunken, durch die alternativen Breitband-Techniken dürfte sich dieser Prozess aber noch verstärken. Momentan deutet jedenfalls alles darauf hin. Zu den ersten Netzbetreibern, die Unternehmenskunden mit SDSL erreichen, gehören Highway One aus München, KKF.Net aus Minden sowie die Kölner QS Communications AG. Alle drei Unternehmen haben den Roll-out ihrer Services gestartet und aggressive Preisstrukturen vorgelegt.

KKF.Net bietet Flatrates mit verschiedenen Übertragungsgeschwindigkeiten an. So kosten beispielsweise symmetrische 1,5 MBit/s ohne Volumenbegrenzung monatlich rund 1 700 Mark netto zuzüglich einmaliger Installationskosten von 500 Mark bei einer dreijährigen Vertragslaufzeit. Der SDSL-Router, den der Netzbetreiber im Unternehmen installiert, wird nicht zusätzlich berechnet, sondern durch die Installation und die monatlichen Pauschalraten finanziert. Er bleibt aber auch im Besitz des Netzbetreibers. Momentan sind die Geschwindigkeiten auf 1,5 MBit/s beschränkt, ab Juli sollen an allen Standorten volle 2,3 MBit/s verfügbar sein. Aktuell bietet KKF.Net Einwahlpunkte in Bielefeld, Minden und Hannover, ab Mitte des Jahres sollen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Köln folgen. Auch der 45-MBit/s-Backbone soll dabei auf 155 MBit/s erweitert werden.

Das gleiche Anschlusskonzept mit vorkonfigurierten Leih-Routern verfolgt auch die QSC AG, die Bandbreiten zwischen 144 kBit/s und 2,3 MBit/s anbietet. Die monatliche Pauschale für 2,3 MBit/s kostet gegenüber den Vertriebspartnern 890 Mark zuzüglich 480 Mark Installationskosten bei 24 Monaten Laufzeit. Die Preise geben den Vertriebspartnern genügend Raum für eigene Wertschöpfung. Ob alle Serviceprovider, die als Vertriebspartner mit QSC zusammenarbeiten, auch Flatrates anbieten, bleibt abzuwarten. Cybernet gehört jedenfalls dazu, hat aber auch volumenabhängige Produkte im Angebot. Welcher der Tarife jeweils am günstigsten ist, müssen die Unternehmen anhand ihres Bedarfs ermitteln. Typischerweise gibt es von der Geschwindigkeit abhängige monatliche Grundgebühren und extra zu bezahlende Volumina sowie höhere monatliche Pauschalraten als Flatrate. Während CCN beispielsweise monatlich 4 GByte freies Datenvolumen bei der 2,3-MBit/s-Variante in der Grundgebühr von rund 1 600 Mark gewährt, berechnet Cybernet das gesamte Datenaufkommen. Alternativ kostet dort beispielsweise eine Flatrate über das Netz von Highway One mit einer Bandbreite von 1024 kBit/s monatlich rund 3000 Mark. Die Parallelen zwischen den SDSL-Pionieren setzen sich auch bei der Verfügbarkeit fort, die Vertriebswege unterscheiden sich jedoch. QSC ist bisher in Köln, Düsseldorf, Hamburg, München und Berlin am Netz, als nächstes sollen Essen, Dortmund, Stuttgart und Bremen folgen. Highway One hat bereits Kunden in München, Mainz, Wiesbaden und Offenbach an den eigenen 155-MBit/s-Backbone angeschlossen. Mitte des Jahres will das Unternehmen seinen Service auch in Augsburg, Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Mannheim und Frankfurt bereitstellen, außerdem in Bad Homburg, Düsseldorf, Remscheid, Solingen und Wuppertal.

KKF.NET startete zunächst in der niedersächsischen Provinz. Während KKF.Net auf direkten Vertrieb setzt, arbeitet Highway One sowohl mit direktem als auch mit indirektem Vertrieb und hat in München, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf eigene Filialen eröffnet. Die QS Communications AG nutzt vorerst nur den indirekten Vertrieb über Partner wie Cybernet oder CCN und vertraut auf Kooperationen für die Entwicklung neuer Dienste. Sie hat sich beispielsweise mit Talkline verbündet, um Sprachdienste über SDSL anzubieten. Das Projekt startet im Sommer. Anders als Full-Rate-ADSL, das mit einem Splitter arbeitet und das parallele Nutzen von ISDN und ADSL über dieselben Kupferleitungen gewährleistet, belegt SDSL das Kupferkabel allein. Die Technik erlaubt aber durch die hohe Bandbreite von bis zu 2,3 MBit/s, dass ein Teil des Links für Sprachkanäle reserviert wird und die Telefonie so im Servicepaket als Mehrwert mit enthalten sein kann.

Stand der Technik

Wenn sich ein Unternehmen für eine SDSL-Standleitung entscheidet, installiert der Netzbetreiber vor Ort einen SDSL-Router. Dieser wird mit einem "DSL Access Multiplexer" (Dslam) verbunden, der in einem Hauptverteiler der Telekom steht. Von dort aus fließen die Daten auf den Backbone des Netzbetreibers, der typischerweise ringförmig aufgebaut ist. Sowohl Highway One als auch QSC haben sich durchgängig für SDSL-Technik von Lucent Technologies entschieden. KKF.Net nutzt Nokia-Equipment. Die Geräte entsprechen den US-Standards. Während in den USA schon seit einiger Zeit SDSL-Dienste verfügbar sind, betreten die Anbieter in Europa Neuland. Hier sind auch noch einige Details zu klären: Die Standardisierungsgremien "European Telecommunications Standards Institute" (ETSI) und "International Telecommunication Union" (ITU) haben noch keinen Standard für SDSL definert. Darin sehen einige Experten ein Problem für die Netzbetreiber. In den USA läuft der SDSL-Dienst über analoge "Pots-Leitungen" (Pots = Plain Old Telephone Service). In Deutschland sind die Leitungen digital. Darum lasse sich der Standard des "American National Standards Institute" (ANSI) nicht ohne weiteres auf europäische Verhältnisse übertragen, heißt es. Für den Netzwerkriesen Cisco ein Grund, den europäischen Markt erst nach abgeschlossener Standardisierung zu beliefern. Das Problem sei, dass es beim Einsatz von US-Geräten zu Interferenzen zwischen SDSL-Daten und ISDN-Sprachverkehr in den Leitungen der Telekom kommen könne. In einem solchen Fall dürfte die Telekom sogar den Roll-out im Störungsgebiet stoppen. Diese Problematik erwarten die Breitband-Anbieter anscheinend nicht. Sie vertrauen auf die Erfahrungen ihrer Ausrüster. Läuft alles wie geplant, bietet QSC bis Ende des Jahres in 40 Städten SDSL-Verbindungen an. Auch Highway One und KKF.Net wollen weiter expandieren. Der Markt ist da.