Schwarzes Kästchen vorgestellt

14.10.1998
Hat ein Konzern wie IBM erst einmal erkannt, welche Kraft im Internet steckt, dann setzt ein produktives Umdenken ein: Auf einmal sind alle Produkte Web-tauglich, und der Riese hilft sogar einem Mittelständler, kommerzielle Erfolge im Internet zu landen. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen interpretiert IBM den Netzwerkcomputer als würdigen Nachfolger für die Terminals.

Von: Hans-Jörg Schilder

Auf "Lösungen, die sicher, skalierbar und stabil sind", setzt Sanjaya Addanki, der Vice-Präsident der IBM-Abteilung Networking Computing Solutions. Dafür lieferte er Anfang November die ersten Beispiele: Der Netzwerkcomputer und auch mehrere Softwareprodukte wurden erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Dabei scheint der Netzwerkcomputer (NC) niemanden aus der Fachwelt zu beeindrucken. Nur drei oder vier der fast 50 Journalisten nahmen nach der Pressekonferenz die Gelegenheit wahr, sich ein kleines Testnetzwerk anzuschauen, an das ein NC-Terminal angeschlossen war.

Der NC gibt auch nur wenig Spektakuläres her. Konzipiert für den Ersatz von Terminals, wird er vorzugsweise für Banken, Versicherungen und Unternehmen interessant sein, die im AS/ 400- oder Mainframe-Umfeld Client/Server-Anwendungen fahren. In der Testinstallation basierte der Windows-NT-Server auf einem darunterliegenden X-Windows-Betriebssystem. Das Terminal präsentiert dem Nutzer einen Windows-Bildschirm, aus dem er sich die verschiedenen Anwendungen zur Textverarbeitung oder für das Internet laden kann. Standardmäßig verfügt der NC über eine parallele und eine serielle Schnittstelle sowie einen PCMCIA-Steckplatz, so daß für eine zusätzliche Speichererweiterung Platz vorhanden ist. Ethernet- beziehungsweise optional Token-Ring-Steckplatz sowie Tastatur-, Monitor- und Mausanschluß sind ebenfalls vorgesehen. Der Arbeitsspeicher umfaßt standardmäßig 16 MByte, die sich auf 32 oder 64 MByte aufrüsten lassen.

Wunschliste zeigt Schwächen des NC

Spannender ist die Frage, was noch nicht in dem schwarzen, zigarrenschachtelgroßen NC eingebaut ist: Da fehlen zum Beispiel eine Soundkarte und ein Headset-Anschluß für CTI-Anwendungen. Auch Modem- oder ISDN-Steckplätze sucht der Anwender vergeblich. Dieser Thematik will sich Addanki persönlich widmen, da der NC, versehen mit einem ISDN-Port, zu einem interessanten Telearbeitsplatz werden könnte. Ebenfalls in der nächsten Version soll ein Autosensing für 10/100-Fast-Ethernet-Anwendungen eingebaut werden. Softwareseitig fehlen SLIP und PPP. Es bleibt also noch jede Menge zu tun für die IBM-Entwickler.

Eindrucksvoll sind die Installation und das Management der Konsole. In einem Menü werden die IP-Adressen und weitere Eingaben erstellt, die der NC zum Booten benötigt. Der Startvorgang dauert in etwa so lange wie beim PC. Das Netzwerkmanagement ist im Gegensatz zu PCs stark vereinfacht, da der Administator die Bildschirme und Zugriffsmöglichkeiten für die jeweiligen Abteilungen vorgibt. Manipulationsmöglichkeiten sind dank fehlendem Diskettenlaufwerk eingeschränkt, da weder virenverseuchte Datenträger eingelegt werden können noch unlizenzierte Software kopiert wird. Das Gerät soll zur CeBIT in Serie produziert werden und 1200 Mark kosten.

Nachdem verschiedene gleichwertige Produkte - Sun mit einem realen NC, Microsoft/Intel mit Ideen - auf den Markt kommen, stellt sich die Frage nach den Unterscheidungsmerkmalen. Addanki nennt den wesentlichen Grund für eine Kaufentscheidung: die Anzahl der unterstützten Server-Betriebssysteme. IBM erlaubt neben den eigenen Systemen (AS/400 und RS 6000) auch den Anschluß an Windows-NT-Server und OS/2. Dagegen läßt sich der NC von Sun nur in der Solaris-Umgebung betreiben.

Nur noch Internet-fähige Software

Für die Clientel der mittelständischen Unternehmen hat IBM "Net.Commerce" entwickelt. Die Software ist ein Teil von "Commercepoint", das sich wiederum in sieben Elemente gliedert. In einer Art elektronischer Versandhauskatalog lassen sich die Angebote eines Unternehmens dank Net.Commerce im Web-Format darstellen. Statistikprogramme erleichtern die Auswertung der einzelnen Zugriffe. Die Windows-Software kommt im März auf den deutschen Markt. Erste Erfahrungen mit Intranet-Lösungen von IBM stellten Bertelsmann und die Deutsche Bank vor. Das Finanzunternehmen geht davon aus, daß die Kosten für Banktransaktionen dank Internet auf 25 Pfennig zurückgehen. In puncto Sicherheit setzt das Unternehmen auf SET (Secure Electronic Transaction) und die 1024-Bit-Verschlüsselung. Bertelsmann bietet seinen Abonnenten Fachzeitschriften an, die sich via Browser lesen lassen. Doch hier tritt zutage, was für Internet-Anwendungen derzeit symptomatisch ist: Geld wird keines verdient.