Schnelle Schaltstelle

26.11.1998
Mit dem Test eines Mittelklasse-Switches startet gateway die gemeinsamen Testaktivitäten mit dem European Advanced Networking Test Center (EANTC) in Berlin. Der Hitachi HS160 glänzt mit überdurchschnittlichem Komfort und erweist sich als hart im Nehmen - in den meisten Bereichen jedenfalls.

Von: Herbert Almus, Christoph Hammerschmidt

Typischerweise verbindet der HS 160 innerhalb eines Unternehmensnetzes Workgroup-Segmente mit einem ATM-Backbone. Laut Hersteller ist er ausgelegt für Client-Server-Umgebungen mit branchenüblichen betriebswirtschaftlichen Applikationen sowie für Multimemdia-Anwendungen, beispielsweise Videokonferenzen. Das Gerät verfügt über zwölf Autosensing-Ports für Ethernet beziehungsweise Fast-Ethernet sowie zwei ATM-Uplinks der Kategorie OC-3c (155 MBit/s). Letztere lassen sich sowohl unabhängig voneinander als auch gemeinsam betreiben, um die Ausfallsicherheit zu erhöhen. Den Listenpreis gibt der Hersteller mit "unter 20 000 Mark" an.

Die Tests an dem Switch lassen sich aufteilen in Einzelgerätetests und solche, bei denen zwei Prüfkandidaten als Edge Devices über ihren ATM-Uplink an einen ATM-Switch angeschlossen waren. Dieser leitete die Datenpakete an den jeweils anderen HS160 weiter. Als ATM-Switch wurde hier ein LS1010 von Cisco eingesetzt. Die Wahl fiel auf dieses Modell, weil seine Durchlaufzeit praktisch unabhängig von der Belastung ist und dazu mit 20 bis 22 µs sehr niedrig ausfällt.

Die Einzeltests erstrecken sich wiederum auf eine Anzahl von Meßreihen, nämlich:

Durchsatz bei verschiedenen Paketgrößen, Latenzzeiten bei verschiedenen Pakegrößen und Auslastungsgraden, Paketverlustmessung, X-Stream und Head-of-Line-Blocking.

Bei den Messungen, in denen zwei miteinander verbundene Geräte getestet wurden, führte das Labor im wesentlichen die gleichen Meßreihen durch. Lediglich die X-Stream-Messungen ersetzte es durch einen Backbone-Switching- Test.

Durchsatz läßt keine Wünsche offen

Die Durchsatzmessungen sind ein grundlegender Leistungsindikator. Dabei wird jeweils ein Fast-Ethernet-Datenstrom von einen Eingangsport A auf einen korrespondierenden Ausgangsport B geleitet. Eine Meßvorrichtung - in unserem Fall ein "Smartbits"-Generator von Netcom Systems - erzeugt die Datenpakete. Sie zählt auch, wie viele davon der Switch in jeder Sekunde vom Eingangs- zum Ausgangsport "durchreicht". Im Rahmen einer Meßreihe wird die Paketgröße schrittweise von 64 auf 1518 Byte erhöht. Die Messungen erfolgen in der Betriebsart Full Duplex. Das Labor führte dabei jeweils fünf Datenströme parallel durch den Switch: Von Port 1 nach Port 6, von Port 2 nach Port 7 und so weiter.

In puncto Durchsatz erwies sich der Hitachi-Switch als optimales Gerät. Es schaffte bei jeder Framegröße den physikalisch maximal erreichbaren Durchsatz. Bei einer Netzlast von 100 Prozent und einer Framegröße von 64 Bytes beläuft sich dieser auf 148 810 Pakete je Verbindung. Je größer die Datenpakete, desto weniger lassen sich naturgemäß pro Zeiteinheit über jede Verbindung schleusen. Bei maximaler Paketgröße kommen nur noch 8127 Pakete pro Sekunde durch. Mehr geht allerdings auch unter physikalischen Gesichtspunkten nicht.

Eine Variante des Durchsatztests ist der sogenannte Back-to-Back-Test. Das Verfahren ist in der Norm RFC 1241 der Internet Engineering Task Force (IETF) definiert. Dabei werden Ethernet-Frames fester Länge bei der kürzesten zulässigen zeitlichen Verzögerung zwischen den einzelnen Frames auf den Switch gegeben. Das Testgerät erreichte hier ebenfalls die Grenze des Möglichen.

Auch die Latenzzeit ist eine wichtige Größe für die Einordnung eines Switches. Sie definiert die Verzögerung beim Transport eines Ethernet-Frames durch den Switch. Mit zunehmender Frame-Größe steigt zwangsläufig auch die Latenzzeit. Diese Messungen führten wir ebenfalls mit fünf parallelen Datenströmen durch. Der HS160 kommt in dieser Disziplin auf Werte zwischen 14,42 µs (Paketgröße 64 Bytes) und 128,2 µs (Paketgröße 1518 Bytes), jeweils bei voller Belastung. Das bedeutet Note "gut". Positiv ist anzumerken, daß die gemessenen Werte dicht beieinander liegen, es gab also praktisch keine "Ausreißer". Für die solide Konstruktion des Geräts spricht auch, daß die Latenzzeit bei steigender Last nur unerheblich anstieg.

An seine Grenzen stieß der Switch indessen beim sogenannten X-Stream-Test. Dieser ermittelt den Durchsatz eines Switches bei gleichzeitigem Senden und Empfangen zwischen mehreren Ports. Werden beispielsweise zehn Ports eingesetzt, so sendet ein Port mit zehn Prozent seiner Kapazität Daten an die anderen Ports und empfängt von diesen gleichzeitig Daten. Senden alle anderen Ports ebenfalls mit zehn Prozent ihrer Kapazität, so beansprucht der empfangene Datenstrom 90 Prozent der Bandbreite jedes Ports. Weil jeder Port dabei gleichzeitig senden und empfangen muß, belastet dieser Test den Switch in besonderem Maße. Auch gegenüber dem einfachen Durchsatztest stellt dieser Check eine deutlich höhere Belastung dar.

X-Stream-Test bringt Switch ins Schwitzen

Diese Art von Test mag etwas theoretisch anmuten, denn er setzt eine Situation voraus, die in der Praxis so wohl eher selten anzutreffen ist. Dennoch hat er seine Berechtigung: Auch der Verlust einer scheinbar niedrigen Anzahl von Zellen kann die Gesamtleistung eines Netzes deutlich beeinträchtigen. Das ist darauf zurückzuführen, daß zusammenhängende Datenblöcke bereits auf hö-heren Protokollschichten fragmentiert werden, bevor sie zum Versand an niedrigere Protokollschichten weitergegeben werden.

Wenn nun auch nur eines dieser Frame-Segmente auf seinem Weg durch das Netz verlorengeht, muß der gesamte Datenblock neu gesendet werden. Die Folge ist eine deutlich höhere Belastung des Netzes.

In diesem Testdurchgang nutzten wir zehn der zwölf vorhandenen Ports. Wiederum variierten wir schrittweise Paketgröße und Gesamtlast. Jetzt zeigte sich, daß auch ein HS160 nicht beliebig belastbar ist. Besonders die kleinen Pakete sind es, die dem Gerät zu schaffen machen. Bei einer Paketgröße von 64 Bytes fängt der Switch bereits bei 30 Prozent Last an, sich zu verheddern und Pakete wegzuwerfen. Bei 512 Byte großen Frames sieht die Situation etwas besser aus; allerdings treten hier ab etwa 75 Prozent Last ebenfalls Verluste auf. Mit sehr großen Paketen (1518 Byte) kann der Switch am besten umgehen - hier bleibt er standhaft bis 95 Prozent der Vollast.

Der nächste Durchgang in unserem Testprogramm sollte zeigen, ob der interne Puffer des Switches groß genug bemessen ist: Wenn ein Puffer durch einen Datenstrom nach Port A überlastet ist und dabei auch den Versand zu Port B blockiert, spricht man von "Head-of-Line-Blocking" (HOLB). Der HS160 verfügt über einen gemeinsamen Datenpuffer von 4 MByte für alle Ports.

Weil große Datenpakete mehr Kapazität benötigen als kleine, verursachen bei diesem Test eher die ersteren Probleme. Mit Datenpaketen bis 256 Bytes tritt der Blockierungseffekt überhaupt nicht auf. Bei 512-Byte-Paketen kommt es ab einer Belastung von 99 Prozent der Vollast zu dem Effekt. Bei 1024 Bytes ist HOLB bereits ab 55 Prozent der Last zu beobachten; bei maximaler Paketgröße beginnt der Leistungseinbruch bei 51 Prozent.

Die bisherigen Tests betrafen ausschließlich den (Fast)-Ethernet-Teil des HS160. Nun galt es, eine Anordnung mit zwei HS160 zu testen, die über ihren ATM-Uplink und einen ATM-Switch miteinander verbunden waren (siehe Bild 3). In diesem Szenario ist zu beachten, daß sich nicht die volle OC3-Bandbreite von zwei mal 155 MBit/s wirklich nutzen läßt. Der Overhead auf dem physikalischen Layer sowie der ATM-Zell-Header beschränken den maximal erreichbaren Durchsatz auf lediglich zwei mal 135 MBit/s.

ATM-Tests bestätigen das Bild

Die Leistung sackt bei diesem Aufbau gegenüber der Vermittlung über die lokalen Ports teilweise deutlich ab. Das betrifft wiederum nur Pakete mit weniger als 512 Bytes; bei größeren Paketen verhält sich der Switch untadelig.

Die Latenzzeiten in dieser Anordnung liegen im Rahmen unserer Erwartungen. Allerdings waren bei kleinen Paketgrößen und hohem Datenaufkommen wieder Zellverluste zu verzeichnen. Bei Frame-Größen von 64 Bytes ging bis 70 Prozent Auslastung alles gut, danach setzten Probleme ein. Steigt die Last gar auf 100 Prozent, so verwirft der Switch immerhin 27 Prozent der gesendeten Zellen. Bei Paketen mit 128 Bytes und 256 Bytes beginnen die Ausfälle erst bei über 90 Prozent Last, und die Verluste bleiben deutlich niedriger als bei 64 Bytes. Paketgrößen zwischen 512 und 1518 Bytes verursachten keinerlei Zellverluste mehr, auch nicht bei hohen Auslastungen bis 100 Prozent.

Der Back-to-Back-Test, den wir auch in dieser Konfiguration durchführten, bestätigte erneut die Ergebnisse: Nur die Kombination aus hoher Datenlast mit kleinen Paketen bringt den LS160 ins Schwitzen; ansonsten liegen die Werte wiederum beim theoretischen Optimum.

Abschließend unterzogen wir die Prüfgeräte dem Backbone-Switching-Test. Dieser ähnelt dem bereits beschriebenen X-Stream-Test. Allerdings werden die Daten bei dieser Konfiguration nicht von jedem Port an alle anderen gesandt, sondern nur an die jeweiligen Ports der Gegenstation. Die Daten laufen also in jedem Fall über den ATM-Backbone und den darin eingebauten Cisco-Switch. Die Anzahl der Ports beschränkten wir auf vier je Testgerät.

Ansonsten bietet sich auch hier wieder das gleiche Bild: Bei kleinen Paketgrößen verstopft der Switch relativ schnell, große Pakete leitet er auch bei hoher Last mühelos weiter. Während sich bei Paketgrößen von 64 Bytes nur knapp 44 Prozent der theoretischen Bandbreite nutzen lassen, erreicht der Switch bei der Weiterleitung von 1518-Byte-Paketen 88 Prozent dieser Größe. Auch das ist ein guter Wert, denn dieser Test belastet den Switch durch das Multiplexen von Datenströmen in erheblichem Maße, ähnlich wie beim X-Stream-Test.

Im Übrigen testeten wir auch noch die maximale Anzahl von Frames, die der Switch verkraftet. Dazu unterschritten wir den per Norm festgelegten Abstand zwischen den Frames so lange, bis das Gerät anfing, die Annahme von Datenpaketen zu verweigern. Dabei stellte sich heraus, daß der HS160 noch Reserven besitzt. Während bei Normabstand von 0,960 µs theoretisch genau 148 810 64-Byte-Datenpakete pro Sekunde durch einen Switch gehen können, schaffte es der HS160 sogar noch, Pakete mit einem zeitlichen Abstand von 0,880 µs auseinanderzuhalten und ordnungsgemäß zu bearbeiten. Damit schaufelt er immerhin 150 600 Pakete pro Sekunde von einem Port zum anderen. Auch fehlerhafte Frames erkennt und blockiert der Switch zuverlässig.

Fazit: Flexibler Switch mit kleinen Schwächen

Die Gesamtheit der Messungen zeigt: Der HS160 ist ein sehr schneller und zuverlässiger Switch, der auch im Volllastbereich noch über Reserven verfügt. Ausgeprägte Schwächen im Umgang mit kleinen Datenpaketen sind zwar nicht zu übersehen. Für die Praxis dürfte das aber nur eine geringe Einschränkung bedeuten: Die Applikationen, für die der Switch konzipiert ist, erzeugen in der Regel Datenpakete mit 1024 Bytes oder größer. Lediglich Anwendungen mit klassischen Bildschirmterminals oder Terminalemulation auf PCs erzeugen den so belastenden Datenverkehr mit kleinen Paketen. Dafür fließen in diesen Umgebungen generell weniger Daten durch das Netz. Es wäre also eine ziemlich große Installation erforderlich, um den HS160 auf diese Weise in die Knie zu zwingen.

Nicht in der Leistungsbeurteilung enthalten, aber für eine Investitionsentscheidung relevant, ist die Ausstattung des Geräts. Hier nur die wichtigsten Merkmale: Der Switch läßt sich nicht nur als Layer-2-Switch verwenden, sondern auch als Layer-3-Switch für IP und IPX. Des weiteren unterstützt er sowohl Port-basierte als auch Policy-basierte virtuelle LANs (VLANs). Dabei lassen sich bis zu 12 Port-basierte VLANs einrichten, bei Policy-basierten VLANs sogar bis zu 60. Um IP-Datenverkehr über ATM fahren zu können, steht LAN Emulation 1.0 ebenso wie Classical IP gemäß RFC 1577 zur Verfügung. Der HS160 ermöglicht die Beteiligung an bis zu 60 emulierten LANs - viele andere Geräte unterstützen nur eines. Auch der in das Gerät integrierte Web-Server ist ein Novum. Er erlaubt eine sehr komfortable Konfiguration mit Online-Hilfe. Netzmanagement-Systeme können auf den HS160 per SNMP ebenso zugreifen wie per RMON.

Weblinks: Die kompletten Testergebnisse sind in Tabellenform von der gateway-Website im "Knowledge Center" abrufbar. URL: http://www.gateway.de

Dipl.-Inf. Herbert Almus

ist Leiter des European Advanced Networking Test Center der TU Berlin. Er befaßt sich seit fast zehn Jahren mit Hochgeschwindigkeitsnetzen, seit 1992 steht ATM im Vordergrund.