Schlussverkauf bei Microsoft-Lizenzen

20.09.2001 von ULRICH BANTLE 
Microsoft führt ab 1. Oktober ein neues Lizenzmodell für Firmenkunden ein. Die Übergangsphase bis 28.Februar 2002 bringt Firmen in Zugzwang. Durch verpasste Fristen können sich erhebliche Nachteile ergeben.

Mit einem dicken roten Strich durch die bisherige Flut von Upgrade-Möglichkeiten hat Microsoft sein Lizenzmodell für Firmenkunden reformiert. Bei der radikalen Vereinfachung hat der Konzern aber wenig bedacht, dass der über Jahre gewachsene Vertragswust bei Unternehmen tief verwurzelt ist. Großkunden, darunter Bund und Länder, kritisierten, dass die neuen Modelle deutliche Preiserhöhungen mit sich bringen.

Microsoft hat auf die teils heftige Kritik der Kunden mit einer Verlängerung der Übergangsfristen reagiert. Statt am 1. Februar endet die Einführungsphase nun am 28.Februar. Wichtiger für Unternehmen ist, dass Microsoft das Upgrade Advantage (UA) für die Übergangsphase revitalisiert hat. In der Zeit bis 28.Februar können Kunden über die Neugestaltung ihrer Lizenzverträge und die Kosten von Upgrades nachdenken. Das sollte Unternehmen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Countdown begonnen hat.

Lizenz zum Update

Bisher gab es bei Microsoft folgende Upgrade-Möglichkeiten:

Die ersten drei dieser Upgrade-Möglichkeiten sind ab 1. Oktober hinfällig. Einzig das Upgrade Advantage (UA) hat Microsoft auf Druck der Kunden in die verlängerte Übergangsfrist bis 28.Februar aufgenommen.

Eines für alle

Nach der Übergangszeit bis 28.Februar gibt es nur noch ein einheitliches Upgrade-Modell, die so genannte Software Assurance (SA). Als weiteres Entgegenkommen können Kunden, die bereits über ein Version Upgrade (VUP) auf Office XP umgestellt haben, Assurance bis 28.Februar separat erwerben. Nach dem 28.Februar ist das nicht mehr möglich, der Kunde muss nach Ablauf seines Vertrages eine neue Lizenz kaufen.

Mit der Software Assurance bekommen Unternehmen während der Vertragslaufzeit alle verfügbaren Upgrades ihrer lizenzierten Programme. Die Software Assurance kann zudem um Serviceleistungen erweitert werden.

Als Basis für den Abschluss einer Software Assurance muss die neueste Version der jeweiligen Software installiert sein. Das gilt unter den Firmen neben dem Wegfall des einmaligen Version Updates als weiteres Manko. Microsoft spricht von der Current-Version einer Software. Beispiel: Ab 1. Oktober ist Office XP die Current-Version bei den Office-Paketen. Spätestens nach Ablauf der Einführungsphase nicht mehr aktuell (Non-Current) und damit auch nicht mehr upgrade-fähig sind neben Office 97 und Office 2000 auch Windows NT 4.0 Server und Exchange Server 5.5.

Der Countdown läuft

Will ein Unternehmenskunde auf Office XP updaten und sich den Abschluss einer Software Assurance für Folge-Upgrades offen halten, stehen ihm mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:

Wer noch bis 30.September über ein Version Upgrade (VUP) Office XP erwirbt, hat die Option, im Übergangszeitraum bis 28.Februar eine Software Assurance abzuschließen. Damit erhält er während der Vertragslaufzeit alle verfügbaren Upgrades und die Option, die Software Assurance ohne Lizenzneukauf zu verlängern (Software Assurance Renewal). Abzuwägen ist bei der VUP-Variante, wann das nächste Upgrade erfolgen soll. Mit den Sonderkonditionen für Upgrade-Advantage-Kunden ist ein Zwei-Jahresvertrag mit Update-Garantie nach Angaben von Händlern in der Übergangsphase nur etwa 5 Prozent teurer als das Einzel-Update.

Nach dem 1. Oktober hilft bestehenden Vertragskunden nur noch das Upgrade Advantage (UA) weiter, um ohne Lizenzneuerwerb auf Office XP umzusatteln. Die Frist hierfür dauert bis 28.Februar.

Mit Upgrade Advantage kann der Kunde auf Office XP umsteigen und wird über die zweijährige Laufzeit mit allen folgenden Upgrades versorgt. Die Upgrade-Advantage-Vereinbarung wird nach der Übergangszeit laut Microsoft ohne weiteres Zutun des Kunden in eine Software Assurance gewandelt.

OfficeXP-Schnäppchen - jetzt oder nie

Die UA-Lösung wird durch Microsofts Einführungsangebote für Office XP zusätzlich lukrativ. Microsoft bietet Kunden an, alle Versionen seit Office 4.x in Office XP zu wandeln. Außerdem hat Microsoft eine weitere Office-Aktion nachgeschoben, mit der Kunden ihre bestehenden Office-Versionen auf eine beliebige Office XP-Variante updaten können, zum Beispiel Office 97 Standard auf Office XP Professional. Auf diese Weise landet dann optional auch Frontpage auf der Festplatte der Kunden. Die sonst üblichen Upgrade-Pfade sind durch dieses Angebot aufgehoben. Die Aktionsangebote, die sich Microsoft für den Mittelstand ausgedacht hat, finden Sie hier.

Upgrade Advantage ist die Variante für ein Office-Upgrade mit späterer Software Assurance, die Händler gegenüber dem Version Upgrade (VUP) favorisieren. Allerdings lauert bei dieser Variante eine Falle. Microsoft weist bei den Einführungsangeboten darauf hin:

"Für Open-License-Kunden ist es empfehlenswert, für die Update-Garantie eine neue Open-License-Vereinbarung abzuschließen. Damit können Sie die Update-Garantie volle zwei Jahre lang ausschöpfen. Ansonsten endet Ihr Anspruch auf die aktuellsten Produktversionen nämlich mit Vertragsablauf; bei bestehenden Verträgen (z.B. bis August 2002) müsste die Update-Garantie dann nachbestellt werden, sie würde also lediglich für ein Jahr bestehen."

Kunden sollten demnach einen neuen Vertrag abschließen. Wer erst kurz vor Ende der Übergangsphase ein Upgrade Advantage erwirbt, verlängert damit die Laufzeit der Upgrade-Garantie.

Neue Lizenzmodelle

Microsoft hat alle Lizenzmodelle mit neuen Versionsnummern versehen. Ab 1. Oktober lösen die Versionen 6.0 alle 5.0-Vertriebs- und Lizenzmodelle der Kategorien Open License, Select und Enterprise Agreement ab. Einen Vergleich der neuen und alten Version der einzelnen Modelle finden Sie hier.

Eine weitere Neuerung ist das von 500 auf 250 Desktops abgesenkte Einstiegslevel für das Modell Enterprise Agreement (EA). EA-Kunden gehen außerdem nach der Einführung der neuen Lizenzmodelle eine direkte Einzelvertragsbeziehung mit Microsoft ein. Bisher wurden EA-Vertäge über so genannte Large Account Resellers (LAR) abgeschlossen.

Neu ist das Modell, Software auf Mietbasis zu erwerben. Microsoft bietet dafür die Open Subscription License und das Enterprise Agreement Subscription an. Die Open Subscription License gibt es vorerst nur in Europa. Als Einstiegsbasis sind 10 Desktops gefordert. Die Mietbasis für eine Enterprise Agreement Subscription License beginnt bei 250 Desktops.

Unternehmen reagieren sauer

Firmen fühlen sich durch die neuen Lizenzmodelle zu Investitionen gedrängt. Unternehmen, die beispielsweise Office-Lizenzen besitzen, müssen in der Übergangsphase auf Office XP updaten, um in den Vorzug der günstigen Update-Regelungen und gleichzeitig den verbilligten Einführungspreis des Office-Paketes zu kommen. Gleiches gilt für Unternehmen, die eine Software Assurance abschließen wollen, ohne eine komplett neue Lizenz kaufen zu müssen.

Kritiker wie die Netwerk Gebruikersgroup Nederland (NGN) haben gegen dieses Modell protestiert und sprechen von einem Zwangs-Update. Laut NGN hat sich der Update-Zyklus bei vielen Unternehmen auf vier Jahre eingependelt. Dank Upgrade-Möglichkeiten sei es bisher möglich gewesen, eine oder mehrere Version auszulassen. Der Wegfall des Version Upgrades zugunsten der Software Assurance gilt deshalb als Hauptkritikpunkt.

Als Rechenexempel für die Preiserhöhungen führen die Kritiker die Vertragsbedingungen der Software Assurance an. Microsoft lässt sich dafür pro Jahr für Applikationen wie Office 29 Prozent des Neulizenzpreises bezahlen. Für Betriebssysteme werden 29 Prozent des Update-Lizenzpreises berechnet. Server kosten 25 Prozent des Neulizenzpreises pro Jahr.

Wer unter den Kunden einen Vier-Jahreszyklus anstrebe, müsste allein mit der Assurance schon mehr ausgeben, als eine neue Lizenz koste, rechnen Unternehmen vor. Nur für Kunden, die immer eine aktuelle Version von Office oder sonstigen Anwendungen haben wollten, sei die Software Assurance interessant.

Der Druck auf die Unternehmen erhöht sich zusätzlich durch zeitlich begrenzte Einführungsangebote, die Microsoft etwa für Office XP macht. Wer nicht bis zum Ende der Einführungsphase updaten kann, weil das Geld dazu fehlt, wird doppelt bestraft.

Fazit

Microsoft hat bei der Einführung des neuen Lizenzmodells Kritik einstecken müssen. Die Kostenersparnis, die Bill Gates durch die neuen Features von Office XP verspricht, können die Unternehmen nicht erkennen. In Redmond hat man sich deshalb beeilt, die Übergangsphase auszudehnen und zusätzliche Aktionsangebote aufzulegen. Als wichtigstes Instrument wird sich dabei die Verlängerung des Upgrade Advantage erweisen.

Die Kritik, das neue Modell bedeute ein Zwangs-Update, ist dennoch berechtigt. Bis zum 28.Februar ist für die meisten denkbaren Modelle rein rechnerisch die günstigste Zeit für ein Update. Kann ein Unternehmen diese Investition nicht leisten, zahlt es durch den Wegfall der bisher üblichen Upgrade-Möglichkeiten und des Einführungsbonus später mehr. Das strapaziert eine Geschäftsbeziehung.

Ob Microsoft die Konkurrenz aus dem OpenSource-Lager, die Betriebssysteme, Serverlösungen und Office-Pakete umsonst oder vergleichsweise zu Schleuderpreisen anbietet, deshalb fürchten muss, ist fraglich. So betonte eine Staatssekretärin im Bundesinnenministerium bei der Eröffnung des LinuxTag Anfang Juli, man erwäge den Einsatz alternativer Software. Taten sind bislang nicht gefolgt. (uba)