Schlaffer Klassenprimus

25.11.1999
Der aktuelle Testkandidat ist ein Fast-Ethernet-Switch mit Gigabit-Uplink. Der "Catalyst 2924 XL" stammt vom Marktschwergewicht Cisco und ist vor allem für die Vernetzung kleinerer und mittelgroßer Betriebe konzipiert. Er glänzt durch eine gute Ausstattung - aber wie sieht es mit der Leistung aus?

Von: H. Almus, R. Marzbanvishka, Ch. Hammerschmidt

Der Redaktion lag zum Test ein Gerät mit 24 Ethernet- beziehungsweise Autosensing-Fast-Ethernet-Ports vor. Ein Gigabit-Uplink war ebenfalls vorhanden. Intern sind die Ports zu drei Baugruppen von je acht Ports zusammengefaßt.

Für die Anbindung an schnelle Server oder Backbones verfügt der 2924 XL über einen Gigabit-Uplink. Als typisches SMB-Produkt (SMB = Small and Medium Business) wird dieser Switch hauptsächlich über Distributoren vertrieben; im Projektgeschäft ist er weniger häufig anzutreffen. Dies könnte man als einen Hinweis auf eine Positionierung unterhalb jenes Bereichs ansehen, in dem es auf Top-Leistung ankommt.

In den Betrieben der Zielgruppe steht meist kein speziell ausgebildeter Netzmanager für den Betrieb und Support des Netzwerks zur Verfügung. Statt dessen wird diese Aufgabe häufig von DV-Allroundern wahrgenommen, die gleichzeitig auch für die Wartung der PCs und Software im Unternehmen zuständig sind. Einfache Konfiguration, simple Aufrüstbarkeit und unproblematisches Handling sind für diese Zielgruppe daher wichtig. Der 2924 XL erfüllt diese Forderung insofern, als für Konfiguration und Management durchgängig ein Web-basierendes Interface zur Verfügung steht. Wachsen die Bedürfnisse des Anwenders, so wächst der 2924 XL mit: Der Switch läßt sich auf einfache Weise "stacken", wobei sich bis zu 16 dieser Geräte unter einer gemeinsamen IP-Adresse miteinander kombinieren lassen. Gegenüber "normalen" Stackable Switches weist der Catalyst 2924 XL eine interessante Eigenschaft auf: Der Zusammenschluß ist nicht an eine unmittelbare räumliche Nähe gebunden, sondern erfolgt über Gigabit- oder Fast-Ethernet-Kabel. Dabei unterliegt er hinsichtlich der Entfernung nur den in dieser Technik üblichen Beschränkungen. Der Administrator kann also mehrere über das ganze Haus verteilte Switches wie ein einziges Gerät ansprechen und verwalten.

Der Switch hat weitere Qualitäten, die ihn für die LAN-Telefonie interessant machen. So kann er die Datenströme nach "Class of Service" sortieren. Und er läßt sich per Software zur Nebenstellenanlage für IP-Telefonie (Software-PBX) im lokalen Netz aufrüsten.

Unsere Tests dienten indessen weniger dazu, die Intelligenz des Geräts auszuloten. Sie konzentrierten sich auf die schiere Muskelkraft - auf die Performanz im Layer 2. Zur Ermittlung des Durchsatzes, der Paketverluste und der Latenzzeiten griffen wir auf die in RFC 2544 beschriebenen Messungen zurück. Bei der Messung von Broadcast Forwarding, Many-to-One-Throughput, und Many-to-Many-Throughput bedienten wir uns der RFC 2285.

Die Durchsatzmessungen sind One-to-One-Tests, das heißt, ein Sendeport in unserem Testgenerator adressiert jeweils genau einen Empfängerport. Die Tests nach RFC 2455 wurden mit 100 MBit/s im Full-Duplex-Modus durchgeführt, wobei der Generator fest auf Full-Duplex eingestellt war; Autonegotiation und Flow Control waren ausgeschaltet. Jeder Meßdurchgang wurde mit verschiedenen Paketgrößen wiederholt. Pro Meßvorgang traktierten wir den Switch für exakt 20 Sekunden mit Daten.

Zunächst schleusten wir zehn parallele Datenströme durch den Switch: Von Port 1 nach Port 2, von Port 3 nach Port 4 und so weiter bis Port 19 nach Port 20. Die restlichen vier Ports 21 bis 24 blieben erst einmal unbeschaltet. Bei Paketgrößen von mehr als 64 Bytes trat dabei das Phänomen auf, daß die Ports 1, 9 und 17 als erste Ports der jeweiligen Baugruppe Datenverluste von 0,003 Prozent verursachten. Das ist zwar nicht viel, weil aber der Durchsatz definiert ist als die Datenrate, bei der eben gerade keine Verluste auftreten, ließ sich so die Messung nicht durchführen. Cisco zufolge ist dieses Verhalten durch die interne Switch-Architektur bedingt und hat in der Praxis keine spürbaren Auswirkungen. Dennoch ersetzten wir Port 1 durch Port 21, Port 9 durch Port 22 und Port 17 durch Port 23. Das beschriebene Phänomen verschwand daraufhin. Der Switch erreichte dann bei fast allen Paketgrößen den theoretisch maximal möglichen Durchsatz. Eine Ausnahme bildet die Paketgröße 64 Bytes, bei der Verluste von 1,97 Prozent auftraten - eine vernachlässigbare Größenordnung.

Durchsatzmessung: bescheidenes Ergebnis

Wesentlich ungünstiger sieht die Situation aus, wenn man dem Switch 20 parallele Datenströme zumutet. Das Gerät erreicht dabei bestenfalls 82 Prozent des Wire-Speed-Durchsatzes. Im ungünstigsten Fall, nämlich bei der Paketgröße 1518 Bytes, kommt der 2924 XL gar nur auf knapp 52 Prozent der Maximalleistung (Bild 1). Das sind recht bescheidene Werte. Der Switch ist einer vollen Belastung nicht gewachsen - und dabei waren hier nur 20 der 24 Ports überhaupt in Betrieb.

Als nächstes gingen wir der Frage auf den Grund, wie sich die zusätzliche Belastung durch die Unterscheidung der Datenpakete nach virtuellen LANs (VLANs) auswirkt. Hierzu konfigurierten wir zwei logische VLAN-Segmente, wobei wir jedem Segment zehn Ports zuwiesen. Immerhin: Der Durchsatz wurde durch die Mehrarbeit im Switch nicht weiter verschlechtert. In der Tat lag er sogar geringfügig besser als bei der Messung ohne VLANs. Auch die Konfiguration mehrerer VLANs brachte keine Verschlechterung der Meßwerte.

Eine weitere wichtige Meßgröße ist die Latenzzeit - die Zeit, die ein Datenpaket auf dem Weg durch den Switch verliert. Es lohnt sich diese Größe einer genaueren Betrachtung zu unterziehen: Werden zeitkritische Signale - etwa Voice over IP - übertragen, so spielt die Durchlaufzeit eine wichtige Rolle für die Qualität des Signals. Wenn das Signal zwischen Sender und Empfänger mehrere Switches durchläuft, was in der Praxis die Regel sein dürfte, summieren sich die einzelnen Latenzzeiten. Bei großen Entfernungen kommt hier leicht das 10- bis 20fache der Latenzzeit des einzelnen Switches zusammen.

Bei unserem Testkandidaten lagen die Latenzzeiten gerade noch im Mittelfeld dessen, was wir im Laufe des vergangenen Jahres gemessen haben. Bis 90 Prozent der Vollast bleiben die Werte ziemlich stabil, um bei 100 Prozent der Last dann doch deutlich schlechter zu werden. Bei einer Paketgröße von 128 Bytes leistet sich der 2924 XL einen Ausreißer, hier liegt der Wert mit circa 270 Mikrosekunden am schlechtesten. Für die Praxis bleiben diese Verzögerungen indessen irrelevant: Fachleute beurteilen Latenzzeiten ab etwa 10 Millisekunden als die Zumutbarkeitsgrenze, und das auch nur bei sehr sensiblen Applikationen. Somit bleibt der Anwender auch beim Hintereinanderschalten von zehn Switches dieser Bauart auf der sicheren Seite.

Ausfallerscheinungen schon ab 60 Prozent Last

Nächster Durchgang: Die Ermittlung der Paketverluste in Abhängigkeit von der Belastung. Bei dieser Messung wird im Prinzip der gleiche Aufbau verwendet wie bei der Durchsatzmessung. Allerdings geht es nicht darum, herauszufinden, wo die Grenzlast liegt, sondern darum, wie viele Pakete der Switch bei steigender Last - und auch in Überlastsituationen - noch verarbeiten kann. Die Last wird dabei in 10-Prozent-Schritten erhöht und die Quote der vermißten Pakete ermittelt. Die Messung wird für jede der üblichen Paketgrößen wiederholt.

Das Ergebnis ist kein Ruhmesblatt für Cisco. Bis 50 Prozent Last verlor der Switch keine Pakete, unabhängig von der Paketgröße. Aber schon bei 60 Prozent der Maximallast zeigte sich der Switch überfordert und begann, ab einer Paketgröße von 256 Byte Daten zu verwerfen. Die Verluste steigen mit zunehmender Last an, um sich ab 80 Prozent der Vollast auf hohem Niveau zu stabilisieren. Das Ganze war zwar von der Paketgröße abhängig, aber ab 1024 Byte und einer Last von 60 Prozent ließ der Kleine von Cisco nicht mehr als etwa 72,5 Prozent der Pakete durch. Der 2924 XL verursacht mithin Paketverluste von kaum tolerierbaren 27,5 Prozent. Bei dieser Messung fiel auf, daß die Verlustquote zwar schnell anstieg, aber die Schwelle von 27,5 Prozent auch nicht überschritt.

Die nächste Station im Switch-Folterkeller des EANTC heißt "Broadcast Forwarding". Hier muß der Switch die auf einem beliebigen Port eingehenden Daten auf allen anderen Ports ausgeben. Bei Volllast schafft es der Cisco-Switch, bis zu einer Paketgröße von 128 Byte alle Daten korrekt weiterzugeben. Werden die Datenpakete größer, so macht das Gerät schnell schlapp - der Durchsatz sackt in der Default-Einstellung auf maximal 15 Prozent ab. Das besserte sich auch nicht, als wir den Test mit nur zehn Ports wiederholten.

Nur wenig mehr Kondition zeigte der Switch bei unserem "Many-to-Many"-Durchsatztest. Dabei muß der Switch an mehreren (oder auch an allen) Ports Daten gleichzeitig empfangen und senden. Auch hier kamen die Leistungen des 2924 XL kaum über die Kreisklasse hinaus: Abhängig von der Paketgröße verlor der Cisco-Switch bis zu 27,5 Prozent der Pakete.

Für die Anbindung an den Server oder ein "dickes" Backbone verfügt der 2924 XL über einen Gigabit-Uplink-Einschub. Um zu sehen, was die schnelle Verbindung drauf hat, ließen wir zehn Fast-Ethernet-Ports mit 100 Prozent ihrer Bandbreite Daten an den Gigabit-Port des Uplinks senden. Theoretisch kommt so genau die volle Last für eine Gigabit-Leitung zusammen.

Prompt erwischten wir unseren Kandidaten wieder in einem Formtief. Die beste Leistung schafft das Gigabit-Modul noch bei Paketgrößen von 1024 Byte - da kann es knapp 68 Prozent der Daten weiterreichen, den Rest von immerhin 32 Prozent verwirft es. Noch schlechter sieht es bei größeren Paketen aus, bei 1518 Byte "schweren" Paketen verhebt sich der Switch um ziemlich genau 50 Prozent (Bild 3).

Wir haben den Hersteller gebeten, zu dieser nicht eben olympiareifen Darbietung Stellung zu beziehen. Der kleine Fehler, der das Gerät bei den Ports 1, 9 und 17 jeweils 0,003 Prozent der Pakete verlieren läßt, war bei Cisco bekannt. Das Problem sei architekturbedingt. Eine Auswirkung für die Praxis sei dadurch aber nicht zu befürchten. Dem stimmen wir zu - Verluste in dieser Größenordnung brauchen keinem LAN-Administrator den Schlaf zu rauben.

Die schwache Leistung bei der Broadcast-Weiterleitung erklärt der Hersteller damit, daß der Switch eben nicht für diese Art von Verkehr optimiert sei. Im Gegenteil, ein hoher Broadcast-Anteil im Datenverkehr weise auf Probleme im Netz hin. Daher begrenze der 2924 XL von sich aus das Broadcasting auf einen Schwellenwert, der vom Anwender konfiguriert werden könne. Allerdings schaffte Cisco es nicht, diese Möglichkeit vor dem Abschluß der Messungen zu kommunizieren, obwohl der Test von einem Consultant des Herstellers begleitet worden war.

Auch für den Engpaß im Gigabit-Uplink hat der Hersteller eine Erklärung: Das Gerät sei intern als Fast-Ethernet-Switch konzipiert worden; alle internen Steckplätze seien für diese Technik ausgelegt. Nachdem die Anwender einen wachsenden Bedarf für eine Giga-bit-Anbindung meldeten, hat Cisco für diesen Käuferkreis ein Gigabit-Modul konstruiert, das mit den inhärenten Beschränkungen des Systems auskommen muß. Für Kunden, die Gigabit-Ethernet in "Wire Speed" benötigen, verweist Cisco auf andere Modelle der Catalyst-Produktfamilie.

Fazit

Der Leser mag selbst entscheiden, wie stichhaltig für ihn diese Erklärungen sind. Für eine Gesamtbewertung des Switches ist neben seiner schwachen Performanz auch sein Preis und seine Ausstattung ins Kalkül zu ziehen - wer einen Opel Kadett kauft, kann ja auch keinen Ferrari erwarten. Der Preis weist dem 2924XL einen Platz in der unteren Mittelklasse zu.

Für jedes Gerät gibt es einen sinnvollen Einsatzbereich: In einer mittelgroßen Buchhaltungsabteilung, wo Sachbearbeiter auf Standard-PCs vor sich hin werkeln, macht dieser Switch möglicherweise eine ganz ordentliche Figur. Aber ein Unternehmen, wo 20 Ingenieure auf Hochleistungsrechnern Automobile entwickeln, würde mit dem 2924 XL sicherlich schnell gegen die Schallmauer fahren. Seine Stärken liegen nicht in der rohen Kraftentfaltung, sondern in der Flexibilität, der komfortablen Verwaltung und der doch recht guten Softwareausstattung. Der 2924 XL ähnelt einem Klassenprimus, der in Geschichte und Latein Bestnoten erzielt, aber in der Turnhalle kläglich versagt.