XXL-Smartphone mit 4,8-Zoll-Display und Quad-Core-CPU

Samsung Galaxy S III im Praxistest

03.07.2012 von Manfred Bremmer
Samsungs Galaxy S III sticht aus der Masse der Smartphones durch sein 4,8-Zoll-HD-Display heraus. Die eigene Quad-Core-CPU Exynos soll für flüssige Bedienung sorgen, das Polycarbonat-Gehäuse will hohe Wertigkeit suggerieren. Im Test überzeugt das Galaxy S III, bleibt von Kritik aber nicht verschont.

Ziemlich viel Aufhebens um ein einfaches Smartphone mögen sich manche Marktbeobachter gedacht haben, als Handy-Riese Samsung dem neuen Flaggschiff-Modell Galaxy S III Anfang Mai Apple-like eine eigene Veranstaltung widmete - anstatt den Quad-Core-Boliden wie seinen Vorgänger Galaxy S II einfach auf dem Mobile World Congress vorzustellen. Damit nicht genug, betrieben die Koreaner im Vorfeld eine Geheimniskrämerei, wie man sie bislang fast nur aus dem fernen Cupertino kannte. Unsere Schwesterpublikation Computerwoche hat in einem Praxistest geprüft, ob das nun verfügbare Gerät die Erwartungen erfüllen kann. Hier die Ergebnisse:

Nach dem vorangegangenen Hype übt sich Samsung bei dem eigentlichen Smartphone in Bescheidenheit. Das Galaxy S III kommt in einer kleinen weißen Box, in der das Device gerade noch Platz zu finden scheint. Entsprechend dürftig fällt auch der Beipack aus, hier findet man die übliche Ausstattung wie USB-Kabel, Steckdosenadapter, Kopfhörer und eine Kurzbeschreibung. Zubehör wie eine Speicherkarte oder ein MHL-Adapter (Mobile High-Definition Link) fehlt dagegen.

Grenzwertige Abmessungen für ein Smartphone

Beim Gerät selbst geht das Understatement noch etwas weiter, sofern dies angesichts der riesigen Ausmaße überhaupt möglich ist. So besteht die Rückseite nicht etwa aus billigem Plastik, wie es der erste Verdacht, sondern Polycarbonat, einem besonders leichten, robusten und auch teurerem Material. HTC verwendet Polycarbonat auch beim Galaxy-S-III-Konkurrenten One X.

Davon abgesehen wirkt das Gerät hochwertig und edel, die Verarbeitung ist ohne Makel, nichts knarrt oder knackt, die Spaltmaße sind minimal. Was das Design angeht, ist die Linienführung äußerst gelungen, die mittig laufende geschwungene Aluleiste erweckt den - täuschenden - Eindruck, das Display sei wie beim Galaxy Nexus konkav. Auch sonst erinnert das Galaxy S III an das aktuelle Google-Handy, während es sich gegenüber dem Vorgänger Galaxy S II vor allem durch rundere Formen unterscheidet. Gleichzeitig weist das neue Topmodell eine von 4,2 auf 4,8 Zoll (12,2 Zentimeter) angewachsene Bildschirmdiagonale auf. Bei den Gehäuseabmessungen stieg die Länge von 12,5 auf 13,7 Zentimeter, in der Breite legte das Galaxy S III von 6,6 auf 7,1 Zentimeter zu. Das Gewicht blieb dagegen mit 133 Gramm noch im Rahmen - dem Polycarbonat sei Dank.

Mit nicht einmal neun Millimeter Dicke liegt das Gerät gut in der Hand und lässt sich - entsprechend lange Finger vorausgesetzt - auch gut bedienen. Dennoch dürften sich bei den Abmessungen die Geister scheiden. Zwar belegen so erfolgreiche Geräte wie das Galaxy Note mit 5,3-Zoll-Display den Trend zu immer größeren Smartphones und auch beim Betrachten von Bildern, Videos oder Websites hat ein üppiger Bildschirm sicherlich Vorteile. Andererseits gibt es noch immer viele Nutzer, die ein Smartphone primär als mobiles Telefon für die Jacken- oder Hosentasche sehen und bei aufwändigeren Tätigkeiten auf ein Tablet oder Notebook zurückgreifen. Möglicherweise wird aber auch hier Apple wieder für ein Umdenken sorgen, wenn es sein erstes iPhone mit 4-Zoll-Display (oder größer) auf den Markt bringt.

Hat man sich an die Größe des Smartphones gewöhnt, kann man das Galaxy S III fast wie ein kleineres Tablet nutzen. Surfen im Web, Videos ansehen, ja selbst die Texteingabe per Daumen ist möglich. Hilfreich dabei ist neben der Größe das sehr scharfe SuperAmoled-Display mit HD-Auflösung (1280 mal 720 Pixel). Das Gerät verwendet dabei anders als seine Quadcore-Rivalen HTC One X und LG Optimus 4X HD nicht die RGB-, sondern die weniger scharfe PenTile-Matrix-Technologie mit weniger Subpixeln. Dank einer Pixeldichte von 306 Bildpunkten per Inch (ppi) - das "Retina"-Display des iPhone 4S kommt auf 326 ppi - stört dies aber nicht weiter: Einzelne Pixel sieht man nur, wenn man sein Auge unnatürlich nah an den Bildschirm hinbewegt.

Samsung Galaxy S III im Praxistest
Das Galaxy SIII kommt zwar mit Android 4.0.4, aber die Koreaner haben dem Google-System ihre hauseigene Oberfläche Touchwiz übergestülpt.
Für den Schnellzugriff kann der Nutzer dem Lockscreen zusätzliche Anwendungen hinzufügen.
Die Touchwiz-Oberfläche besitzt auch einen Übersichtsmodus, der sämtliche Homescreens zeigt.
Als besonderes Extra können auf dem Galaxy S3 Videos in einem kleineren Fenster abgespielt werden...
während man etwa im Web surft oder den Google Play Store besucht. Funktioniert allerdings nur mit auf dem Gerät gespeicherten Videos.
Das Samsung Galaxy S3 unterstützt USB-Host - nach dem Anschluss eines USB-Sticks öffnet sich der Datei-Manager.
Auch Screenshots werden unterstützt - dazu zieht man die Hand wie einen Scanner horizontal über den Bildschirm.
Anders als Siri unterstützt die Sprachsteuerung S-Voice auch verschiedene Anwendungen.
Das SIII kann mit Bewegungen gesteuert werden. Schüttelt man das Smartphone, wird der Inhalt im Browser aktualisiert. Hier die dazugehörige Testanwendung für das Gyroskop.
Neben Sprach- setzt Samsung beim Galaxy S3 auch auf Bewegungs- und Gestensteuerung.
Zum Entsperren des Bildschirms bietet das Galaxy S3 zahlreiche Möglichkeiten - von der einfachen PIN über Wischen bis hin zur Gesichtserkennung mit entsprechend hoher Sicherheitsstufe.
Allgemein wird das Thema Sicherheit groß geschrieben.
Samsung hat mit S-Suggest auch seinen eigenen AppStore auf dem Gerät...
- mit teilweise sehr brauchbaren Apps.
So ist Flipboard auf dem großen SIII-Display sehr gut zu gebrauchen.
Dank integriertem Barometer und dazugehöriger App lässt sich das Galaxy SIII auch als Höhenmesser nutzen.
Auch das Geschäft mit Videos wird natürlich nicht vernachlässigt.
Auf Apples Spuren: Die Verwaltungslösung für Privatnutzer Samsung Dive.
Es läuft und läuft und läuft...dank des üppigen 2.100-mAh-Akkus sind fast zwei Tage Laufzeit möglich.
In den üblichen Benchmarks liegt das S3 meist vorne - Konkurrent ist unter anderem das HTC One X.
Praktisch: Die Lautstärke einzelner Signale lässt sich separat regeln.

Überwiegend sehr gute Hardware-Ausstattung

Geht es um die restliche Hardware, kann dem Galaxy S III derzeit wohl kaum ein Smartphone das Wasser reichen: Als Motor setzt Samsung auf den eigenen Exynos-Prozessor 4214, dessen vier Kerne mit bis zu 1,4 GHz Taktfrequenz arbeiten. Bei geringerer Auslastung können sie einzeln auf bis zu 200 MHz heruntergefahren werden, um Strom zu sparen. Dem Exynos werden ein Grafikprozessor Mali 400 mit 400 MHz Taktfrequenz sowie ein Gigabyte RAM zur Seite gestellt. Diese Ausstattung reicht nicht nur völlig aus, um in diversen Benchmarks Bestwerte zu erreichen, auch in der Praxis stieß das Device kaum an seine Grenzen. Selbst anspruchsvollere Anwendungen öffneten sich ohne wahrnehmbare Verzögerung, die Navigation durch das Menü klappte ruckelfrei und erst nach knapp 20 (mehr oder weniger) geöffneten Apps war eine gewisse Auslastung des Arbeitsspeichers zu bemerken.

In Hülle und Fülle vorhanden ist auch der Speicherplatz: Den internen Speicher gibt Samsung mit 16 beziehungsweise 32 GB an, wovon vier GByte bereits vorbelegt sind. Eine 64-GByte-Version ist geplant, außerdem lässt der Speicher über einen microSD-Slot um bis zu 64 GByte erweitern. Weitere 50 GByte Speicher im Web, allerdings auf zwei Jahre begrenzt, stellt Samsung über eine Kooperation mit Dropbox bereit.

Mit der Außenwelt kommuniziert das Gerät via WLAN 802.11 b/g/n (mit Kanalbündelung), HSPA+ bis 21 Mbit/s im Downlink, Bluetooth 4.0 sowie NFC. Auch eine LTE-Variante wird angeboten, allerdings nur für bestimmte Märkte und nicht für Europa. Ähnlich wie Apple scheint leider auch Samsung kein Interesse daran zu haben, das Smartphone länderspezifisch an die genutzten LTE-Kanäle anzupassen. Aktuell ist dies angesichts der derzeitig noch mageren Verfügbarkeit des 4G-Standards und dem an sich schon schnellen HSPA+ aber noch zu verschmerzen. Die Nutzer in aller Welt profitieren immerhin von dem leistungsfähigen 2100-mAh-Akku, der zudem auswechselbar ist. Dieser reicht aus, um mindestens einen ganzen Tag fern der Ladestation zu verbringen, im Test brachte es das Gerät einmal bei mittlerer Belastung auf knapp zwei Tage. Am Tag darauf machte der Akku dagegen bereits am Abend schlapp, vermutlich eine Folge des intensiven Video-Konsums.

LTE: "Depends on country" sagt alles - Deutschland bleibt vorerst außen vor.
Foto: Samsung

Was die Kamera anbelangt, liefert das Galaxy S III mit einer 1,9-MP-Frontkamera und einem 8-Megapixel-Modul auf der Rückseite (LED-Blitz, HD-Video-fähig) für ein Highend-Modell eher Standardkost. Immerhin werden Autofokus und Gesichtserkennung unterstützt, außerdem kann der Nutzer mit dem Feature "Tap-to-Focus" selbst bestimmen, welchen Bildausschnitt die Kamera scharfstellen soll. Für Schnappschüsse, insbesondere bei gutem Tageslicht, ist das Objektiv gut geeignet. Wer jedoch Größeres vorhat und etwa Aufnahmen unter kritischen Bedingungen schießen will, sollte auf eine richtige Kamera nicht verzichten.

Mit ausreichend Speicherplatz und Rechenkapazität ausgestattet, ist es nicht überraschend, dass Smartphones zunehmend wie PCs verwendet werden. Dank USB-to-Go und Bluetooth 4.0 ist das Galaxy S III dafür gut bestens geeignet, auch die Wiedergabe von Videos auf einem Fernseher ist via DLNA oder MHL (Mobile Highspeed Link) möglich. Einiger Wehmutstropfen dabei: Wie die Experten von XDA-Developers herausfanden, kann dazu nicht einfach jeder beliebige Zubehörstecker oder das Kabel vom Vorgängermodell genutzt werden - wegen einer neuen Pin-Belegung muss es ein teurer Spezialadapter von Samsung für das Galaxy S III sein.

Software-Specials im Alleingang

Nicht nur der Versuch, das eigene Betriebssystem Bada im Markt zu platzieren, ist ein Hinweis darauf, dass Samsung und Googles Android nur eine Zweckgemeinschaft sind. Beim Galaxy S III kommt Android 4.0.4 zum Einsatz. Diesem haben die Koreaner aber die hauseigene Oberfläche Touchwiz übergestülpt. Außerdem wurde es durch zahlreiche Funktionen erweitert, die auch dem originären Google-System gut zu Gesicht stehen würden.

Nicht unbedingt die wichtigste davon, aber wohl die bekannteste ist sicher der Sprachassistent S-Voice, der wie Apples Siri von Nuance-Tochter Vlingo stammt. Angesichts der vielen Fehlinterpretationen bei der Stimmerkennung geht S-Voice zumindest in der deutschen Fassung derzeit noch nicht einmal als Beta-Version durch. Interessant ist das Feature dennoch, da die Steuerung anders als bei Siri in iOS 5 bis zu einzelnen Anwendungen reicht. So kann man nicht nur Telefonate per Sprache starten, das Kommando "Lächeln" löst etwa in der Kamera-Anwendung das Knipsen aus.

Hinzu kommen eine ganze Reihe von Gimmicks, die das mobile Leben mit dem Galaxy S III ein klein wenig einfacher machen: So genügt etwa ein zweimaliges Tippen auf den oberen Rand des Geräts, um an den Anfang der Mail-, oder Kontakt-Liste zu kommen (bei iOS längst Standard durch einmaliges Tippen). Schüttelt man das Smartphone, wird der Inhalt im Browser aktualisiert; zum Zoomen in Websites oder auf Bildern hält man zwei Punkten auf dem Display fest und kippt dann das Gerät nach hinten oder vorne.

S-Voice: Samsungs Sprachsteuerung unterstützt auch verschiedene Anwendungen.

Interessant, aber bei weitem nicht perfekt ist das Feature Smart Stay: Hier überprüft die Frontkamera kurz vor dem Abdunkeln oder Sperren des Bildschirms per Gesichtserkennung, ob der Nutzer noch aktiv ist, sprich die Augen geöffnet hat. Unter Zuhilfenahme der vorderen Kamera ist es außerdem möglich, direkt aus den Kontakten einen Anruf zu initiieren, indem man das Gerät ans Ohr führt. Zur einfacheren Nutzung kann man außerdem bestimmte Anwendungen für den Schnellzugriff auf den Lockscreen platzieren, eine einstellbare Benachrichtigungs-LED informiert in vier Farben über verpasste Anrufe, eingegangene Nachrichten oder Ähnliches.

Auch was die Nutzung im Unternehmen anbelangt, versucht Samsung ernsthaft, das von Google Unterlassene nachzuholen. Zu diesem Zweck hatten die Koreaner bereits bei der Vorstellung des Galaxy S II im Februar 2011 Kooperationen mit Cisco und Citrix geschlossen und Anbietern von Mobile-Device-Management-Lösungen (MDM) zusätzliche Verwaltungsschnittstellen bereitgestellt. Zumindest in den USA geht Samsung beim Galaxy S III nun noch einen Schritt weiter - in einer speziellen Version verfügt das Gerät nicht nur über eine Verschlüsselung mit AES-256, sondern auch über einen erweiterten Microsoft Exchange Support und eine integrierte Unterstützung für VPNs. Außerdem überprüft Samsung im Rahmen des SAFE-Programms (Samsung Approved for the Enterprise) vor größeren Android-Upgrades, ob die Software von Drittherstellern noch richtig läuft.

Auf der Verwaltungsseite können IT-Manager über ihre Mobile-Device-Management-Lösung (Airwatch, Juniper, MobileIron, SAP/Sybase und SOTI) nun 338 IT-Policies festlegen. Das sind zwar nicht ganz so viele wie bei einem Blackberry-Gerät, andererseits braucht sich Samsung damit vor dem Hauptrivalen Apple nicht verstecken. Aktuell steht allerdings noch nicht fest, ob diese Variante auch nach Europa kommt.

Fazit: Gut, aber nicht perfekt

Mit dem Galaxy S III hat Samsung zwar bei weitem noch nicht das perfekte Smartphone geschaffen, es belegt aber, dass sich der Hersteller beziehungsweise die gesamte Branche auf dem besten Weg dahin befindet. Prozessorseitig bietet das Device Leistung in Hülle und Fülle, die Akkulaufzeit ist wieder etwas länger und dank des großen Displays und der unterstützten Schnittstellen (Bluetooth, MHL, USB-Host) können Nutzer in den meisten Fällen ihr Tablet getrost zuhause lassen. Auch die Software des Galaxy S III ist weitgehend gelungen: Selbst wenn nicht alles perfekt ist, lassen sich die zahlreichen Features des Geräts für sich nutzen. Erwähnenswert sind zudem die Bemühungen der Koreaner, Android sicher und damit wirklich Business-tauglich zu machen - eine Aufgabe, um die sich Google bislang weitgehend drückt.

Natürlich gibt es auch Negatives: So ist der Preis für die 16-GByte-Version mit 570 Euro deutlich zu hoch angesetzt und passt nur wenig zum Plastiklook des Geräts und einigen - wenn auch wenigen - eher durchschnittlichen Teilen der Hardwareausstattung. Hier hat Samsung möglicherweise eine Chance verpasst, der Konkurrenz mit seinem Flaggschiffmodell nicht nur technisch, sondern auch bei den verkauften Stückzahlen die kalte Schulter zeigen zu können.

Softwareseitig bleibt zu beobachten, inwieweit die Ansätze Samsungs auch in die weitere Entwicklung von Android einfließen - eine weitere Fragmentierung wäre der Plattform sicher nicht zuträglich. Ein weiterer heikler Punkt ist die Update-Freude Samsungs - irgendwann sieht auch das neueste Betriebssystem alt aus.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche. (cvi)