Sackgasse: Intel warnt vor 64 Bit mit Xeon

03.03.2004 von Christian Vilsbeck
Im Jahr 2007 werden Itanium und Xeon auf dem gleichen Board laufen, die Itanium-Lösungen zum selben Preis aber die doppelte Performance bieten. Vom Einsatz der neuen 64-Bit Extension des Xeon rät Intel deshalb ab.

Intels Itanium steht unter Druck. Sowohl AMDs Opteron als auch die zukünftigen Xeons mit ihrer 64-Bit Extension Technology besetzen zunehmend Segmente im 64-Bit-Markt. Und das zu Preisen, mit denen Itanium-Systeme nicht konkurrieren können.

Aber Intel hat unter dem Stichwort "Common Platform" eine schnelle Lösung für alle Itanium-Probleme parat: Ab 2007 laufen Itanium und Xeon in identischen Mainboards und haben denselben Preis - nur bietet der Itanium zudem noch die doppelte Rechenleistung.

Auf dem Intel Developer Forum Spring 2004 stellte Intel die 64-Bit Extension Technology für die nächste Xeon-Generation vor. Die 64-Bit-Erweiterung ist kompatibel zum AMD64-Befehlssatz, verfügt aber über zusätzliche Features wie SSE3.

Die Vorstellung der 64-Bit Extension Technology ließ sich als Reaktion von Intel auf den wachsenden Marktanteil von Opteron-Systemen im Server-/Workstation-Bereich werten. Namhafte Hersteller wie Fujitsu Siemens, HP, IBM und Sun bieten bereits Produkte mit Opteron-Prozessoren an. Hier hätte Intels 32-Bit-Xeon künftig einen schweren Stand. Der Opteron ist ihm in der 32-Bit-Performance mehr als ebenbürtig und bietet bei Bedarf zudem die Unterstützung für 64-Bit-Betriebssysteme. Und das zu Preisen, mit denen 64-Bit-Intel-Systeme auf Itanium-Basis nicht konkurrieren können.

Statt die 64-Bit Extension Technology des Xeon jetzt als zukunftssichere Technologie zu vermarkten, lässt Intel sie jedoch am liebsten unerwähnt. Dafür setzt der Hersteller den Fokus verstärkt auf den Itanium und preist ihn als den besseren 64-Bit-Prozessor an. Seit dem Debüt des Itanium im Jahr 2001 hat Intel viel Geld und Entwicklungsarbeit in die IA-64-Prozessoren investiert. Aber mit zirka 100.000 produzierten Itaniums im Jahr 2003 bleibt der Absatz verglichen mit drei bis vier Millionen verkauften Xeons relativ bescheiden.

Laut Intel sei man aber mit der Entwicklung des Itanium zufrieden und erwarte für 2004 eine Verdopplung der Absatzzahlen. Allerdings erhält der Itanium mit AMDs Opteron und ab dem zweiten Quartal 2004 mit den 64-Bit-Xeons verstärkt 64-Bit-Konkurrenz aus preisgünstigeren Regionen.

Common Platform

Intel setzt bei seiner 64-Bit-Strategie auch nach der Vorstellung der 64-Bit Extension Technology für den Xeon voll auf den Itanium. Die 64-Bit Extension Technology findet in aktuellen Präsentationen von Intel nur in Nebensätzen Erwähnung.

Da die 64-Bit-Erweiterung auf Grund des Marktdruckes notwendig wurde, muss Intel seine jahrelangen Investitionen in den Itanium mit stichhaltigen Argumenten schützen. Vor allem dem Preisargument wird dabei jetzt der Stachel gezogen.

Im Jahr 2007 soll es für den Itanium und Xeon eine gemeinsame Plattform geben. Beide CPUs können dann auf die gleichen Mainboards, Chipsätze und Sockel zurückgreifen. Die Fertigung eines Itanium- oder Xeon-Systems ist damit für OEMs ohne Preisdifferenz möglich. Die Kosten für die CPUs sollen ebenfalls auf einem Niveau liegen. Entscheidend ist aber, dass laut Intel ein Itanium-System im Jahr 2007 bei gleichem Preis die doppelte Performance bieten soll.

Derzeit kostet ein Itanium-System noch zirka 30 bis 60 Prozent mehr als ein Xeon-System mit vergleichbarer Ausstattung. Die Performance des Itanium liegt dabei 30 bis 50 Prozent höher als beim Xeon.

Ob allerdings die OEMs im Jahr 2007 einen doppelt so schnellen Itanium-Server zum gleichen Preis wie ein Xeon-System anbieten werden, bleibt selbst bei gleichen Komponenten-Kosten mehr als fraglich.

Details über die technische Realisierung des gemeinsamen Steckplatzes für den Itanium und Xeon gibt Intel noch nicht bekannt. Die Kommunikation des Chipsatzes mit den Prozessoren muss über ein einheitliches Bussystem erfolgen, das ein gemeinsames Protokoll nutzt. Derzeit ist der FSB des Xeon mit dem Itanium-PAC-611-Prozessorbus inkompatibel. Die aktuellen IA-32- und IA-64-CPUs verwenden zudem unterschiedliche Busprotokolle.

Für die Common Platform würde sich somit eine universelle serielle Schnittstelle wie HyperTransport ideal eignen. Allerdings wird HyperTransport bereits von den AMD64-Prozessoren und Transmetas Efficeon verwendet. So garantierte Tom Garrison, Director Enterprise Marketing & Alliances von Intel im Gespräch mit tecCHANNEL auch spontan, dass dieses serielle Interface nicht verwendet werden wird. Denkbar wäre somit eine künftige Version der PCI-Express-Schnittstelle, für die sich Intel schon seit geraumer Zeit stark macht.

Itanium 2007

Neben der gemeinsamen Plattform für den Itanium und Xeon im Jahr 2007 gibt es weitere Details über die künftigen IA-64-CPUs. Einen Codenamen hat Intel mit Tukwila bereits festgelegt.

Der IA-64-Prozessor Tukwila arbeitet mit einem Multi-Core-Die. Die CPU soll laut Intel die 7fache Performance einer aktuellen Itanium-2-CPU mit Madison-Core aufweisen. Die Entwicklung von Tukwila führt das von Intel übernommene ehemalige Digital Alpha-Prozessor-Design-Team durch.

Wie viele Cores Tukwila auf einem Die vereint, ist noch nicht bekannt. Von mindestens vier Cores ist dabei auf jeden Fall auszugehen. Bei späteren Versionen von Tukwila munkelt man von bis zu 16 Cores auf einem Siliziumplättchen. Tom Garrison von Intel weist beim Itanium auch auf die kleinere Core-Größe der IA-64-Architektur hin. So soll der Tukwila pro Die-Fläche die doppelte Anzahl an Cores aufnehmen können als die IA-32-Architektur des Xeon. Ob in diesem Größenvergleich die benötigte Die-Fläche für den Cache der Prozessoren mit eingerechnet ist, ließ Garrison aber offen.

Wie auf dem IDF Spring 2004 zusätzlich bekannt wurde, will Intel den Tukwila auch für Dual-Prozessor-Systeme auf den Markt bringen. Eine vorläufige Bezeichnung hat Intel mit Dimona bereits vergeben. Einen Low-Voltage-Dimona soll es ebenfalls geben. Neben dem Multi-Core enthalten die 2007er Itaniums Technologien wie Foxton, Pellston und Multi-Threading, die schon 2005 mit dem Montecito debütieren.

Itanium "günstiger und besser"

"Wer jetzt auf 64-Bit Extensions setzt, hat in drei Jahren einen Performance-Nachteil", so Tom Garrison von Intel bei seinem Plädoyer für den Itanium. Unternehmen, die auf 64 Bit umsteigen wollen oder müssen, sollten sich laut Garrison auch überlegen, ob es schon jetzt nötig sei. Und wenn, ob eine 64-Bit-Extension-Lösung nicht der letztendlich teurere Weg ist - obwohl Itanium-Systeme derzeit deutlich kostspieliger sind.

Wer sich für eine 64-Bit-Extension-Lösung entscheidet, zahlt für die Portierung der Applikationen genauso viel wie bei einem Wechsel auf IA-64-Software, so Garrison weiter. Im Jahr 2007 soll aber durch die "Common Platform" eine Itanium-Plattform nicht mehr kosten als eine Xeon-basierende (und somit unausgesprochen auch als ein Opteron-System). Nur erhält der Kunde laut Intel beim Itanium die doppelte Performance.

Wer sich aber dann gezwungen sieht, auf den Itanium umzusteigen, kann seine 64-Bit-Extension-Software nicht mehr nutzen. Es entstehen nochmals die Portierkosten auf IA-64.

Mit diesen Argumenten werden Software-Hersteller jetzt indirekt in Bedrängnis gesetzt, ihre Produkte doch gleich auf IA64 zu portieren. Zumindest würde Intel es gerne so sehen. Mit dieser neuen "Marketing-Strategie" für den Itanium forciert Intel geschickt seine IA-64-Prozessoren. OEMs benötigen in Zukunft nur eine Plattform aus einer Hand (Intel) und können damit je nach Bedarf Itanium- oder Xeon-Systeme bauen. Die Kosten für zusätzliche Plattformen (AMD64 und proprietärer Xeon) könnte sich der Hersteller somit sparen.

Erklärungsnot: 64-Bit Extension Technology

Warum Intel die 64-Bit Extension Technology ab Q2/2004 in die Xeons integriert, ist wie bereits erwähnt nicht schwer zu erraten. Offiziell fällt die Begründung von Intel allerdings nicht so klar aus. Die 64-Bit Extension Technology habe man seit Jahren in den Prozessoren integriert, erst jetzt wurde sie aber aktiviert, so Tom Garrison von Intel.

Ein früherer Einsatz der 64-Bit-Erweiterung hätte keinen Sinn gemacht, weil es noch keine entsprechende Unterstützung von Betriebssystemen und Anwendungen gab, so Garrison weiter. Dieses Argument ist allerdings nicht wirklich überzeugend. Denn in anderen Fällen wartete Intel auch nicht, bis sich neue Technologien der Konkurrenz auf dem Markt etabliert hatten. Beispiele gibt es genügend: IA-32- und IA-64-Architektur oder die MMX- und SSE-Erweiterungen.

Auch sonst werden die Features der 64-Bit Extension Technology von Intel unter Wert verkauft. Wie die AMD64-Architektur erlaubt sie den Einsatz von 32- und 64-Bit-Betriebssystemen und -Anwendungen. Genau dieser Vorteil löst derzeit den "Run" auf Opteron-basierende Systeme aus. Wer jetzt in ein neues System investieren muss, kann weiterhin seine vorhandene Software mit voller Leistung laufen lassen. Erst bei Bedarf oder wenn weiteres Budget zur Verfügung steht, erfolgt die Migration der Software auf 64 Bit.

Diese Flexibilität offeriert ab dem zweiten Quartal 2004 auch Intels Xeon mit der 64-Bit Extension Technology. Nur wird dieses herausragende Feature kaum erwähnt. Stattdessen hört man von Intel Aussagen wie "wenn jemand unbedingt diese 64-Bit-Erweiterung will, bieten wir natürlich entsprechende Produkte an". Immerhin war dem Hersteller noch die Aussage zu entlocken "Intel bietet es an, weil es der Markt will". Allerdings bezeichnet Intel die Extension als eine Notlösung und hält die IA-64 des Itanium für den richtigen Weg.

Intel sieht die 64-Bit Extension Technology daher nur als Nischenprodukt, beispielsweise wenn jemand für Workstations bereits jetzt dringend einen Arbeitsspeicher braucht, der größer als 4 GByte ist. Wird gleichzeitig aber höchste Performance benötigt, empfiehlt Intel den Itanium.

Wird der Itanium schnellster 32-Bitter?

Nicht vergessen darf man, dass der Itanium ebenfalls 32-Bit-Code ausführen kann. Zum einen besitzt er dafür eine Hardware-Emulation auf dem Die. Zum anderen hat Intel gemeinsam mit Microsoft eine Software-Emulation entwickelt. Dieser IA-32 Execution Layer soll 32-Bit-Anwendungen auf Windows-64-Bit-Systemen mit Itanium-2-Prozessoren beschleunigen. Die Execution-Layer-Software integriert sich in die 64-Bit-Betriebssysteme von Microsoft. Laut Intel ist sie kompatibel zur Windows Server 2003 Enterprise Edition für 64-Bit Itanium, zur Windows Server 2003 Datacenter Edition für 64-Bit Itanium und zur Windows XP 64-Bit Edition.

Durch das Einspielen der IA-32 Execution Layer Software werden 32-Bit-Applikationen dann von der Software übernommen. Dabei übersetzt sie den 32-Bit-Code in nativen Code für die Itanium-Architektur. Neben der höheren Performance ermöglicht die Software-Emulation auch ein einfaches Upgrade auf moderne virtuelle IA-32-CPUs mit Features wie SSE2 und SSE3.

Der IA-32 Execution Layer bietet laut Intel zirka 50 bis 70 Prozent Performance der nativen IA-64-Architektur. Im Jahr 2007 verfügt der Itanium über die doppelte Performance eines Xeon. Somit müssten dann selbst 32-Bit-Programme auf dem Itanium schneller laufen als auf einem Xeon. Laut Christian Anderka, Pressesprecher von Intel, wird dies bei einigen Programmen sicherlich zutreffen.

Allerdings torpediert die Software-Emulation Intels Argumentationskette für eine alleinige Portierung von Programmen auf die IA-64. Denn Intel könnte den Execution Layer mit wenig Aufwand an die 64-Bit Extension Technology anpassen und so den Itanium kompatibel zu künftigen Xeons (und Opterons) machen. Nimmt man die oben erwähnten Leistungsdaten als Basis, wäre der Itanium dann die schnellere Extension-Technology-CPU. Die Software-Hersteller hätten keinen Druck, schon jetzt auf die IA-64-Architektur zu portieren.

Wohl aus diesem Grund sieht Intel derzeit von einer Entwicklung einer Execution Layer Software für 64-Bit-Extension-Programme ab. Allerdings wollte Garrison dies - nach mehrmaligem Nachfragen - nicht kategorisch ausschließen.

Fazit

Dem zunehmenden Erfolg der Opteron-Prozessoren musste Intel schleunigst etwas entgegensetzen. Denn die Itanium-Plattform spielt derzeit in einer deutlich höheren Preisliga und beherrscht nicht den nativen 32-Bit-Modus. Gerade diese Flexibilität beim Verwenden von 32- oder 64-Bit-Betriebssystemen und -Applikationen beschert AMDs Opteron jedoch zunehmende Beliebtheit im Server-/Workstation-Umfeld.

Mit der 64-Bit Extension Technology des Xeon übernahm Intel somit nicht ganz freiwillig AMDs 64-Bit-Befehlserweiterung und gönnt dem Mitstreiter diesen Prestigegewinn. Um davon abzulenken, setzt Intel bei seiner 64-Bit-Strategie jetzt erst recht auf den Itanium. Und um das Argument der hohen Kosten für Itanium-Systeme zu entkräften, zauberte Intel das Common-Platform-Konzept aus dem Hut. Demnach soll im Jahr 2007 kein preislicher Unterschied zwischen Itanium- und Xeon-Systemen herrschen. Die Itanium-Plattform bietet dann aber die doppelte Performance.

Somit sollte der Umstieg auf 64 Bit laut Intel wohl überlegt sein. Denn auch wenn eine "Hybridlösung" derzeit sehr attraktiv aussieht, kostet die Portierung der Software, egal auf welche 64-Bit-Technologie, viel Geld. Entscheidet man sich dabei für den Itanium, hat man ab 2007 den Vorteil der doppelten Performance zum gleichen Preis.

Intel rät somit im Prinzip von der eigenen 64-Bit Extension Technology ab. Nicht ohne Grund, denn sie entspricht ja der AMD64-Befehlserweiterung der Opteron-Prozessoren. (cvi)