Der Markt für Rechenzentren in Deutschland

RZ-Betreiber müssen umdenken

14.08.2013 von Bernhard Haluschak
Die Nachfrage nach Cloud-Dienstleistungen wie Software- oder Infrastructure-as-a-Service zwingt die Rechenzentren zum Umdenken. Ein Report der BroadGroup informiert, worauf sich Data-Center-Betreiber und Cloud-Anbieter einstellen müssen.

Cloud-Service-Angebote gehören zu den schnell wachsenden IT-Segmenten. Laut dem Bitkom wird das Marktpotenzial in Deutschland 2013 auf zirka vier Milliarden Euro geschätzt. Die Hauptanwender kommen dabei aus dem SME-Bereich (Small Medium Enterprise). Laut den Experten decken Cloud-Dienste wie Software-as-a-Service (SaaS) etwa 50 Prozent und Infrastructure-as-a-Service (IaaS) zirka 30 Prozent des Marktes ab. Tendenz steigend.

Aufgrund der strengen Datenschutzbestimmungen und Compliance-Regularien stehen viele Kunden den Cloud-Anbietern immer noch skeptisch gegenüber. Deshalb gibt es Bestrebungen, ein Cloud-Zertifizierungssystem in Deutschland zu etablieren, das die gesetzlichen Verpflichtungen sowie entsprechende Business-Prozesse und Interoperabilitäten bewertet. Federführend ist dabei das EuroCloud-Forum in Deutschland. Dieses will auf nationaler und europäischer Ebene eine Cloud-Zertifizierung als anerkannten Industriestandard entwickeln, ähnlich einem DIN- oder ISO-Standard.

BroadGroup Report Fakten
BroadGroup Report
Die benötigte Rechenzentrumsfläche wird in der Zukunft weiter überdurchschnittlich wachsen.
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Das Diagramm zeigt die Aufteilung der Colocation-Standorte in Deutschland nach Anzahl in den Städten.
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Laut Prognosen werden bis 2016 die Bereiche Whosale und Colocation den höchsten Platzbedarf im Rechenzentrum für sich beanspruchen.
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Der deutsche Internet-Traffic über den zentralen Austauschknoten DE-CIX (Deutscher Commercial Internet Exchange) hat sich seit 2010 verdoppelt und die 2 Terabit/s-Grenze überschritten.

Laut einem Bericht des Marktforschungsunternehmens BroadGroup weist der Markt für sogenannte "Third Party Data Center" ein gesundes Wachstum auf. Noch im Oktober 2011 haben die Analysten den deutschen Data-Center-Markt für 2012 auf insgesamt 456.520 Quadratmeter geschätzt. Tatsächlich sind daraus etwa 530.000 Quadratmeter geworden. Aktuelle Vorhersagen beziffern die Rechenzentrumsflächen für 2016 auf insgesamt 705.000 Quadratmeter, was eine Steigerung von 33 Prozent bedeutet.

Data-Center-Standorte: Frankfurt vor München

Dem BroadGroup-Report zufolge ist der Rechenzentrumsmarkt in vier Segmente unterteilt: Wholesale, Carrier Neutral Colocation, Carrier Data Center und Managed Services. Den Hauptanateil nimmt dabei der Bereich Wholesale ein. Die deutschen Marktführer in diesem Bereich sind e-shelter und Global Switch. Im Bereich Colocation bietet Deutschland insgesamt mehr als 250 Standorte. Dabei gehört Frankfurt neben München zu den attraktivsten Städten für Colocation-Angebote. Hier bieten mehr als 30 Unternehmen auf einer durchschnittlichen Rechenzentrumsfläche zwischen 1000 und 5000 Quadratmetern Fläche ihre Dienstleistungen an.

Details: Aufteilung der Colocation-Standorte in Deutschland nach Anzahl in den Städten.
Foto: BroadGroup

In Bezug auf Colocation segmentiert sich der deutsche Markt in drei Angebotskategorien: internationale Brands, nationale Unternehmen und die sogenannten "Local Heroes". Alle Anbieter offerieren für ihre spezifischen Zielgruppen entsprechend angepasste Angebote. Am Standort Frankfurt wird der Platz für Rechenzentren auf zirka 200.000 Quadratmeter geschätzt.

Doch was macht der Mainmetropole für Rechenzentrumsbetreiber so attraktiv? Die BroadGroup nennt diese Faktoren:

Laut den Analysten ist der deutsche RZ-Markt, anders als in den meisten anderen europäischen Ländern, sehr stark fragmentiert. Das heißt, viele verschiedene nationale und internationale Data-Center-Unternehmen bieten in unterschiedlichen Bereichen ihre Dienste an.

Weitere interessante Standorte für Rechenzentren sind München, Düsseldorf, Berlin und Hamburg. Dabei gehört München neben Frankfurt zu den wichtigen Städten für das Bank- und Versicherungswesen. Darüber hinaus sind bedeutende Technik- und Automobilunternehmen sowie Digital-Media- und Technik-Firmen vertreten. Düsseldorf ist ein wichtiges internationales Business-Zentrum für Telekommunikation, das auf der Route Frankfurt-Amsterdam liegt. Dagegen bietet Berlin großes Potenzial für Rechenzentren, die im Bereich öffentliche Institutionen und Regierung tätig sind.

Bildergalerie: Data Center
Verdunstungskühlung
Modulare Verdunstungskühleinheiten wie Ecobreeze von Schneider Electric ermöglichen es in vielen Regionen, Rechenzentren hauptsächlich mit Außenluft zu kühlen
Natürliche Luftströmungen und ein Vertikaldesign für die optimierte Kühlung
Das im Bau befindliche Marilyn-Rechenzentrum in Paris verwendet natürliche Luftströmungen und ein Vertikaldesign für die optimierte Kühlung des Gebäudes
Thermisches Rad
Das thermische Rad schließt Innen- und Außenluft voneinander ab und schafft gleichzeitig einen Temperaturausgleich, dessen Ausmaß sich nach der Drehgeschwindigkeit richtet.
Submersionskühlung
Die Idee, IT-Systeme direkt flüssig zu kühlen – ohne Umweg über die Luft – feiert zur Zeit fröhliche Urständ. So verwendet der britische Rechenzentrumsbauer und –betreiber Ark Continuity Submersionssysteme der Marke CarnotJet von Green Revolution Cooling. Man muss sie sich als eine Art Hightech-Wanne vorstellen, in die das gesamte Hitze abstrahlende IT-Equipment gehängt wird.
Submersionskühlung in der Maschine
Den wohl konsequentesten Weg der Flüssigkühlung geht das junge amerikanische Unternehmen Hardcore Computer. Auch Hardcore verwendet zum Kühlen ein dielektrisches Öl, das gut Wärme leitet...
Liquiblade
Jedes der angebotenen „Liquidblades“ – ausgestattet mit aktuellen Prozessoren und entsprechender Connectivity – wird in sich gekapselt...
Liquiblade
Die Kühlflüssigkeit, die mehr als 1300 mal so gut isoliert wie Luft, fließt über tropffreie Zu- und Abflüsse und damit verbundene Schläuche kühl in den gekapselten Rechner ein und warm wieder hinaus. Das übrige Kühlsystem besteht aus Pumpen und einer Einheit, die die Kühlflüssigkeit ihrerseits kühlt, bevor sie in die Rechner zurückfließt.

Laut dem Report ist es aktuell für viele große Rechenzentrumsbetreiber zum Beispiel in Hamburg schwierig, genügend freien Platz für den Bau neuer Data Center zu finden. Dagegen haben es kleine Anbieter einfacher, da diese in erster Linie ihr Business auf Tier-2-Städte konzentrieren und dort je nach Bedarf auch noch dynamisch wachsen können.

Besondere Resonanz in diesem Umfeld erzeugte 2012 der IT-Anbieter Dell, der eine aggressive weltweite Data-Center-Strategie startete. So errichtete das Unternehmen in Sachsen-Anhalt Deutschlands größtes Rechenzentrum für IT-Outsourcing- und Cloud Services.

Datenverkehr wächst rasant

Laut DE-CIX (German Commercial Internet Exchange), dem zentralen Internetdatenknoten in Frankfurt, wächst der Datenverkehr Jahr für Jahr schnell an. Waren 2010 noch Lastspitzen bis zu 700 Gigabit/s gemessen worden, so verdoppelte sich der Datenverkehr 2011 auf 1,4 Terabit/s und 2012 auf nahezu 2,0 Terabit/s. Die DE-CIX prognostiziert, dass der der Datenverkehr im Zeitraum 2011 bis 2015 um den Faktor 20 steigt. Ursache ist in erster Line der steigende Konsum von HDTV-Inhalten via Internet. Nach Angaben der DE-CIX kann der Datenknoten auf Basis der vorhandenen Netzwerktopologie ein Datenaufkommen von bis zu 40 Terabit/s verkraften.

Laut dem Bitkom nutzten 2012 bereits 76 Prozent der deutschen Bevölkerung das Internet, 56 Prozent waren in sozialen Networks unterwegs. Dabei steht die mobile Datennutzung auf Smartphones im Vordergrund und ist ursachlich für das steigende Datenaufkommen. Die Studien ergaben, dass zirka 50 Prozent des mobilen Datenverkehrs auf Abrufen von Videoinhalten basiert. Die Analysten erwarten einen weiteren Anstieg des Datenaufkommens auf 2,1 TByte. Für den Zeitraum 2011 bis 2016 wäre das eine Steigung um den Faktor 15.

Cloud-Computing - die treibende Kraft

Cloud Computing ist ein besonders starker Wachstumsmarkt. So bezifferte der Bitkom das Marktvolumen 2010 mit 1,1 Milliarden Euro, bis 2013 soll es auf 4 Milliarden Euro wachsen. Für 2014 rechnen die Analysten mit einem weiteren Wachstum um 25 Prozent.

Dabei hat das Angebot in Form von SaaS (Software-as-a-Service) einen Anteil von mehr als 50 Prozent am Cloud-Computing-Markt. Es folgen mit 30 Prozent Infrastructure-as-a-Service (IaaS) und mit 10 Prozent - Tendenz steigend - Platform-as-a-Service (PaaS).

Allerdings müssen die Betreiber von Rechenzentren und Anbieter von Cloud-Services gerade in Deutschland spezielle gesetzliche Bestimmungen und Sicherheitsvorgaben erfüllen. So steht auch ein Cloud-Konzept mit dem Inhalt "Cloud made in Germany" zu Diskussion. Mit mehr als 30 über ganz Deutschland verteilten Rechenzentren erhofft sich die Deutsche Telekom in diesem Kontext Wettbewerbsvorteile.

Marktchancen für Rechenzentren und Cloud-Computing-Provider

Laut dem BroadGroup-Report eröffnet der wachsende RZ- und Cloud-Markt vielen Unternehmen neue Marktchancen. Allerdings müssten dabei auch einige Aspekte berücksichtigt werden. So sei zwar die Nachfrage nach neuen Rechenzentren und Cloud-Services groß. Die Anbieter müssten jedoch Kundenwünsche nach Compliance, Sicherheit oder Flexibilität stärker berücksichtigen. Für viele RZ-Kunden seien Prüfzertifikate wie ISO, ZÜV oder eco Star wichtige Kriterien für die Auswahl eines Rechenzentrums oder eines Cloud-Anbieters.

Der aktuelle Report der BroadGroup enthält zahlreiche weitere Informationen zum Data-Center- und Cloud-Markt in Deutschland. (hal)

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