Rundumschlag: SCO droht Linux-Distributoren

19.05.2003 von ULI BANTLE 
Die SCO Group macht sich unbeliebt im Linux-Lager: Sie hat einen Prozess gegen IBM wegen Missbrauchs von Unix-Code angestrengt und behält sich rechtliche Schritte gegen SuSE Linux und Red Hat vor.

IBM soll den Unix-Code zur Unterstützung von Linux eingesetzt haben, behauptet SCO. Dem in Lindon, Utah, ansässigen Unternehmen gehört der Unix System V Code, für den IBM zur Entwicklung von AIX eine Lizenz erworben hatte. Dass SCO (ehemals Caldera) nun ein Vorgehen gegen Nutzer des Open-Source-Betriebssystems nicht ausschließt, hat für einigen Wirbel gesorgt.

Das Ganze wäre jedoch nicht ganz so ungewöhnlich, wenn SCO nicht selbst eines der Gründungsmitglieder von UnitedLinux wäre, einem Zusammenschluss von Unternehmen, deren gemeinsames Ziel die weltweite Verbreitung von Linux-Software ist.

Um die Ernsthaftigkeit des Vorgehens zu untermauern, hat SCO in einem ungewöhnlichen Schritt die eigenen Linux-Distributionen auf Eis gelegt. Man wolle sich verstärkt um Unix bemühen, hieß es. Die SCO Group hat dazu einen offenen Brief an die Linux-Benutzer im Web hinterlegt.

Lizenzgebühren oder Gerichtsverfahren

Chris Sontag, Senior Vice President und General Manager von SCOsource, einer SCO-Division, die für Verwaltung und Schutz des geistigen Unix-Eigentums von SCO verantwortlich ist, sprach mit dem IDG News Service über SuSE, UnitedLinux, IBM und Linux-Nutzer. Seiner Auffassung nach benutzen Linux-Entwickler, Distributoren und Kunden Code, der ihnen nicht gehört. Sollten sie nicht alsbald Lizenzverträge mit dem Software-Unternehmen schließen, würde man sich eben vor Gericht wiedersehen.

IDGNS: SuSE sieht sich gefeit gegen jedwede rechtlichen Schritte Ihrerseits auf Grund von Verträgen mit SCO und UnitedLinux, dessen Mitglied Sie selbst sind. Müssen sich SuSE und andere Linux-Distributoren, einschließlich Red Hat, tatsächlich Sorgen machen?

Chris Sontag: Hinsichtlich der Verträge, die wir mit SuSE und UnitedLinux haben, möchte ich unmissverständlich klarstellen, dass in diesen Verträgen nirgendwo die Rede von einer solchen Art rechtlichem Schutz ist, wie sie das jetzt in der Presse darstellen. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich mich nicht in dieser Weise äußern.

IDGNS: Planen Sie irgendwelche rechtlichen Schritte gegen SuSE oder Red Hat?

Chris Sontag: Zurzeit planen wir nichts dergleichen. Wir konzentrieren uns ganz auf den Prozess gegen IBM. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir uns für die Zukunft nicht rechtliche Schritte vorbehalten, um unser geistiges Eigentum zu schützen.

IDGNS: Sie sind ein Mitglied von UnitedLinux. Würden Sie sagen, dass Ihr Prozess gegen IBM zu Reibungen innerhalb der Gruppe geführt hat?

CHRIS SONTAG: Ja, es gibt Reibungen. Aber wir tun unser Bestes, um den Dialog mit den anderen Teilnehmern und Mitgliedern von UnitedLinux offen zu halten. Darl McBride, CEO von SCO, hat unzählige Gespräche geführt mit den anderen CEOs bei UnitedLinux. Wir tun alles, um den Dialog offen zu halten und bemühen uns um eine gütliche Einigung mit allen beteiligten Parteien. Einen solchen Abschluss haben wir bislang zwar nicht erreicht. Doch wir geben die Hoffnung nicht auf.

"Unser Hauptaugenmerk lag immer auf Unix"

IDGNS: Würden Sie zustimmen, dass Ihr rechtliches Vorgehen zu Zweifeln innerhalb der Linux-Gemeinde geführt hat und dass diese Zweifel die Marketing-Anstrengungen von UnitedLinux untergraben?

Chris Sontag: Unbestreitbar, es gibt Zweifel und Ungewissheiten. Und innerhalb der Linux-Gemeinde werden nun Probleme sichtbar. Wir sind nicht die Ersten, die das Thema des geistigen Eigentums ansprechen, aber jetzt ist es sicher zu einem zentralen Thema geworden. Seit wir uns auf den Prozess gegen IBM eingelassen haben, sind uns die Probleme rund um Linux und anderes noch einmal sehr viel deutlicher bewusst geworden.

IDGNS: Welches Ziel verfolgen Sie also?

Chris Sontag: Wir hoffen, dass wir dies mit einem Grundsatzurteil abschließen können, damit jeder eine eindeutige Haltung zum Thema geistiges Eigentum einnehmen kann.

IDGNS: Einige Leute fragen sich bereits, ob sich SCO in letzter Zeit nicht vielmehr auf Unix konzentriert als auf Linux. Fühlen Sie sich Linux noch verpflichtet?

Chris Sontag: Unser Hauptaugenmerk lag immer auf Unix. Unser Engagement für Linux gründet darin, dass wir so unseren Kunden eine größere Auswahl und vielfältigere Lösungen anbieten können. Und daran hat sich nichts geändert.

IDGNS: Können Sie sich vorstellen, UnitedLinux zu verlassen, wenn die Reibungen innerhalb der Gruppe anhalten?

Chris Sontag: Momentan unterstehen all unsere Aktivitäten hinsichtlich Linux einer Neubewertung. Wir wollen uns zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht dazu äußern, was wir zu tun gedenken oder eben auch nicht. Aber sicherlich müssen wir bestimmte Geschäfte, Möglichkeiten und Themen des Marktes neu überdenken und dabei entsprechende Korrekturen vornehmen.

IBM will Unix bedeutungslos machen

IDGNS: UnitedLinux zu verlassen ist also immerhin eine der Möglichkeiten?

Chris Sontag: Diese Frage möchte ich bis auf Weiteres verschieben.

IDGNS: Was gab den Ausschlag für den Prozess gegen IBM? Warum gerade jetzt und nicht schon vor einem Jahr?

Chris Sontag: Gegen Ende letzten Jahres begannen wir mit der Arbeit an Initiativen, die auf SCO-Code basieren. Wir haben uns in verschiedenste Themen eingearbeitet, wobei wir uns bereits einige Sorgen machten. Dann fuhren wir zu Anfang dieses Jahres auf die "LinuxWorld" und hörten Äußerungen von Steve Mills, einem Senior Executive bei IBM, der dort für die generelle Software-Strategie verantwortlich ist. Im Wesentlichen sagte er, dass IBM seine Expertise zu AIX nutzen wolle, um Linux mit Unix konkurrenzfähig zu machen. Und in diesem Stil fuhr er fort und sagte zum Beispiel auch, dass mit Hilfe von IBM Unix bedeutungslos gemacht würde. IBM ist ein SCO-Lizenznehmer der Unix-Technologie, diese Lizenz geht zurück auf Verträge mit AT&T. Damit wurde IBMs Haltung natürlich zu einem großen Problem für uns.

IDGNS: IBM ist ein riesiger Konzern mit Taschen voller Geld und großer politischer Schlagkraft. Glauben Sie, dass Sie diesen Prozess gewinnen können?

Chris Sontag: Wir sind sehr zuversichtlich. Wir glauben, dem Gericht zu gegebener Zeit eindeutige Beweise vorlegen zu können.

"Wir sind in der Lage, die Lizenz am 13. Juni zurückzuziehen"

IDGNS: Wie sieht das weitere Vorgehen aus?

Chris Sontag: SCO hat Klage erhoben, und IBM wurde aufgefordert, innerhalb von 30 Tagen Stellung zu nehmen. Sie baten um weitere 30 Tage Aufschub, den wir ihnen gewährt haben. Doch nach insgesamt 60 Tagen haben sie praktisch nichts vorgelegt - ein äußerst unprofessionelles Verhalten, das uns sehr überrascht hat. Jetzt im Mai werden unsere Anwälte sich zu Besprechungen zusammensetzen, und die Anhörungen vor dem Richter werden geplant. Danach werden wir die Unterlagen zusammenstellen und Beweise und Aussagen unter Eid aller beteiligten Parteien einreichen, die unserer Ansicht nach in dieses Gerichtsverfahren gehören. Die Entscheidung über alle weiteren Schritte liegt dann beim Richter.

IDGNS: Könnte dies nicht noch Monate, ja sogar Jahre so weitergehen?

Chris Sontag: Ein komplexes juristisches Verfahren wie dieses kann Jahre dauern. Dennoch, wir glauben, das Verfahren beschleunigen zu können, allein schon auf Grund der sonst eintretenden Folgeschäden für SCO. Außerdem gibt es vertragliche Verpflichtungen für IBM, die aus dem Lizenzvertrag über unseren Unix System V Code herrühren, den IBM für AIX benutzt hat. Wir sind in der Lage, die Lizenz am 13. Juni zurückzuziehen, was IBM dazu veranlassen sollte, sich ebenfalls für ein zügiges Verfahren einzusetzen.

IDGNS: Und wie steht es mit SuSE- und Red-Hat-Kunden und anderen Linux-Nutzern? Müssen die sich auch auf einen Prozess gefasst machen?

Chris Sontag: Sollten sich die Beweise erhärten, gibt es sicherlich auch für Endverbraucher Grund zur Sorge. Wenn Sie über Dinge, die durch Copyright geschützt sind, oder über Geschäftsgeheimnisse sprechen, dann müssen sich sogar die Leute, die sich für diese Informationen interessieren, Sorgen machen.

Inzwischen hat das "Wall Street Journal" berichtet, dass Microsoft die Unix-Technologie von SCO lizenziert hat. Finanzielle Details wurden dabei nicht genannt. Darl McBride, CEO von SCO, spricht gegenüber dem "Wall Street Journal" auch noch von einem weiteren gewichtigen Vertreter aus der IT, der sich ebenfalls für einen Lizenzvertrag entschieden habe. (uba, Übersetzung: Britta Mümmler)

Das Interview mit Chris Sontag führte John Blau aus dem Düsseldorfer Büro des IDG News Service. Am Newsservice des IDG-Verlages, zu dem auch tecCHANNEL gehört, sind weltweit über 250 IT-Publikationen in mehr als 50 Ländern beteiligt.