Routingvarianten

19.04.2002
Daten- und Sprachpakete legen zum Teil große Entfernungen zurück. Verschiedene Routingprotokolle sorgen dafür, dass die Informationen auf dem besten Weg möglichst schnell ihren Bestimmungsort erreichen.

Von: Andreas Wurm

Ein Router verbindet einzelne IP-Subnetze. Er wird immer dediziert angesprochen, bekommt also Datenpakete und entscheidet, ob er sie zu einem anderen Router weiterschickt oder ob sich die Zieladresse in einem an ihn angeschlossenen LAN-Segment befindet.

Eine wichtige Aufgabe beim Weiterleiten ist die Wegwahl, das Routing. Das Gerät muss in der Lage sein, über viele Netzwerksegmente hinweg einen Empfänger zu ermitteln. Das Verfahren lässt sich in zwei Klassen teilen: statisches und dynamisches Routing. Ein Weg ist immer dann statisch, wenn er sich nicht ändert. Die Routen, über die das Gerät empfangene Pakete weiterleiten soll, muss der Administrator von Hand in die so genannte Routingtabelle eingeben. Diese enthält Informationen, in welche Richtung die eingehenden Daten weitergeschickt werden müssen, um zum jeweiligen Zielnetzwerk zu gelangen. Statisches Routing kommt überall da zum Einsatz, wo sich die Zieladresse nicht ändert, zum Beispiel am Rande eines Netzwerkes, wo ein Router ein lokales Netz mit dem Internet verbindet.

Dynamisches Routing

Dynamisches Routing ist ein Verfahren, bei dem sich die Angaben in der Routingtabelle von Zeit zu Zeit ändern können: Damit alle Komponenten wissen, wie sie die Ziele erreichen können, führt jedes Gerät eine Software aus, die über ein Routingprotokoll Informationen mit anderen Routern austauscht. Ein Router kennt Ziele, die er erreichen kann und teilt diese den umliegenden Nachbarn periodisch mit. So "lernen" alle Geräte in einem Netz die einzelnen Wege, um ankommende Informationen bestmöglich weiterzuleiten. Sie aktualisieren also ihre Routingtabellen in regelmäßigen Abständen.

In Weitverkehrsnetzen erfolgt das Routing mithilfe eines Exterior Gateway Protocol (EGP). Von verschiedenen Varianten hat sich das Border Gateway Protocol (BGP) durchgesetzt. Es wurde mittlerweile dreimal überarbeitet und ist zurzeit als BGP-4 implementiert. BGP bietet Routinginformationen auf Ebene der autonomen Systeme (siehe Kasten). Das heißt: Die Wege in den Weiterleitungstabellen sind Pfade zu autonomen Systemen. Es sind keine Metriken vorhanden, und die EGP-Komponenten können keine Informationen über die Router in den einzelnen Teilnetzen auf den jeweiligen Pfaden ausgeben.

Mit BGP lassen sich Vorkehrungen für ein so genanntes Transit-Routing treffen: Autonome Systeme können selbst festlegen, ob sie Daten für entfernte Adressaten durchleiten oder nicht. Um Datenströme zu klassifizieren, müssen Netzwerkverwalter Attribute für die einzelnen Flows vergeben. Anhand einer Klassifizierung kann das Protokoll zwischen Internet-Serviceprovidern (ISP) und Unternehmensnetzen unterscheiden. BGP nutzt für die gesamte Kommunikation TCP (Transmission Control Protocol). TCP gewährleistet, dass die Daten in der richtigen Reihenfolge ankommen und dass keine verloren gehen. BGP ist bei den ISPs das bevorzugte Protokoll, um Routinginformationen untereinander auszutauschen und von einem so genannten Routenserver einzuholen.

Interior Gateway Protocol

Um Informationen innerhalb eines autonomen Systems zu verteilen, benötigen Router ein Interior Gateway Protocol (IGP).

Das Routing Information Protocol (RIP) ist das am weitesten verbreitete IGP-Protokoll. Bei RIP schicken alle Router ihre Routingtabellen als Broadcast an ihre Nachbarn. Dabei geben sie die Entfernung zu anderen Netzen oder Routern aus der Sicht der eigenen Tabelle an. Beim RIP ist der entscheidende Parameter für eine Wegwahl der so genannte Hop. Auf Basis der von anderen Komponenten empfangenen Pakete berechnen sie mithilfe einer Metrik die kürzesten Entfernungen zu anderen Netzen beziehungsweise Knoten. Diese Vorgehensweise ist auch als Distance Vector Algorithmus (DVA) bekannt. Außerdem benennen sie den Nachbarrouter, der diese Entfernung bekannt gegeben hat, als Zielrouter zur Weiterleitung. Ändern sich die Parameter, zum Beispiel weil ein Nachbar ausfällt oder eine Verbindung unterbrochen ist, erneuern die Geräte ihre Tabellen selbstständig. Auch Verzögerung oder Bandbreite sind als Metrik-Parameter möglich, jedoch in der Praxis kaum vorzufinden. Das Protokoll gibt es in zwei Versionen: RIP 1 versendet Routinginformationen als Broadcast, RIP 2 unterstützt Multicast-Übertragungen. Zusätzlich zur Benennung dedizierter Ziele lässt sich mit dem Protokoll eine Default-Route festlegen. So kann ein Unternehmen RIP dazu verwenden, um auf den Default-Routen den Verkehr zum Provider zu transportieren. RIP nützt für alle Nachrichtenübertragungen UDP (User Datagram Protocol).

Ein modifiziertes Distance-Vector-Protocol ist das Interior Gateway Routing Protocol (IGRP). Es unterscheidet sich von RIP durch eine Metrik, mit der sich die optimale Route berechnen lässt. Diese Metrik berücksichtigt die Lastverteilung sowie die Qualität und die Leitungsauslastung auf den Strecken. Um die Stabilität eines Pfades zu gewährleisten, verfügt IGRP über Funktionen, mit denen sich falsche Routen vermeiden und Wege, die gerade offline sind, für eine bestimmte Zeit blocken lassen.

Enhanced Interior Gateway Routing Protocol

Enhanced IGRP (EIGRP) ist eine Weiterentwicklung von IGRP. Im Gegensatz zu IGRP tauschen die Router ihre Tabellen nur im Falle einer Änderung aus. Das Protokoll berücksichtigt neben dem bestmöglichen Pfad außerdem die günstigsten Kosten. EIGRP ist eine Kombination von DVA mit dem so genannten Link State Algorithm (LSA). Bei diesem dynamischen Routingverfahren richtet sich die Tabellenberechnung nicht nur nach der Entfernung, sondern auch nach der jeweiligen hierarchischen Struktur, in der Router untereinander verbunden sind. Es sind immer mindestens zwei Ebenen vorhanden: Backbone- und Area-Router. Bei Tabellenänderungen geben die Komponenten nur die Abweichungen weiter und zwar nur an die Nachbarn der eigenen Hierarchieebene. Der LSA ist auch als SPF-Routing (Shortest Path First) bekannt.

Open Shortest Path First

RIP hat einen großen Nachteil: Die Änderungen in den Tabellen verbreiten sich nur langsam. Jeder Router muss ankommende Routinginformationen mit den Zielen in seiner Tabelle vergleichen und etwaige Änderungen eintragen. So verbreiten sich die aktuellsten Pfade von Gerät zu Gerät. Für große Unternehmensnetze ist RIP deshalb zu schwerfällig. Mit Open Shortest Path First (OSPF) entwickelte die Internet Engineering Task Force (IETF) ein Routingprotokoll, das sich besser für große Netzwerke skalieren lässt. Das Protokoll für den Einsatz in autonomen Systemen verwendet ebenfalls LSA und kann somit hierarchische Netzstrukturen verarbeiten. Um so wirtschaftlich wie möglich zu routen, nutzt OSPF eine Datenbank, in der die angrenzende Topologie hinterlegt ist. Aufbauend auf dieser generiert jeder Router eine hierarchische Baumstruktur, den so genannten Shortest-Path-Baum. Der jeweils kürzeste Weg wird als Route festgelegt. Geräte, die sich mit der Shortest-Path-First-Methode die Verfügbarkeit einzelner Verbindungswege mitteilen, reduzieren so die Schleifenbildung in Netzwerken. Gibt es alternative Pfade mit denselben Entfernungen, verteilt OSPF die Last gleichmäßig. Die errechnete Baumtopologie ist für jeden OSPF-Router im Netz anders. Für jede Metrik, beispielsweise Hops, Verzögerung oder Zuverlässigkeit, konstruiert ein Gerät unterschiedliche Bäume. Im IP-Header ist in einem drei Bit langen TOS-Feld (Type of Service) der Typ der Metrik festgelegt. Mit OSPF lassen sich somit auch Dienstklassen im Routing berücksichtigen.

Als Alternative zu OSPF in großen Netzen gilt das Intermediate System to Intermediate System Protocol (IS-IS). Es arbeitet nach einem ähnlichen Konzept wie OSPF, basiert auf einem Domänenkonzept und ermöglicht dadurch eine hierarchische Modellierung. IS-IS unterstützt vier Metriken: Leitungskapazität, Verarbeitungszeit, Kosten und Fehlerrate. Diese Metriken lassen sich beliebig kombinieren. Genau wie OSPF erstellt das Protokoll für jede Metrik einen eigenen SPF-Baum und eine eigene Routingtabelle.