Roll-out wird zur Migration

09.05.2003
Mehr als 40 000 Clients, Server und Drucker aufzubauen und zu einem Netz zusammenzuschließen - das ist an sich schon keine leichte Aufgabe. Doch damit nicht genug: Mitten im Projekt musste der Dienstleister T-Systems die IT des nordrhein-westfälischen Justizministeriums auf "Windows 2000" migrieren.

Von: Dirk Beiersdorff

IT-Ausstattung für 178 Gerichte und Behörden an 333 Standorten, 22 500 Clients, 18 000 Drucker, mehrere Hundert Server - so sieht es aus, das Projekts "Justiz 2003". Es begann im Juni 1996. Zu diesem Zeitpunkt beschloss die Regierung Nordrhein-Westfalens, die Landesjustiz vollständig mit IT auszustatten. Bis Ende 2003, so die Planung, sollte der Roll-out vollendet sein. Bei der Finanzierung war man nicht kleinlich. Die Ausschreibung hatte ein Volumen von über 193 Millionen Euro.

Den Zuschlag als Generalunternehmer erhielt die Telekom-Tochter T-Systems - nicht zuletzt deshalb, weil das Systemhaus groß genug war, um alle anfallenden Aufgaben selbst zu leisten oder zumindest zu koordinieren. Die Anforderungen gingen weit darüber hinaus, lediglich ein großes Netzwerk unter "Windows NT" zu realisieren. Auch die Einbindung bestehender justizspezifischer Applikationen musste klappen. Nutzer an Windows-Arbeitsplätzen sollten Datensätze aus diesen, meist unter Unix laufenden Fachanwendungen einsehen können.

"Allein die Größe des Gesamtprojektes hätte viele Anbieter überfordert," weiß Gerd Fischer, Account Manager für öffentliche Auftraggeber bei T-Systems: "Justiz 2003 ist das größte Projekt, welches das nordrhein-westfälische Justizministerium je ausgeschrieben hat. Zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe war es sogar das umfangreichste Windows-Projekt in Deutschland." Besonders schwierig war es, die über das Bundesgebiet verteilten und sehr unterschiedlich großen Standorte mit einer einheitlichen Struktur zu versehen. Während kleinere Büros mit 20 Clients auskamen, waren in größeren Standorten, wie den Oberlandes- oder den Amtsgerichten, 500 bis 1200 Arbeitsplätze zu integrieren.

Grundlegend neue Struktur

Mehr noch: Das Gesamtkonzept musste "so zentral wie möglich und so dezentral wie nötig sein", betont Karl-Heinz Meurer, Leiter des neu geschaffenen Technischen Betriebszentrums der nordrhein-westfälischen Justiz. "Wir mussten daher zusammen mit dem Roll-out auch den IT-Betrieb und seine Prozesse grundlegend umstrukturieren."

Von 1997 bis 1999 stand die baulich-technische Vorbereitung der Justizgebäude im Vordergrund. Parallel dazu plante T-Systems in Abstimmung mit dem Kunden Konzepte für Windows, "Microsoft Exchange", Virenschutz und Proxy-Dienste. Jeder Arbeitsplatz war zudem an das neu zu schaffende Intranet sowie ans Internet anzubinden. Die Mitarbeiter sollten zudem nicht nur E-Mails, sondern auch Faxe von ihrem Rechner versenden können. Bevor das Projekt anlief, gab es kein übergreifendes WAN und in den seltensten Fällen Internetanschluss. Die wenigen Behördenstandorte, die bereits über Internet und E-Mail verfügten, betrieben ihre eigenen Server. Dieser Zustand hatte auch Vorteile, meint Account Manager Gerd Fischer: "Wir konnten so gut wie alles von Grund auf neu gestalten."

Beispielsweise war die Datenmigration kein Problem: Praktisch alle Vorgänge waren erledigt, wenn sie sich auf einem offiziellen Papier befanden. Die Schreibkräfte hatten immer nur ein paar wenige, aktuell in Arbeit befindliche Dateien auf der Festplatte.

An manchen Standorten existierten allerdings heterogene LANs mit Clients, die teils unter "Windows 3.11", teils unter "Windows NT" liefen. Die meisten Arbeitsplätze waren jedoch überhaupt nicht vernetzt. Dieser Wildwuchs verhinderte, dass ein zentraler Helpdesk bei IT-Problemen schnell hätte eingreifen können. Bei Schwierigkeiten, die sich nicht telefonisch klären ließen, kam ein Mitarbeiter zum PC vor Ort. Bei Updates aktualisierte das Fachpersonal jeden Rechner einzeln, eine zentrale Softwareverteilung war unbekannt.

Von Juni 1999 bis Ende 2000 erfolgte der erste Abschnitt des Roll-outs. Knapp ein Drittel aller Gerichte, Ämter und Justizeinrichtungen erhielt in dieser Zeit eine Vollausstattung. Neben Geräten von Drittanbietern kamen von T-Systems selbst zusammengestellte Systeme zum Einsatz.

Softwaremanagement erleichtert Anpassung

Die Software jedes neuen Arbeitsplatzrechners umfasste das Betriebssystem, "Microsoft Office", Antivirensoftware, "Internet Explorer", "Outlook" sowie eine Faxlösung. Bei anderen Programmen gab es verschiedene Varianten. Beispielsweise benötigte nicht jeder Justizmitarbeiter "Microsoft Access". Deshalb wurden vorab Gruppen mit unterschiedlichen Nutzerprofilen definiert, um die Arbeitsplatzrechner passgenau zu liefern. Im Regelfall musste der Administrator lediglich den neuen Nutzer der Domäne bekannt machen und ihm eine IP-Adresse zuordnen - letzteres geschah fast immer per Dynamic Host Configuration Protocol (DHCP). Zur Standardkonfiguration jedes neuen Rechners gehörte auch ein Client für den Microsoft "Systems Management Server" (SMS). Mit dieser Lösung lässt sich die Masterkonfiguration sehr schnell von zentraler Stelle aus anpassen.

Der Systems Management Server erleichtert aber nicht nur das Verteilen von Software, er spart den IT-Mitarbeitern auch so manchen Fußmarsch. Diese können sich nun per Fernzugriff in laufende Arbeitssitzungen einklinken und Probleme von zentraler Stelle aus lösen.

Windows 2000 ersetzt NT

Mitten im Projekt wurde aus dem Roll-out eine Migration: Während T-Systems 1999 noch Server und Desktops mit Windows NT 4.0 lieferte, basiert seit Oktober 2002 die gesamte IT-Ausstattung auf "Windows 2000 Professional". Das aktuellere Betriebssystem hat verschiedene Vorteile. "Stabilität und Berechenbarkeit zählen im öffentlichen Sektor zu den wichtigsten Eigenschaften", weiß Fischer. Auch der Support sei besser als beim Vorläufer. Derzeit laufen die letzten Planungen zur Serverkonsolidierung. Ein Windows-2000-Server kann mehrere NT-Maschinen ersetzen, was noch mehr dem Wunsch des Auftraggebers nach einer zentralen Architektur entspricht. In naher Zukunft werden außerdem alle Justizstandorte auf einen einzigen E-Mail-Verzeichnisdienst zurückgreifen. In ausgewählten Behörden gewinnt T-Systems derzeit Erfahrungswerte über den Einsatz von Windows 2000. Aufgrund dieser Informationen werden dann alle bereits installierten Serverdienste neu zusammenfasst und konsolidiert. Zugleich erhalten alle bislang installierten Desktop-Rechner mittels Softwaremanagement das neue Betriebssystem. (haf)

Zur Person

Dirk Beiersdorff

ist Journalist in München.