Roboterfußball

16.04.2003 von Michael Swaine
Auch Forscher spielen Fußball: mit Robotern. Denn komplexe Mannschaftsspiele eignen sich bestens, Probleme wie die Entscheidungsfindung in vernetzten Systemen zu erforschen - und medienwirksam umzusetzen.

Forscher, die sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigen, fühlen sich schon seit langem unter Wert gehandelt und vermissen die wohlverdiente Anerkennung ihrer Arbeit. Millionen öffentlicher und privater Gelder würden derzeit in relativ riskante und langfristige Forschungen etwa zur Nanotechnologie investiert, so klagen sie. Und meinen damit, dass diese Summen sehr viel sicherer und mit größerer Aussicht auf Gewinn in einem Projekt über Künstliche Intelligenz angelegt wären.

Zum Teil sind die KI-Forscher selbst Schuld, wenn ihnen heute die Anerkennung versagt bleibt. KI-Forscher haben in der Vergangenheit solch unerhörte Behauptungen aufgestellt wie jene, dass sie den Funktionsweisen des menschlichen Gehirns und Bewusstseins auf der Spur seien und dass schon sehr bald Computerprogramme denken könnten wie Menschen. Da sich diese Behauptungen schnell als maßlos übertrieben erwiesen, litt nicht nur das Ansehen der KI-Forschung generell, sondern auch die finanzielle Förderung ihrer Projekte im Speziellen.

Ein falsches Spiel gespielt

Inzwischen scheinen einige KI-Forscher jedoch zu glauben, dass sie bloß das falsche Spiel spielen. Und sie könnten Recht damit haben. Jahrzehntelang hat sich die KI-Forschung auf Schach als das ultimativ intelligenteste Spiel konzentriert. Verschiedenste Anläufe wurden unternommen, um einen Schachcomputer zu schaffen, der es mit den menschlichen Großmeistern aufnehmen kann. Und die Ergebnisse sind eindrucksvoll, sowohl hinsichtlich der Fortschritte in der Entwicklung hoch komplexer Software als auch mit Blick auf das angestrebte Ziel. Die besten Schachprogramme können heute tatsächlich gegen die großartigsten Schachspieler der Welt bestehen und ihnen eine herausfordernde Partie bieten.

Nur leider hat scheinbar nie ein KI-Forscher die beschämend pragmatische und so gar nicht intellektuelle Frage gestellt: Wie viele Menschen spielen eigentlich leidenschaftlich gern Schach? Im Vergleich etwa zu, sagen wir, Fußball? Machen Sie sich also darauf gefasst, dass bald mit künstlicher Intelligenz begabte Fußballroboter gegen Ihre Lieblingsmannschaft antreten. Nein, so weit ist es noch nicht, jedenfalls nicht auf dem grünen Rasen. Doch Roboterfußball gibt es wirklich.

RoboCup: die WM der KI-Forschung

Es begann 1997, und im vergangenen Jahr hat sich gezeigt, dass der Roboterfußball mit dem international besetzten RoboCup sogar ein echtes Ereignis zu bieten hat. Der RoboCup ist die Weltmeisterschaft des Roboterfußballs, und 2002 haben in Fukuoka-Busan in Japan 188 Mannschaften aus 29 Ländern daran teilgenommen. Für die diesjährige Weltmeisterschaft, den RoboCup 2003 , der vom 2. bis 11. Juli in Padua (Italien) ausgetragen wird, haben sich bereits nahezu 400 Mannschaften angemeldet. Mittlerweile gibt es die unterschiedlichsten Wettbewerbsligen im RoboCup, unter anderen die Small-Size-, Middle-Size-, 4-Legged- und die Humanoid-Liga, jede mit eigenen Regeln und unterschiedlichen wissenschaftlichen Zielsetzungen.

Es muss noch einmal mit Nachdruck betont werden, dass es sich hier um Wissenschaft handelt (siehe zum Beispiel Arbeitskreis RoboCup). Roboterfußball hat nichts mit jenen kriegerisch anmutenden Kämpfen zu tun, in denen ferngesteuerte Spielzeugroboter aufeinander losstürmen und sich mit Kettensägen zerstückeln. Das Reglement des Roboterfußballs verbietet Fouls und unfaires Verhalten, ein Roboterfußballer kann sogar vom Platz gestellt werden, wenn er einem anderen Roboter zu schaden droht. Und hier handelt es sich auch nicht um ferngesteuertes Spielzeug: Alle Roboter müssen von Spielanpfiff bis Spielende selbstständig funktionieren, d.h. autonom handeln, und sich wie echte Fußballer an allgemeine Spielregeln halten. Damit liegen Welten zwischen den elektronischen Fußballern und den ferngesteuerten Spielzeugrobotern, die bloß zerstörerisch aufeinander einschlagen.

Komplexes Mannschaftsspiel

Fußball stellt ganz andere Anforderungen an die Fertigkeiten seiner Spieler als Schach, und in gewisser Weise sind diese schwieriger zu programmieren. Um wirkungsvoll Fußball zu spielen, muss ein Roboter zu selbstständigen Entscheidungen fähig sein und zugleich die Kommunikation und Teamarbeit mit seinen Mitspielern beherrschen. Außerdem muss er in der Lage sein, die Echtzeit-Ereignisse logisch einzuordnen und aus Erfahrungen zu lernen.

Allein den Ball von einem Spieler zum anderen zu passen, stellt ein sehr komplexes Problem dar: dazu gehören die Koordination zweier autonom handelnder Roboter, die Voraussage ihrer zukünftigen Spielpositionen sowie der Positionen ihrer Gegenspieler und eine Vorstellung von der Verteidigungsstrategie des Gegners. Die Strategie eines Roboters kann sich in der Interaktion mit seinem Gegner ändern, was wiederum - in Reaktion darauf - die Strategie seines Gegners verändert. So entsteht eine Spirale sich gegenseitig immer weiter potenzierender Komplexität.

Bei einigen Roboterfußballteams konzentrieren sich daher manche Programmierer ganz auf das Erkennen der gegnerischen Strategie, während sich andere ausschließlich mit der Optimierung des "Sehvermögens" und der Programmierung der Lerneffekte beschäftigen. Die Arbeit an Spielen dieser Art birgt ein ungeheuer großes Potenzial, die Wissenschaft des Programmierens entscheidend weiterzuentwickeln. Roboterfußball ist Grundlagenforschung der Künstlichen Intelligenz und ihres Agierens in vernetzten Systemen.

2050: Roboter gegen Mensch

In einigen der Wettbewerbsligen des RoboCup benutzen die Roboter bereits einen echten, dem Reglement entsprechenden Fußball. Die Spielfelder, auf denen die Mannschaften gegeneinander antreten, sind bislang allerdings allesamt noch künstlich hergestellte Umgebungen mit reduzierten Ablenkungsfaktoren von außen. Aber Fragen der Art, wie etwa ein Spielen auf der unebenen Fläche eines natürlichen Rasens für Roboter zu realisieren ist, werden von den KI-Forschern schon ernsthaft diskutiert.

Denn auch wenn Roboterfußballer bislang nur gegen andere Roboter spielen, so soll es dabei doch nicht bleiben. Ein ehrgeiziges Ziel der am RoboCup teilnehmenden KI-Forscher ist es, eine Mannschaft vollständig autonomer Roboter zu entwickeln, die im Jahr 2050 den dann amtierenden menschlichen Fußballweltmeister schlagen kann. (Übersetzt von Britta Mümmler)