Ringen um die richtige Lösung

26.10.2001
Nach dem Personal Computer und dem Internetanschluss schicken sich jetzt auch die lokalen Netze an, Wohnungen und Heimbüros zu erobern. Der Haken dabei: Wer Rechner, Drucker, Scanner oder Geräte der Unterhaltungselektronik verbinden möchte, muss sich zwischen mehreren Techniken entscheiden. Selbst bei den Funk-LANs haben sich zwei Lager gebildet.

Von: Kirsten Schmidt, Bernd Reder

Computer und Internetzugang gehören heute nach Meinung der meisten Deutschen zur Wohnung wie der Kühlschrank und die Waschmaschine. Das belegen diverse Untersuchungen von Marktforschungsinstituten (siehe Kasten "Studien zu Internetnutzung"). Doch die Zeiten, in denen ein System pro Haushalt ausreichte, neigen sich dem Ende zu. Der Trend geht in Richtung Zweit- oder gar Dritt-PC: Die Kinder benötigen einen fürs Lernen und Spielen, die Erwachsenen mindestens einen separaten Rechner, um beispielsweise Bankgeschäfte abzuwickeln, organisatorische Dinge zu erledigen oder im Home Office zu arbeiten. Hinzu kommen Peripheriegeräte wie Drucker oder Scanner.

Früher oder später stellt sich dann die Frage, wie alle Rechner auf den zentralen Laserdrucker, den Scanner oder Highspeed-Internetzugang zugreifen können, oder auf welche Weise sie sich mit Unterhaltungsgeräten koppeln lassen, beispielsweise Fernseher, Videokamera und Stereoanlage. Die Antwort sollen so genannte "Home Networks" geben.

Entgegen den Prognosen von Marktforschern fristeten Netze für den Heimbereich jedoch in den vergangenen Jahren ein Schattendasein. Das hat mehrere Gründe. Erstens ist kaum jemand bereit, Wände oder Böden seiner Wohnung aufzureißen und nachträglich Kabelkanäle für ein Home Network zu verlegen. Gefragt sind Lösungen, die ohne größeren Aufwand installiert werden können. Zweitens verunsicherten die Haustechnik- und Elektrobranche, die Hersteller von Unterhaltungselektronik und Hausgeräten sowie die Computer- und Netzwerkindustrie die Interessenten, indem sie eine Vielzahl von inkompatiblen Standards für das "Intelligente Haus" entwickelten.

Kabelgestützte Home Networks

Für zusätzliche Verwirrung sorgt die Tatsache, dass die Normen für unterschiedliche Einsatzgebiete konzipiert wurden. Ansätze wie der European Installation Bus (EIB), das "Local Operating Network" (LON) oder der Smarthome-Dienst der Deutschen Telekom sind eher im Bereich der "Home Automation" anzusiedeln. Mit ihrer Hilfe lassen sich beispielsweise Heizungsanlagen, Jalousien oder elektrische Geräte fernsteuern und Zählerstände ablesen. Dagegen dienen Standards wie IEEE 1394 ("Fire Wire") und der Universal Serial Bus (USB) 2.0 dazu, Audio-, Video- und Rechnersysteme miteinander zu koppeln.

Bei den kabelgestützten Home Networks hat der Anwender die Wahl zwischen drei Alternativen. Seit Juli dieses Jahres bieten mehrere Stromversorgungsunternehmen in Deutschland die "Powerline Communications"-Technik (PLC) an, also die Datenübertragung über Stromkabel. Über das Stromnetz können Rechner und Peripheriegeräte Daten austauschen und auf das Internet zugreifen (siehe dazu den Beitrag "Kommunikationssteckdose wird Realität" in NetworkWorld 13/2001, Seite 12 f. sowie die erweiterte Berichterstattung auf www.networkworld.de/techup).

Das zweite Verfahren ist ein Datennetz auf Grundlage der Telefonverkabelung. Die "Home Phone Network Alliance" (Home PNA) hat eine entsprechende Spezifikation erarbeitet. Die aktuelle Version 2.0 sieht eine Datenrate von bis zu 10 MBit/s und eine Reichweite von rund 300 Metern vor. An ein Home-PNA-Netz lassen sich bis zu 50 Geräte anschließen.

Allerdings ist es fraglich, ob die angekündigten Datenraten in der Praxis erzielt werden. Denn dies setzt eine qualitativ hochwertige Verkabelung voraus, vor allem was Spleiße und Kabelabschlüsse betrifft. Home PNA ist in erster Linie eine Technik, die für Anwender in den USA in Frage kommt. Dort verfügt quasi jeder Raum über einen Telefonanschluss. Hier zu Lande ist das noch nicht der Fall. Ein Netz mit zwei Knoten kostet laut Home PNA weniger als 200 Dollar, eine Adapterkarte etwa 100 Dollar.

Die dritte Alternative ist ein "normales" kabelgestütztes Ethernet-LAN im Heimbereich. Diese Lösung kommt jedoch nur dann infrage, wenn entsprechende Kabelkanäle vorhanden sind, und das dürfte in den meisten Wohngebäuden nicht der Fall sein. Eine Verkabelung nachträglich zu installieren, ist somit kaum machbar, es sei denn, der Nutzer nimmt größere Umbaumaßnahmen in Kauf.

Funkgestützte Netze sind auf dem Vormarsch

Inzwischen zeichnet sich allerdings ab, dass LAN-Techniken wie Fast-Ethernet in Verbindung mit IP und Funklösungen wie Wireless LANs (WLAN) oder der Kurzstrecken-Funktechnik Bluetooth im Home-Networking-Bereich ein gewichtiges Wort mitsprechen werden. Bei den drahtlosen Gebäudenetzen für Privathaushalte konkurrieren zwei Ansätze miteinander:

- "Home RF", das unter anderem von Siemens, Compaq, National Semiconductor, Nokia, Proxim und Motorola unterstützt wird. Die "Home Radio Frequency Working Group", welche die technischen Grundlagen entwickelt hat, zählt derzeit circa 70 Mitglieder.

- "Wireless Fidelity" (Wifi) der Herstellervereinigung "Wireless Ethernet Compatibility Alliance" (Weca), das auf dem IEEE-Standard 802.11b für Funk-LANs aufsetzt. Der Weca gehören mittlerweile mehr als 120 Firmen an.

Home RF künftig mit 20 MBit/s

Home RF nutzt ebenso wie Wifi das 2,4-GHz-Frequenzband. Beide Verfahren unterschieden sich bis vor kurzem vor allem hinsichtlich der Bandbreite: 802.11b stellt eine theoretische Übertragungsrate von 11 MBit/s bereit, während die erste Version von Home RF nur auf 1,6 MBit/s kam. Seit Mai liegt die Version 2.0 der Home-RF-Spezifikation vor, die bis zu 10 MBit/s vorsieht. Gegenwärtig kommen erste Produkte dafür auf den Markt. Im kommenden Jahr soll die Übertragungsrate auf 20 MBit/s steigen. Es ist jedoch noch offen, auf welche Weise dieser Wert erreichen werden kann. Im Gespräch sind unter anderem die Frequency-Shift-Keying-Modulation (FSK) oder lineare Modulationsverfahren.

Home Radio Frequency wurde im Gegensatz zu IEEE 802.11b nicht für Funk-LANs im professionellen Umfeld, sondern speziell für Heimnetze konzipiert. Die Technik arbeitet mit dem Frequenzsprung-Spreizbandverfahren (Frequency Hopping Spread Spectrum, FHSS). Eine Besonderheit von Home RF ist, dass es zwei Medium-Access-Protokolle (MAC) verwendet. Für die Übermittlung zeitkritischer Informationen, wie Sprache und Streaming-Media-Daten, ist das TDMA/TDD-Protokoll (Time Division Multiple Access/Time Division Duplex) zuständig, das auch Bestandteil des Dect-Standards (Digital European Cordless Telecommunications System) ist. Zeitunkritische IP-Datenpakete werden dagegen mithilfe von "Wireless Ethernet" transportiert, das dabei auf das Zugriffsverfahren CSMA (Carrier Sense Multiple Access) zurückgreift.

Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass "empfindlichen" Anwendungen eine garantierte Bandbreite und Quality-of-Service-Eigenschaften zur Verfügung stehen. Das gilt vor allem für Sprachinformationen. Zudem geht die Home-RF-Allianz davon aus, dass Anwender zu Hause oder im Small Office/Home Office (SoHo) künftig auch verstärkt Streaming-Media-Inhalte nutzen werden. Insgesamt unterstützt Home RF bis zu acht parallele Streams.

Über ein Home-RF-Netz lassen sich beispielsweise MP3- oder Videodaten zu Stereoanlagen in der Wohnung, Personal Digital Assistants (PDA) oder dem Auto in der Garage übertragen. Motorola und Simple Devices kündigten Ende Juli an, die dafür notwendigen Produkte zu entwickeln.

Wireless-Fidelity-Lager wird stärker

Home RF sticht nach Auffassung seiner Protagonisten Wifi außerdem auf folgenden Gebieten heraus:

- der Interferenz mit anderen Funktechniken wie Bluetooth oder Haushaltsgeräten wie Mikrowellenherden: Home Radio Frequency sei diesbezüglich deutlich weniger anfällig;

- der Sicherheit dank 128-Bit-Verschlüsselung und einer höheren Widerstandfähigkeit gegenüber Denial-of-Service-Attacken;

- den Kosten. Home-RF-Adapterkarten seien für umgerechnet rund 90 Euro zu haben, während der Anwender für Wifi-Karten rund 150 Euro auf den Tisch legen müsse.

Trotz dieser Argumente konnte IEEE 802.11b zuletzt gegenüber dem Konkurrenten Boden gut machen. Intel beispielsweise, das zu den Home-RF-Verfechtern zählte, unterstützt mit der neuen Generation seines "Any-Point"-Heimfunknetzwerkes jetzt Wireless Fidelity. Any Point kann bis zu zehn Desktop- oder Laptop-Rechner über mehrere Etagen hinweg in einem Umkreis von 45 Metern verbinden. Neben Intel bieten unter anderem auch Apple, Dell, Cisco, 3Com, Lucent und Elsa WLANs auf Grundlage von 802.11b an.

"Der Home-Networking-Markt steht erst an seinem Anfang und die Anwender orientieren sich an bekannten Herstellermarken, denen sie vertrauen können", sagt Karuna Uppal, Analyst beim US-Marktforschungsunternehmen Yankee Group. Außerdem seien von der Wifi-Dachorganisation Weca (Wireless Ethernet Compatibility Alliance) inzwischen bereits mehr als 150 Produkte zertifiziert worden und zum Großteil schon erhältlich.

"Weil Wifi auf der Norm IEEE 802.11 basiert, die im Bereich der drahtlosen Unternehmensnetze mittlerweile Industriestandard ist, hat der Anwender weitere Vorteile", unterstreicht Theo Beisch, der Vorstandsvorsitzende der Elsa AG. Die Firma aus Aachen bietet mit "Lancom Wireless" und "Airlancer" Wifi-Komponenten an.

In immer mehr Firmen nutzen die Mitarbeiter inzwischen mit Funktechnik ausgestattete portable Rechner, mit denen sie sich nun auch zu Hause von jedem Zimmer aus drahtlos ins Internet einwählen können. Geräte wie das Toshiba Notebook Satellite 4600 oder das G4-Powerbook von Apple sind bereits heute serienmäßig mit einem entsprechenden Funkchip ausgestattet. "Dieser Standard wird sich in Zukunft immer mehr durchsetzen", ist Beisch überzeugt.

Wifi und Home RF vertragen sich nicht

Hoffnung, dass es eine "Brücke" zwischen Home RF und Wifi geben wird, besteht nicht. Denn Wifi verwendet mit Direct Sequence Spread Spectrum (DSSS) eine andere Übertragungstechnik. Zudem kommt bei IEEE 802.11b nur das Zugriffsverfahren CDMA zum Einsatz, das sich primär für die Übermittlung von Datenpaketen eignet, und nicht eine Mixtur aus paketorientierter und leitungsvermittelnder Übertragung wie bei Home Radio Frequency.

Allerdings gibt es Bestrebungen, auch IEEE 802.11b um Quality-of-Service-Eigenschaften zu erweitern, damit sich über solchen Funk-LANs Echtzeitdaten übertragen lassen. Eine Task Group E innerhalb des Institute of Electrical and Electronics Engineers arbeitet an Spezifikationen. Sie werden voraussichtlich Ende dieses Jahres oder Anfang 2002 vorliegen. Bis es so weit ist, können die Hersteller auf die Point Coordination Function (PCF) des 802.11-MAC-Layers zurückgreifen. Die PCF erlaubt es Access Points, ein Funk-LAN zeitweise in einen verbindungsorientierten Zustand zu versetzen, indem sie einzelne Clients mithilfe eines Broadcast-Signals für einen bestimmten Zeitraum quasi zum Schweigen bringt. Speziell für Voice over IP über 802.11-Netze hat zudem Spectralink ein proprietäres Protokoll entwickelt, das Voice Priority Protocol. Die Hersteller von Funk-LANs können es kostenlos in ihre Produkte integrieren. Das haben Agere Systems, Breezecom, Cisco, Enterasys und Symbol Technologies getan.

"Miteinander" unterschiedlicher Techniken

Auch in Bezug auf die Sicherheit hat 802.11b aufgeholt. Vor einigen Monaten wurden Lücken bei der Verschlüsselung der Funkdaten mittels "Wired Equivalent Privacy" (WEP) aufgedeckt. Diese Löcher sind mittlerweile gestopft. Inzwischen lassen sich die Daten mithilfe von 128-Bit-Keys verschlüsseln. Zudem sollen Session Keys für jeden Benutzer und jede Verbindung das Sicherheitsniveau weiter erhöhen.

"In der Praxis wird es häufig Mischformen aus Fast-Ethernet, Wifi und Bluetooth im Heimnetzwerk geben", vermutet Heiko Harbers, Geschäftsbereichsleiter Consumer Communication bei Elsa. Die einzelnen Räume sind zwar per Kabel angeschlossen, doch innerhalb der Zimmer erfolgt die Anbindung über eine drahtlose Lösung. Denn nur so lässt sich der gefürchtete Kabelsalat vermeiden, und eine Erweiterung des Netzes ist ohne Probleme möglich. Technische Schwierigkeiten durch das Nebeneinander von Bluetooth und Wireless LAN im Heimnetzwerk sind nach den Erfahrungen des Aachener Unternehmens nicht zu befürchten. Umfangreiche Kompatibilitätstests mit Komponenten anderer Hersteller und die Zertifizierung durch die Weca, die mit dem Wifi-Logo dokumentiert wird, stellen eine reibungslose Kommunikation sicher.

Bei der Diskussion, welche Home-Networking-Funktechnik letztlich das Rennen machen wird, spielen jedoch nicht nur technische Details eine Rolle. Vielmehr gewinnen Faktoren wie Marktmacht und Marketing an Gewicht. Diesbezüglich scheint die Wifi-Fraktion - zumindest im Moment - die Nase vorn zu haben. Sie propagiert 802.11b als universelle Funk-LAN-Technik, die in Firmengebäuden, Krankenhäusern oder "Hot Spots" wie Hotels und Flughäfen zum Einsatz kommen könne, aber auch im Heimbüro oder der Wohnung.

Die Mitglieder des Home-RF-Lagers tun sich schwer, gegen diese Argumentation anzukommen. Sie postulieren, Wifi sei eine Technik für das professionelle Umfeld, während dem Home-RF-Verfahren das Heimnetzwerk und das Small Office/Home Office gehöre. Doch der Heimnetzmarkt ist einfach zu attraktiv, als dass sich die Hersteller von 802.11-WLANs auf diese "Arbeitsteilung" einlassen könnten.

Dem Anwender wird somit nichts anderes übrig bleiben, als zwischen den rivalisierenden Funk-LAN-Techniken und den kabelgestützten Home-Networking-Varianten zu wählen. Dabei werden sicherlich auch Aspekte eine Rolle spielen wie die vermeintlichen oder realen Auswirkungen von elektromagnetischen Wellen auf die Gesundheit, das Handling und die Verfügbarkeit von Produkten und Services sowie der Preis.