Raus aus dem LAN

13.03.2002
Die Standardisierung von 10-Gigabit-Ethernet steht kurz bevor. Mit der endgültigen Ratifizierung verlässt die Technik das LAN und macht sich auf den Weg in die Netze außerhalb der Gebäude. Die Hardwarehersteller sind darauf gut vorbereitet.

Von: Andreas Wurm

Kaum hat sich die Gigabit-Ethernet-Technik einigermaßen in der Datenwelt festgesetzt, steht bereits die nächste Generation in den Startlöchern. Noch im März will das IEEE (Institute of Electrical and Electronical Engineers) den 10-Gigabit-Ethernet-Standard verabschieden. War Gigabit-Ethernet noch eine reine LAN-Technik (Local Area Network), ist 10-Gigabit-Ethernet ein Übertragungsverfahren für Metronetze (MAN: Metropolitan Area Networks) und zum Teil sogar für WANs (Wide Area Network). Es soll Serviceprovidern eine günstige Zubringertechnik zu den Core-Netzen der Carrier bereitstellen, die auf bewährten Frame-Formaten beruht.

Der Einsatz von 10-Gigabit-Ethernet in den Weitverkehrs- und Metronetzen würde die Vereinheitlichung der Datenströme weiter vorantreiben. Sprache, Daten und Video-Streams lassen sich damit gemeinsam auf IP-Basis (Internet Protocol) versenden. Die bislang nötige Umsetzung von Protokollen auf die für die jeweilige Übertragungstechnik geeigneten Formate würde damit zumindest für die oben genannten Netzwerkbereiche entfallen.

Einsatzgebiete

Experten gehen davon aus, dass die neue Ethernet-Variante im WAN-Bereich eine hohe Marktakzeptanz erreichen wird, da sich das Verfahren mit Sonet/SDH (Synchronous Digital Hierarchy) verträgt. Sonet/SDH liefert in der Multiplexstufe OC-192/STM64 mit 9,953 GBit/s annähernd die gleiche Datenrate wie 10-Gigabit-Ethernet. Das Zugriffsverfahren CSMA/CD (Carrier Sense Multiple Acces with Collision Detection) wird es beim neuen Ethernet-Standard nicht mehr geben. CSMA/CD regelt auf einem gemeinsam genutzten Übertragungsmedium den Datenversand der angebundenen Clients. 10-Gigabit-Ethernet arbeitet ausschließlich im Vollduplex-Betrieb, das Frame-Format und die Frame-Größe von Ethernet bleiben erhalten.

Manche Fachleute glauben, dass die neue Technik schon bald Einzug im LAN halten wird, um im Backbone sowohl Server als auch Switches zu vernetzen. Bis dahin dürfte jedoch noch einige Zeit vergehen, da Unternehmen gerade erst angefangen haben, ihre Netze im Sekundärbereich mit Gigabit-Ethernet auszustatten. Außerdem sind heute die Server noch weit davon entfernt, eine Datenrate von 10 GBit/s verarbeiten zu können. Und solange auf den Etagen noch Fast-Ethernet vorherrscht, was für die meisten Anwendungen nach wie vor völlig ausreicht, wird die neue Technik im LAN sowieso nicht zu finden sein.

10-Gigabit-Ethernet ist vielmehr etwas für den Metrobereich, wo bei der Verbindung von Campusnetzen oder von LANs mit Carrier-Netzen hohe Datenraten gefordert sind. Außerdem ließe sich das Verfahren nutzen, um Rechenzentren mit einer hohen Geschwindigkeit an das Unternehmensnetz anzubinden. Ein anderes Einsatzgebiet ist der Storage-Bereich. In den heutigen Hochleistungsspeichernetzen (SAN: Storage Area Networks) erfolgt die Datenübertragung in der Regel über Fibre Channel mit einer Übertragungsrate von mittlerweile 2 GBit/s. Hier könnte 10-Gigabit-Ethernet zum Einsatz kommen und das Speichernetz durch einen Datentransfer über iSCSI in das Unternehmensnetz integrieren. Mit iSCSI lassen sich Speicherdaten über die preiswertere Ethernet-Technik transportieren.

Der neue Ethernet-Standard ließe sich auch als schnelles Zugriffssystem am Rande der Weitverkehrsnetze einsetzen, wo Serviceprovider mit der neuen Technik Flaschenhälse zwischen ihren PoPs (Point of Presence) beseitigen könnten.

Wie weit sind die Hersteller?

Anbieter von Netzwerkhardware haben lange vor der Ratifizierung des Standards damit begonnen, sich Gedanken über 10-Gigabit-Ethernet-Module für ihre Produkte zu machen. In verschiedenen Tests, wie zum Beispiel auf der letztjährigen Networld & Interop in Atlanta, prüften einige Anbieter ihre ersten Modelle auf Interoperabilität mit anderen Herstellern.

Eines der ersten Unternehmen, das ein 10-Gigabit-Ethernet-Modul vorstellte, war Foundry Networks. Mittlerweile bietet Foundry mit den Layer-3-Switches "Big Iron 4000", "Big Iron 8000" und "Big Iron 15 000" 10-Gigabit-Ethernet-fähige Geräte an. In die Maschinen mit den selbst entwickelten Jetcore-Asics passen bis zu 14 der neuen 10-Gigabit-Ethernet-Module mit jeweils einem Port. Der Preis beträgt pro Karte je nach Anschlusstyp zwischen 57 000 und 98 000 Euro. Die 10-Gigabit-Ethernet-Ports sind laut Foundry seit März 2002 lieferbar.

Das 10-Gigabit-Ethernet-Modul in den Routing-Switches "Cajun P 580" und "Cajun P 882" entwickelte Avaya hauptsächlich für den Einsatz in Enterprise-Netzen und für Campus-Verbindungen. Die Singleport-Schnittstellen kosten laut Hersteller je nach Ausführung zwischen 23 000 und 69 000 Euro und sollen laut Hersteller ab Mai verfügbar sein.

Für den "Catalyst 6500" bietet Cisco bislang zwei Einschübe an: Für 10GBase-LR für rund 34 600 Euro und als 10GBase-LX4 für Multiplexing mit vier verschieden Kanälen auf einer Glasfaser (WWDM: Wide Wave Division Multiplexing) für zirka 92 500 Euro.

Das Shipping von 10-Gigabit-Ethernet-Modulen ist bei Nortel Networks in zwei Zeitabschnitte unterteilt: In der ersten Phase sind bisher Singleport-LR-Module für den Layer-3-Switch "Passport 8600" erhältlich. Sie unterstützen nur eine Verkabelung über Singlemode-Fasern. In Phase zwei, die der Hersteller im ersten Halbjahr 2003 einläuten will, sollen auch Multiport-Einschübe verfügbar sein, die sowohl Single- als auch Multimode-Strecken ermöglichen.

Extreme Networks hat noch kein 10-Gigabit-Ethernet-Modul vorgestellt, arbeitet aber schon seit Juli 2001 mit einer proprietären Lösung eines 4-Kanal-WWDM-Vollduplex-Produkts. Extreme stellte die Schnittstelle beim Interoperabilitäts-Test in Atlanta im vergangenen Jahr vor. Das Unternehmen plant, das erste normkonforme Produkt im Sommer auszuliefern. Es basiert auf dem LR-Standard. Die Schnittstellen sind vorerst nur für den "Black Diamond " vorgesehen.

Im Highend-Router "Xpedition ER 16" bietet Enterasys einen EinPort-Einschub an. Dieser befindet sich derzeit in der Beta-Phase und ist voraussichtlich ab Juni 2002 erhältlich. Für die Access-Plattform "Matrix E7" kommt im Herbst 2002 eine 10-Gigabit-Ethernet-Schnittstelle. Über die Art des Anschlusses und die Preise ist noch nichts bekannt.

Auch für Juniper sind solche Module ein Thema, das Unternehmen hat aber noch keine Produkte vorgestellt. Was die Verfügbarkeit derartiger Schnittstellen angeht, gibt es bislang noch keine genauen Zeitplan. Das Gerät, das einen Durchsatz von 10 GBit/s pro Interface unterstützt und somit für 10-Gigabit-Ethernet infrage kommt, ist der Internet-Router "M160".

Fazit

Inwieweit sich 10-Gigabit-Ethernet auf breiter Front durchsetzt, bleibt abzuwarten. Es herrscht die Vorstellung vor, dass das Verfahren kostengünstiger sei als die vergleichbare Sonet/SDH-Multiplexstufe, was bei genauer Betrachtung jedoch nicht richtig ist. Der Löwenanteil der Kosten entfällt auf die optischen Komponenten, und die sind die gleichen wie bei Sonet/SDH. Günstiger wird das Verfahren erst, wenn es auf breiter Ebene eingesetzt wird, also den Weg zurück ins LAN findet. Das könnte noch einige Zeit dauern.