Kommunikationslösungen richtig auswählen

Ratgeber: Unified Communications lohnend einsetzen

30.06.2010 von Martin Groß
In den meisten Unternehmen bestimmen die klassischen Interaktionsformen wie E-Mail oder das Telefonieren über Festnetz oder Handy noch den Alltag. Innovative Formen wie Webconferencing, Desktop Sharing oder Instant Messaging rücken aber nach. Für wen lohnt sich Unified Communications?

Unternehmen kommunizieren immer mehr. In einer Studie von Berlecon Research gaben 93 Prozent der befragten Geschäftsbereichsleiter an, dass das E-Mail- und Gesprächsaufkommen stark zugenommen hat. In kleinen und mittleren Unternehmen wird die interne Kommunikation oft unterschätzt. Aufgrund der überschaubaren Organisation und der wenigen Mitarbeiter verlässt man sich auf die reine Kommunikationsfähigkeit und übersieht dabei nicht selten, dass sich nicht nur die Anforderungen auf dem Markt, sondern auch an die interne Kommunikation gravierend geändert haben.

So profitieren Unternehmen von UC

Klar ist: Eine pauschale Antwort auf die Frage, welche Features die Mitarbeiter wirklich benötigen, gibt es nicht. Das hängt vom jeweiligen Einsatzgebiet ab.
Foto: Cosynus

Der wirtschaftliche Nutzen von Unified Communications lässt sich nur schwer mit Zahlen belegen, weil auch die Kommunikationsdefizite selten auf den ersten Blick erkennbar sind. Die Mängel tauchen in keiner Bilanz auf und lassen sich auch nicht in Zahlen messen.

Allerdings werden jedes Jahr in Deutschland, Österreich und der Schweiz zweistellige Milliardenbeträge für die Unternehmenskommunikation ausgegeben. Demnach sind Unternehmen durchaus davon überzeugt, dass die Kommunikation als Wettbewerbsfaktor anzusehen und für den Geschäftserfolg mit ausschlaggebend ist. UC führt die Kommunikationswege verschiedener Medien zusammen und setzt so den Hebel an mehreren Punkten an: Die Telefonkosten sinken, die Produktivität steigt, und die Teamarbeit wird einfacher. Außerdem reduzieren Audio- und Videokonferenzen Reisekosten und sparen Zeit. Auch die Administrationskosten sinken, da die Verwaltung von UC-Lösungen mit Hilfe grafischer Tools einfach und flexibel ist. UC zählt, als Zusammenspiel von Telekommunikation, IT und Unternehmenssoftware, zu den geschäftskritischen Kernprozessen eines Unternehmens und dient dem Ziel, Informationen schnell, komfortabel sowie ortsunabhängig bereitzustellen.

UC macht außerdem transparent, ob und wo Benutzer gerade erreichbar sind. Auch das verbessert die Kommunikation. In der heutigen Zeit geht es nicht mehr darum, eine Abwesenheitsnotiz zu hinterlassen, sondern um die mobile Erreichbarkeit. Deshalb fordern Anwender Präsenzinformationen. Sie reduzieren auch den Mail-Verkehr.

Marktführer oder Nischenanbieter?

Auf der Suche nach der passenden UC-Plattform sollte jedes Unternehmen prüfen, inwieweit seine bereits eingesetzten Softwareprodukte in das neue System integriert werden können. Neben Microsoft gehören Cisco und IBM zu den wichtigsten Anbietern von UC-Systemen. Sie verfolgen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte und verschiedene Lösungsansätze.

UC von Cisco: Über ein breites Unified-Communications-Portfolio, ergänzt durch die Collaboration-Plattform von WebEx, verfügt beispielsweise Cisco.
Foto: Cisco

So verfügt Cisco beispielsweise über ein breites Unified-Communications-Portfolio mit Stärken im Bereich der Telefonie- und Konferenzsysteme. Die Kernkomponente, der "Unified Communications Manager", wird auf speziellen Routern installiert. Für Voice over IP (VoIP) vertreibt Cisco ein breites Spektrum an IP-Telefonen, die über den Manager gesteuert werden. Mit dem "Unified Personal Communicator" steht auch ein Client zur Verfügung, der in Verbindung mit dem "Unified MeetingPlace 6.0" dem Unternehmen eine kombinierte Telefonie-, Video- und Instant Messaging-Plattform bereitstellt. Cisco achtet auf offene Standards und kann dadurch seine Lösungen in bestehende Strukturen integrieren. Im Cloud Computing, der Nutzung von Software als ausgelagerter Dienstleistung, ist Cisco aktiv, seit es im Jahr 2007 den Online-Collaboration-Povider WebEx gekauft hat. Dieser konzentriert sich vor allem auf Web-, Video- und Audiokonferenzen über den Browser mit jeglichem Endgerät.

Traditionell stützt sich Cisco stark auf den Verkauf von Netzinfrastruktur und nicht auf eine Entwicklung in Form von Softwaremodellen. Anwenderunternehmen sollten darauf achten, dass die Cisco-Unified-Workspace-Lizenzierung (CUWL) in ihr Konzept passt und sich nicht aufgrund der unübersichtlichen Lizenzierung der Produkte zu einer Kostenfalle entwickelt.

Die Unified-Communications- und Collaboration-Lösungen (UC2) von IBM basieren auf "Lotus Notes Messaging" und den "Lotus-Sametime"-Kollaborationsprodukten. Dabei setzt das Unternehmen auf eine Partnerstrategie mit vielseitigen Kommunikations-Servern und Business-Anwendungen im Backend, die in einer einheitlichen Benutzeroberfläche konsolidiert werden. IBM ermöglicht eine Anbindung verschiedener Partneranwendungen mit dem Sametime-Client im Frontend oder alternativ über eine Middleware wie das Eclipse Framework. Mit der "Sametime Telephony Middleware" verfügt IBM über eine Schnittstelle, die sich besonders für Unternehmen mit heterogenen Client-, Mobil- und Server-Umgebungen eignet. TK-Anlagen von unterschiedlichen Herstellern können so problemlos miteinander verbunden werden.

Auch IBM ist im Bereich der Hosting-Dienste sehr aktiv. So hat das Unternehmen im November 2007 den Cloud-Computing-Dienst "Blue Cloud" angekündigt, der 2008 mit "LotusLive" in das Produktportfolio aufgenommen wurde. Eigenen Angaben zufolge verfügt IBM derzeit über 13 Cloud-Center mit mehreren hundert Auftragnehmern auf der ganzen Welt.

Microsofts Collaboration-Ansatz

Microsoft setzt in Sachen UC ganz auf eine softwarebasierende Lösung, die sich nahtlos in bestehende Infrastrukturen integrieren lassen soll. Der Konzern arbeitet eng mit anderen Herstellern zusammen, so dass auch in der IP-Telefonie ein Höchstmaß an Kompatibilität gegeben ist. Durch diese Collaboration ermöglicht Microsoft eine hohe Flexibilität. Auch die Integration der UC-Produkte in bestehende Office-Lösungen ist gut gelungen, da durch die Ähnlichkeit mit anderen Microsoft-Erzeugnissen nur ein geringer Schulungsaufwand nötig wird. So kann ein Unternehmen mit mehreren Standorten durch IP-Lösungen die interne Kommunikation über das eigene Netz laufen lassen.

Um "Microsoft UC" jedoch erfolgreich einsetzen zu können, ist eine gut ausgebaute Infrastruktur notwendig. Zu ihr gehört nicht nur aktuelle Netztechnik, sondern auch geschickt konfiguriertes und geführtes Active Directory für die Nutzung der UC-Umgebung. Exchange Server und "Office Communication Server" (OCS) dienen als Basis für UC und benutzen ausschließlich Active Directory für die Speicherung von Konfigurationsinformationen. Unternehmen, die nicht über diese Voraussetzungen verfügen, bietet Microsoft seit Anfang 2009 einen Hosting-Dienst an. Die "Business Productivity Online Standard Suite" (BPOS) enthält softwarebasierende UC-Komponenten wie den OCS, Exchange, SharePoint und Live Meeting.

Im Gegensatz zu den Big Playern decken kleine Anbieter meist nur Teilbereiche von UC ab. Sollen verschiedene Komponenten von unterschiedlichen Herstellern vereinigt werden, ist darauf zu achten, dass die Hersteller auf standardisierte Schnittstellen Wert legen. Entschließt man sich als Kunde für ein All-in-one-System, besteht mittelfristig die Gefahr einer Abhängigkeit vom Hersteller, die nur zu hohen Kosten zu durchbrechen ist. Unternehmen, die UC-Produkte einführen wollen, sollten ihren Bedarf genau analysieren und besonderes Augenmerk auf die Skalierbarkeit der Produkte richten.

Was braucht der Anwender wirklich?

Nutzwert: UC-Systeme vereinen Video und Audio und eröffnen so neue Möglichkeiten der Collaboration.
Foto: Cisco

Unified Communications lohnt sich vor allem für Betriebe mit verschiedenen Standorten und mobilen Mitarbeitern. Aber ist eine UC-Einführung auch sinnvoll, wenn man nicht über die Infrastruktur verfügt? Hier stellt das Outsourcing der einzelnen UC-Dienste eine kostengünstige Alternative dar. Anders als beim Eigenbetrieb entfallen dabei nicht nur die hohen Anschaffungskosten, sondern auch die kontinuierliche Schulung von Mitarbeitern. Um Kosten zu sparen, besteht die Möglichkeit, UC-Lizenzen für eine spezielle Funktionalität zu mieten (Software as a Service) oder über IT-Dienstleister die Kommunikationsinfrastruktur auszulagern.

Eine pauschale Antwort auf die Frage, welche Funktionen die Mitarbeiter nun wirklich für ihre Arbeit benötigen, gibt es nicht. Es ist in jedem einzelnen Fall zu ermitteln, was den Anwender wirklich unterstützt und welches Features als "nice to have" zu bewerten ist. Ein Supportmitarbeiter wird das Desktop Sharing mehr nutzen als die Abwesenheitsanzeige, die wiederum der Sekretärin ein Hinterhertelefonieren erspart und ihr damit Zeit gewinnt.

Fazit

Unified Communications kann sich, unabhängig von der Betriebsgröße, für alle Firmen lohnen, die sich Wettbewerbsvorteile sichern wollen. Ob Eigenbetrieb oder Outsourcing, mit Kernkomponenten oder durch Teilimplementierungen die richtige Wahl ist, hängt vom jeweiligen Unternehmen ab. Meist führt die Einführung einer Unified-Communications-Lösung auch zu einer strategischen Neuausrichtung der Kommunikationstechnik und des Netzes. (Jürgen Hill/fho)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche .