Moderne Kühlung drückt RZ-Kosten

Ratgeber: Energieeffizienz im Data Center

04.04.2012 von Ulf  Schade und Jürgen Bilowsky
Die Kühlung von IT-Komponenten im Rechenzentrum kostet Unternehmen viel Geld. Neue Techniken und Konzepte helfen, die Energieeffizienz zu verbessern. Wir zeigen Ihnen aktuelle und künftige Kühllösungen für die Racks im Serverraum.

Die Leistungsdichte moderner IT-Infrastrukturen im Rechenzentrum nimmt kontinuierlich zu. Gleichermaßen wächst der Energiebedarf für die Stromversorgung und eine effiziente Kühlung der Systeme. RZ-Verantwortliche und auch der Branchenverband BITKOM sehen im Bereich Kältetechnik aktuell das größte Potenzial zum Eindämmen des Energieverbrauchs. Beträgt der Energieanteil für die Klimatisierung eines Data Centers, gemessen am Gesamtverbrauch, heute rund 33 Prozent, wird er sich durch technische Innovationen und Investitionen der Betreiber bis zum Jahr 2015 voraussichtlich auf 15 Prozent reduzieren, schätzen Experten des IT-Dienstleisters Computacenter.

Doch wie können kostengünstige und energieeffiziente Kühlungslösungen aussehen? Eine Möglichkeit besteht schlicht darin, Rechenzentren dort zu bauen, wo niedrige Temperaturen herrschen. Die Großen der Branche machen es vor und siedeln neue Data Center in der Nähe des Polarkreises an, um ihre gewaltigen Serverkapazitäten effizient mit kalter Luft oder mit Meerwasser zu kühlen. Eine massentaugliche Lösung ist die Verlagerung in die nördlichen Regionen allerdings nicht. In vielen Fällen sind andere Kühltechniken gefragt, die von einer einfachen Kaltgangschottung über wassergekühlte Server bis hin zu Absorptionskältesystemen reichen.

Anteil der Kühlung am Gesamtenergieverbrauch im RZ
Anteil Gesamtverbrauch RZ im Jahr 2010
Anteil Gesamtverbrauch RZ im Jahr 2015

Direkte freie Kühlung von RZ-Komponenten

Ob eine effiziente und damit kostengünstige Kühlung der RZ-Komponenten möglich ist, bestimmen verschiedene Faktoren im Data-Center-Umfeld. Eine direkte freie Kühlung mit kalter Außenluft ist die effizienteste Variante. Allerdings sind dazu Außentemperaturen unterhalb von 18 Grad Celsius nötig. An einem Standort wie beispielsweise Hamburg wird dieser Wert durchschnittlich an zehn Monaten im Jahresmittel erreicht. Sollte die Außentemperatur zu weit absinken, kann der kalten Zuluft warme Abluft des Rechenzentrums beigemischt werden. Ein Zuschalten der Kältemaschine ist mit Blick auf das Beispiel Hamburg im Durchschnitt lediglich an 50 Tagen im Jahr erforderlich. Der klimatisierungsbedingte Stromverbrauch kann auf diese Weise gegenüber der ausschließlichen Nutzung einer Kompressions-Kältemaschine um bis zu 50 Prozent reduziert werden.

So kühlen Pioniere das Data Center
Verdunstungskühlung
Modulare Verdunstungskühleinheiten wie Ecobreeze von Schneider Electric ermöglichen es in vielen Regionen, Rechenzentren hauptsächlich mit Außenluft zu kühlen.
Natürliche Luftströmungen und ein Vertikaldesign für die optimierte Kühlung
Das im Bau befindliche Marilyn-Rechenzentrum in Paris verwendet natürliche Luftströmungen und ein Vertikaldesign für die optimierte Kühlung des Gebäudes.
Thermisches Rad
Das thermische Rad schließt Innen- und Außenluft voneinander ab und schafft gleichzeitig einen Temperaturausgleich, dessen Ausmaß sich nach der Drehgeschwindigkeit richtet.
Submersionskühlung
Die Idee, IT-Systeme direkt flüssig zu kühlen – ohne Umweg über die Luft – feiert zur Zeit fröhliche Urständ. So verwendet der britische Rechenzentrumsbauer und –betreiber Ark Continuity Submersionssysteme der Marke CarnotJet von Green Revolution Cooling. Man muss sie sich als eine Art Hightech-Wanne vorstellen, in die das gesamte Hitze abstrahlende IT-Equipment gehängt wird.
Submersionskühlung in der Maschine
Den wohl konsequentesten Weg der Flüssigkühlung geht das junge amerikanische Unternehmen Hardcore Computer. Auch Hardcore verwendet zum Kühlen ein dielektrisches Öl, das gut Wärme leitet.
Liquiblade
Jedes der angebotenen „Liquidblades“ – ausgestattet mit aktuellen Prozessoren und entsprechender Connectivity – wird in sich gekapselt.
Liquiblade
Die Kühlflüssigkeit, die mehr als 1300 mal so gut isoliert wie Luft, fließt über tropffreie Zu- und Abflüsse und damit verbundene Schläuche kühl in den gekapselten Rechner ein und warm wieder hinaus. Das übrige Kühlsystem besteht aus Pumpen und einer Einheit, die die Kühlflüssigkeit ihrerseits kühlt, bevor sie in die Rechner zurückfließt.

Die Nutzung dieser Technik ist jedoch nur dann möglich, wenn in der Umgebung des Rechenzentrums keine Gefahren, zum Beispiel Brandlasten (brennbare Materialien), lauern. Zudem darf die Staub- und Partikelbelastung bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. Ein weiterer Nachteil: Bedingt durch die relativ warme Außenluft muss ein sehr großes Luftvolumen in das Rechenzentrum hinein- und aus diesem hinausbefördert werden. Die dafür benötigten Leitungsquerschnitte der Lüftungsanlage sind in bestehenden Rechenzentren oft nicht realisierbar. Bei weit im Gebäudekörper liegenden Rechenzentrumsräumen ist zudem die Länge der Leitungen zu berücksichtigen, durch die die Außenluft strömen muss. Die Luft erwärmt sich umso mehr, je länger die Strecke ist.

Indirekte freie Kühlung und Kaltgangschottung

In Rechenzentren, in denen sich die direkte freie Kühlung nicht realisieren lässt, kann das dahinterliegende Prinzip dennoch zur Effizienzsteigerung eingesetzt werden. Hier spricht man von der indirekten freien Kühlung. Dabei werden Luft-Wasser-Wärmetauscher in den Kühlwasserkreislauf des Kühlsystems eingebunden. Über diese wird die Wärme an die Außenluft abgeführt. Die erforderliche Außentemperatur liegt bei modernen Freiluftkühlsystemen bei 10 Grad Celsius - am Standort Berlin beispielsweise wird dieser Wert in mehr als der Hälfte des Jahres unterschritten.

Liegt das Rechenzentrum in geografisch günstiger Lage mit geringen Außentemperaturen, kann die notwendige Kühlleistung vollständig durch die indirekte freie Kühlung realisiert werden. Bei hohen Außentemperaturen schalten sich automatisch Kältemaschinen dazu. Der Stromverbrauch, der für die Klimatisierung erforderlich ist, kann im Vergleich zum ausschließlichen Einsatz von Kältemaschinen bis auf die Hälfte reduziert werden.

Kaltgangschottung für das Rechenzentrum

Bei der Kühlung von Rechenzentrumsräumlichkeiten - sei es durch direkte Kühlung oder durch sogenannte Umluftklimageräte (ULK) - ist stets darauf zu achten, dass kalte und warme Luft nicht vermischt werden. Denn dies hat zwei negative Konsequenzen: Zum einen wird die Luft, die zur Kühlung der Server benötigt wird, zu warm. Damit erzeugen die Klimageräte mehr Kälte als nötig. Zum anderen wird die zu den Klimageräten zurückgeführte Luft zu kalt. Damit sinkt der Wirkungsgrad der ULK, denn die Differenz zwischen zugeführter und rückgeführter Luft sollte zwischen 10 und 20 Grad liegen. Im Extremfall kann ein schlechterer Wirkungsgrad die Stromkosten für die Klimatisierung um bis zu 20 Prozent steigern.

Um dies zu vermeiden, bietet sich eine sogenannte Kaltgangschottung an, die bei richtiger Installation eine fast hundertprozentige Trennung von kalter und warmer Luft gewährleistet. Die Schottung wird aufgebaut, indem der Gang zwischen den gegenüberliegenden Frontseiten der Racks ein Dach erhält. Ganganfang und -ende werden zudem mit Türen beziehungsweise einer Wand versehen. Auf diese Weise strömt die kalte Luft durch den Druckboden über die Lochplatten in den Kaltgang, um die Server zu kühlen und dann als warme Abluft außerhalb des Kaltganges zu den Klimageräten zurückzugelangen.

Eine Luftdruckmessung und Temperaturüberwachung innerhalb des Ganges, gekoppelt mit einem geregelten ULK-System, sorgen dafür, dass nur die erforderliche Luftmenge mit der entsprechenden Temperatur in den Gang transportiert wird. Somit lassen sich die Energiekosten für die Klimatisierung um zirka 15 Prozent senken. Eine weitere Variante dieser technologischen Ausprägung stellt die Schottung des Warmgangs (Gang zwischen zwei gegenüberliegenden Rückseiten von Racks) dar.

Blockheizkraftwerke in Kombination mit Absorptionskältemaschinen

Eine weitere Variante für einen energieeffizienten RZ-Betrieb ist der Einsatz von Blockheizkraftwerken (BHKW). Unternehmen, die damit auf ihrem Werksgelände Strom und Wärme produzieren, haben zunächst das Problem, dass die im Sommer produzierte Wärme keinen Abnehmer findet. Denn in der warmen Jahreszeit ist das Heizen der Büroräume in der Regel nicht erforderlich. Allerdings kann der Wirkungsgrad eines BHKW durch die Nutzung von Absorptionskältemaschinen erhöht werden.

Bei diesen erfolgt im Gegensatz zu Kompressionskältemaschinen die Verdichtung durch eine temperaturbeeinflussende Lösung des Kältemittels. Wird BHKW-Warmwasser mit einer Temperatur von mehr als 55 Grad Celsius genutzt, kann die Absorptionskältemaschine eine zusätzliche Kühlleistung für das Rechenzentrum liefern. Die Zuführung von warmem Wasser erzeugt dabei die benötigte Antriebsenergie des Kältekreislaufs.

Unabhängig von einem BHKW sind diese Kältemaschinen im Rechenzentrum sinnvoll und effizient einsetzbar, wenn heißes Wasser in nahezu unbegrenzter Menge zur Verfügung steht. Das ist zum Beispiel in Unternehmen der Fall, in denen der Fertigungsprozess eine Kühlung mit Wasser erfordert und dieses quasi als "Abfallprodukt" zur Verfügung steht. Im Winter werden die vorhandene Wärmeenergie zur Beheizung der Gebäude genutzt und die Kühlung der RZ-Fläche über indirekte oder direkte freie Kühlung realisiert.

InRow-Cooling und Warmwasserkühlung

Die zunehmende Leistungssteigerung der Server, beispielsweise durch Blade-Server, zwingt die RZ-Betreiber, in hochverdichteten Racks von der klassischen Luftkühlung über den Druckboden auf sogenannte wassergekühlte Racks umzusteigen. In der Regel finden sich solche Systeme ab einer Energiedichte von mehr als 12 KW pro Rack in den Rechenzentren.

Hierzu werden geschlossene Racks verwendet, zwischen denen sogenannte "InRow"-Cooling-Systeme Platz finden. Diese Systeme sind an eine Kaltwasserversorgung angeschlossen und besitzen meist einen Wärmetauscher. Die Kaltluft wird direkt seitlich vor die Server geführt. Die warme Abluft fließt auf der Rückseite über den Wärmetauscher zu den Rückkühlern außerhalb des Gebäudes. Die Effizienz dieser Kühlmethode ist sehr hoch, allerdings muss zwischen Platzersparnis durch hochverdichtete Racks und den hohen Investitionskosten von wassergekühlten Racks abgewägt werden.

Serverkühlung mit Warmwasser

Im Gegensatz zu den "InRow"-Cooling-Systemen, bei denen wasserführende Racks und Server-Racks klar getrennt sind, gibt es auch Ansätze, die Kühlflüssigkeit über Rohrleitungen direkt zu den Central Processing Units (CPUs) zu bringen. Das wird beispielsweise bei Servern im Bereich High Performance Computing (HPC) eingesetzt. Gegenüber einer klassischen Kompressionskälteerzeugung sinkt der Energiebedarf dabei um rund 40 Prozent.

Man spricht hier auch von einer Kühlung mit Warmwasser, da die Kühlung mit 60 Grad Celsius warmem Wasser erfolgt. Der große Vorteil daran: Das warme Kühlwasser als Träger von Wärmeenergie kann direkt weitergenutzt werden. Beispielsweise kann mit diesem Wasser, wie bereits beschrieben, eine Absorptionskältemaschine betrieben werden, die eine Kühlleistung für konventionelle Systeme liefern kann. Bei dieser Lösung sind allerdings die Investitionen in die Serversysteme, die Installationen für Wasser in den Racks und der Mehraufwand zur Sicherung von Leckagen im Gesamtkontext zu bewerten.

RZ-Zukunft: Liquid Submerged Server

Auf die Spitze getrieben wird das Thema Serverkühlung durch sogenannte "Liquid Submerged Server". Hier wird der gesamte Server inklusive aller Komponenten in eine spezielle Kühlflüssigkeit getaucht. Am Markt gibt es spezielle Anbieter, die die erforderlichen technischen Flüssigkeiten anbieten.

Die Server, die beispielsweise als Blades zur Verfügung stehen, bestehen aus Standardindustriekomponenten (etwa Intel-CPUs) und befinden sich in einem geschlossenen Gehäuse. Dieses besitzt die erforderlichen Schnittstellen zur "Außenwelt", beispielsweise eine bestimmte Anzahl an Netzwerk-Ports. Neben diesen normalen Schnittstellen gibt es zwei weitere Anschlüsse: einen für den Zulauf und einen für den Ablauf der Kühlflüssigkeit.

Bei der Kühlflüssigkeit handelt es sich um eine spezielle Mischung, die auf der einen Seite Wärme optimal aufnimmt und abführt und die auf der anderen Seite nicht leitfähig ist. Der gesamte Server inklusive aller Komponenten wird von dieser Flüssigkeit durchströmt. Damit ist für eine optimale Wärmeabfuhr gesorgt. Die Kühlflüssigkeitsversorgung ist in spezielle Racks fest integriert, sodass die Server hochkant, ähnlich wie herkömmliche Blade-Server, in spezielle Chassis eingesteckt und integriert werden.

Die warme Flüssigkeit wird außerhalb des Rechenzentrums über Rückkühler geführt und den Servern erkaltet wieder zugeführt. Durch diese Speziallösung lassen sich die Kühlkosten um zirka 80 Prozent reduzieren - allerdings sind die Anschaffungskosten und die neuen Herausforderungen, die sich im RZ-Betrieb ergeben, nicht unerheblich.

Fazit

Mit neuen Konzepten und Techniken lässt sich der sekundäre Energieverbrauch beim Betrieb von IT-Systemen in Rechenzentren stark reduzieren. Zum einen zahlt dies auf die Green-IT-Ziele der Unternehmen ein, zum anderen werden über die verbesserte Power Usage Effectivness (PUE) der Data Center Kosteneinsparungen pro genutzter Primärenergie realisiert.

Die heute am häufigsten umgesetzten Maßnahmen finden sich im Bereich der indirekten freien Kühlung, der Kalt (Warm)-Gang-Schottung und der InRow-Kühlung. Andere innovative Ansätze werden sich in den nächsten Jahren durchsetzen und die Energieeffizienz weiter verbessern.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche. (cvi)