Alternativen

Problem Scheinselbstständigkeit von Freiberuflern

23.08.2014 von Christoph Lixenfeld
Wen lasse ich welchen Job machen? Diese Frage ist schwer zu beantworten. CIT-Entscheider sollten an Zeitarbeit, Outtasking und Attraktivität der eigenen IT-Abteilung denken.

Obwohl die Geschichte schon nach wenigen Tagen wieder raus war aus den Schlagzeilen, hat sie in den Personalabteilungen nachhaltig für Unruhe gesorgt: Bei der Daimler AG hatten sich im vergangenen Jahr zwei IT-Spezialisten vor Gericht eine Festanstellung erstritten, nachdem sie jahrelang über einen Dienstleister auf Werkvertragsbasis freiberuflich für den Autobauer gearbeitet hatten.

Hubert Staudt, Vorstandsvorsitzender der top itservices AG, beschäftigt sich auch damit, wie Unternehmen das sensible Thema Scheinselbständigkeit umschiffen können.
Foto: top itservices AG

Die beiden führten, so die Urteilsbegründung in Kurzform, zum Teil die gleichen Tätigkeiten aus wie Festangestellte, auch hätten sie immer wieder persönliche Weisungen direkt von Mitarbeitern der Daimler AG bekommen. De facto, so das Gericht, sei also ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Das Unternehmen wurde dazu verurteilt, beide fest einzustellen.

Der schwäbische Autohersteller steht mit dem Problem keineswegs allein dar. Nach Ansicht von Hubert Staudt, Vorstandsvorsitzender der top itservices AG, hat der Fall maßgeblich dazu beigetragen, Unternehmen für potenzielle Gefahren zu sensibilisieren. Die top itservices AG hat ihren Stammsitz in München/Unterhaching und verfügt bundesweit über neun Niederlassungen. Sie ist mit 800 Mitarbeitern und Beratern seit mehr als 30 Jahren als Personal- und Servicedienstleister in der IT tätig.

Riskant wird der falsche Umgang mit Freelancern keineswegs erst dann, so Hubert Staudt, wenn diese jahrelang auf dem Firmengelände präsent sind wie im beschriebenen Fall. "Freiberufler, die eigene Visitenkarten haben mit dem Signet des Auftraggebers oder auch nur das Recht, die Kantine ebenso zu benutzen wie die Festanstellten - schon das kann Ärger geben." Vom eigenen Büro mit Namensschild gar nicht zu reden.

"Schönen Dank auch"

Wobei die Gefahr, dass sich IT-Freelancer einen festen Job gerichtlich erstreiten, in der Praxis eher gering sein dürfte - trotz des spektakulären Daimler-Falls. Freiberufler verdienen in aller Regel deutlich mehr als vergleichbare Festangestellte. Die überwältigende Mehrheit hat - nicht nur deshalb - keinerlei Interesse daran, ihren Status gegen eine Festanstellung einzutauschen.

Bezeichnend in diesem Zusammenhang war der Kommentar eines Freelancers mit der Überschrift "Schönen dank auch", geschrieben als Reaktion auf den Artikel von Stuttgarter-Zeitung.de zur Causa Daimler im vergangenen Sommer: "…Wenn ich dank solcher Chaoten in einen Anstellungsvertrag und damit in das marode deutsche Sozialsystem gezwungen werde, so ist es genau das, was ich nicht möchte."

Gelöst ist das Problem damit allerdings keineswegs. Denn wer Freie wie Feste behandelt, macht sie unter Umständen zu Scheinselbstständigen. Im Extremfall kann das bedeuten, dass das beauftragende Unternehmen Steuern und Sozialabgaben nachzahlen muss und zusätzlich eine Geldstrafe bekommt.

Angst vor Festanstellungen

Senior-Projektmanager werden fast überall gesucht.
Foto: .shock - Fotolia.com

Auch deshalb überdenken aktuell immer mehr Unternehmen ihre IT-Personalpolitik. Was nicht heißt, dass sie zusätzlichen Bedarf vermehrt durch Festangestellte decken wollen. Populärer wird stattdessen auch in der IT die Zeitarbeit. Hubert Staudt sieht darin sogar "einen der wichtigsten IT-Personaltrends für die kommenden Jahre." Sein Unternehmen will davon profitierten. Staudt verhandelt nach eigenen Angaben aktuell mit gleich mehreren Großunternehmen, die die IT-Arbeitnehmerüberlassung erstmals einführen oder ausweiten wollen.

Der Vorteil liegt darin, dass das beauftragende Unternehmen diesen Externen - anders als bei Freelancern - direkte Weisungen erteilen darf, Rechtssicherheit und Flexibilität werden miteinander kombiniert. Hemmschuh der Entwicklung sind oft die (Ex-)Freelancer selbst; viele wollen nicht in ein Zeitarbeitsverhältnis wechseln. Hubert Staudt: "Vor einiger Zeit hatten wir einen Kandidaten, den mussten wir erst mühsam überzeugen, ein sehr wettbewerbsfähiges Angebot auch anzunehmen."

Services sind schwer exakt zu beschreiben

Immer knapp: Entwickler, vor allem für Tablet-Anwendungen.
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Zeitarbeiter schließen zwar mit dem Vermittler Verträge inklusive entsprechenden Pflichten ab, trotzdem funktioniert diese Art der Beschäftigung nur, wenn der Kandidat auch Lust hat auf ein Projekt. Besonders wenn es ein Jahr dauert oder länger, müssen die Beteiligten sicher gehen, dass der betreffende Programmierer oder Projektmanager auch so lange bei der Stange bleibt.

Eine weitere Möglichkeit, das leidige Thema Scheinselbständigkeit zu umschiffen und trotzdem bedarfsabhängige personelle Kapazitäten nutzen zu können, ist Outtasking: das Einkaufen nicht eines Spezialisten auf Zeit für einen intern zu erledigenden Job, sondern eines Services wie zum Beispiel einer Kundenhotline.

Nach Ansicht von Hubert Staudt handelt es sich auch hierbei um eine Spielart des Outsourcings, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Allerdings sei auch diese Zusammenarbeit nicht frei von Fallstricken: "Das Schwierige ist, einen Service zu beschreiben. Nehmen wir zum Beispiel die Arbeit einer Reinigungskraft: Exakt zu definieren, was diese wie tun soll, wie sich der Auftraggeber das Ergebnis genau vorstellt, das ist enorm aufwändig."

Lünendonk-Studie: Top Ten der Freiberufler-Vermittler -
Gute Aussichten für IT-Freelancer
Wer als einer von derzeit etwa 87.500 IT-Freien auf dem deutschen Markt agiert, hat gut Lachen. Das zeigen zwei Studien von Lünendonk: "Der Markt für Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung freiberuflicher IT-Experten in Deutschland" und "Führende Zeitarbeits- und Personaldienstleistungsunternehmen in Deutschland".
Gefragte Informatiker
Ein Blick in Lünendonks Studie über führende Zeitarbeitsfirmen und Personaldienstleister 2014 bestätigt den hohen Bedarf an Informatikern. Gerade die Top-Ten-Personaldienstleister suchen IT-Fachkräfte.
Führende Vermittler von IT-Freien: Platz 22 bis 11
Insgesamt hat Lünendonk 22 Firmen untersucht, die Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freien in Deutschland anbieten. Die Zahlen in der Liste sind teilweise geschätzt.
Platz 10: emagine
Die GFT-Tochter emagine, im Bild emagine Geschäftsführer Stefan Frohnhoff, machte 2013 mit der Freiberuflervermittlung einen Umsatz von 43 Millionen Euro (Vorjahr: 61,1 Mio), der Gesamtumsatz von emagine betrug 93,4 Millionen Euro (Vorjahr 113,8 Mio).
Platz 9. Quest
erwirtschaftete 2013 44 Mio. Euro Umsatz mit Freiberuflervermittlung (Vorjahr:49 Mio). Der Dienstleister beschäftigte 2013 46 Mitarbeiter, zwei mehr als 2012.
Platz 8: Etengo
Etengo-Vorstandschef Nikolaus Reuter kann sich über 45 Millionen Euro Umsatz und damit sieben Millionen mehr als in 2012 freuen. Die Mitarbeiterzahl der Mannheimer wuchs von 39 im Jahr 2012 auf 51 im Jahr 2013.
Platz 7. 1st Solution
Mit 46,6 Millionen Euro Umsatz durch die Freiberuflervermittlung im Jahrt 2013 hat 1st Solution fast den Wert des Vorjahres erreicht (46,8 Mio). Der Gesamtumsatz ging in dem Zeitraum um drei Millionen auf 59 Millionen zurück. 1st solution beschäftigte 2013 68 Mitarbeiter.
Platz 6: Westhouse Consulting
..ist unter anderem spezialisiert auf die Vermittlung von SAP-Freiberufler. 2013 liefen die Geschäfte bestens: Der Umsatz der Freiberuflervermittlung stieg um 23 Millionen auf 62,1 Millionen Euro an, der Gesamtumsatz stieg von 47 auf 71 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl von 65 auf 87 Euro.
Platz 5. SThree
... und ihre IT-Personalvermittlung Computer Futures haben 2013 mit IT-Staffing 62,7 Millionen Euro umgesetzt, 2,9 Millionen Euro mehr als 2012. Auch der Gesamtumsatz stieg von 137 Millionen auf 141 Millionen Euro. SThree beschäftigt 505 Mitarbeiter.
Platz 4. Solcom
Die Solcom-Geschäftsführer (von links) Martin Schäfer, Ansgar Nagel, Thomas Müller und Andreas Müller können zufrieden sein: Die IT-Freiberuflervermittlung brachte 2013 einen Umsatz von 67 Millionen Euro ( Vorjahr: 57,8 Millionen) ein. Die Mitarbeiterzahl wuchs um 23 auf 110.
Platz 3. Allgeier
Mit einem Gesamtumsatz von 239,4 Millionen Euro in 2013 hebt sich Allgeier auf Platz 3 deutlich von den Wettbewerbern ab. 161,2 Millionen Euro ( Vorjahr: 172,1 Mio. Euro) entfielen davon auf die IT-Freiberuflervermittlung. Die Mitarbeiterzahl stieg von 411 auf 437 an.
Platz 2. Gulp
... macht mit IT-Freiberuflervermittlung gut 100 Millionen mehr Umsatz als Allgeier Experts und liegt unangefochten auf Platz 2 des Rankings. Von 2012 auf 2013 erhöhte sich der Gesamtumsatz um mehr als 32 Millionen Euro auf 278,4 Millionen Euro, davon 268,3 Millionen Euro Umsatz durch IT-Freiberuflervermittlung (2012: 236,1 Mio. Euro). Gulp ist schlank aufgestellt und beschäftigt 180 Mitarbeiter ( 2012: 165 Mitarbeiter).
Platz 1. Hays
... und Vorstandschef Klaus Breitschopf sind die unangefochtenen Platzhirsche in der IT-Freiberuflervermittlung: Von 2012 auf 2013 stieg der Umsatz im IT-Staffing um 223 Millionen auf 759 Millionen Euro. Damit ist allein das Umsatzplus von Hays größer als der Freiberufler-Umsatz des Drittplatzierten Allgeier Experts. Hays erwirtschaftete mit 1380 Mitarbeiter 2013 einen Gesamtumsatz von 1,1 Milliarden Euro. Im Vorjahr waren es noch 819 Millionen Euro mit 1100 Mitarbeitern.
Auftraggeber in den Unternehmen
Nicht immer geht der Wunsch nach der Zusammenarbeit mit IT-Freelancern von der IT-Abteilung innerhalb der Unternehmen aus. Dies ist in 42 Prozent der Fälle so. Fast ebenso oft werden sie von der Einkaufsabteilung angefordert. Ein weiteres Ergebnis der Studie: in neun von zehn Fällen kommt der Freelancer zum Kunden.
Honorarerwartung nach Kenntnissen
Die Vermittler erwarten, dass insbesondere die Honorare für SAP-Spezialisten steigen. Denn diese sind besonders gesucht.

Fachkräftemangel betrifft nur wenige Jobs

Welche Leistungen CIOs in Zukunft intern, welche extern und wie genau erledigen lassen, wird eine Frage von zentraler Bedeutung sein. Es geht darum, wichtige Kompetenzen nicht zu verlieren und Kernthemen weiterhin selbst zu besetzen. Hubert Staudt: "Leute, die gerne neue, kreative, spannende Aufgaben mit Verantwortung übernehmen wollen, finden sie intern natürlich. Die Frage ist nur, wer anschließend den Job erledigt, den diese Leute vorher gemacht haben."

Dringend gesucht: gute Leute für wenig spannende Jobs.
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Leute für langweilige Themen gesucht

Staudts Unternehmen hat rund 1800 freie Stellen in der IT analysiert und dabei erstaunliches zutage gefördert: Die untersuchten Jobs repräsentierten zwar 170 verschiedene Skills, aber ganze neun der meistgesuchten Anforderungsprofile repräsentierten 30 Prozent aller offenen Stellen. Immer gesucht werden Programmierer und Entwickler, außerdem Projektmanager mit Erfahrung. Knapp sind aber auch Systemadministratoren und andere Mitarbeiter im IT-Support. Hubert Staudt: "Vereinfacht kann man sagen: Für die langweiligen Themen werden immer Leute gesucht."

Natürlich liegt es nahe, eben diese Funktionen wie beschrieben auszulagern - wenn es doch so schwer ist, das geeignete Personal zu finden. Was aber passiert mit jenen Kernaufgaben, die CIOs mit gutem Grund im Haus behalten wollen, die also wichtig sind, aber zugleich nicht sehr anspruchsvoll?

Nach Ansicht von Hubert Staudt muss sich jeder CIO intensiv Gedanken über die Attraktivität seiner Abteilung als Arbeitgeber machen. "Dabei geht es nicht nur um potenzielle neue Mitarbeiter, sondern auch um die vorhandenen. Auch die brauchen eine Perspektive. Es geht um die Frage: Was macht dieser oder jener in fünf Jahren hier?"