VirtualBox vs. VMware

Praxistest: VirtualBox – Open-Source-Konkurrenz zu VMware und Co.

29.03.2007 von STEFAN RUBNER 
Kompakt, schnell und für Privatanwender kostenlos. Das sind die Eckdaten, die VirtualBox der etablierten Konkurrenz wie VMware oder Virtual PC entgegensetzt. Wir haben uns die aktuelle Version 1.3.8 vorgenommen und zeigen, wie gut das gelingt.

Virtualisierung – also das Bereitstellen von Software und Diensten auf per Software emulierten Rechnern – ist quasi das Bloggen der Netzwerktechnik: Jeder spricht darüber, viele tun es bereits, und probieren möchten es alle einmal.

Kein Wunder, dass in der letzten Zeit mehr und mehr Produkte zur Bereitstellung virtueller Rechner auf den Markt drängen. Ein interessanter Newcomer ist VirtualBox der deutschen Softwareschmiede InnoTek.

Vielseitige Open-Source-Virtualisierung: VirtualBox ist eine ernst zu nehmende Alternative zu VMware, Microsoft und Parallels Desktop.

Der große Unterschied zu vergleichbaren Produkten wie VMware Workstation oder Virtual PC von Microsoft: Die komplette Software ist im Quelltext verfügbar. Davon verspricht man sich bei InnoTek eine aktive Entwicklergemeinde, die dabei hilft, die Software zu verbessern.

Günstiger Einstieg

Auch in anderen Bereichen geht man bei InnoTek moderne Wege, denn VirtualBox ist für private Anwender kostenlos. Firmenkunden haben die Wahl zwischen dem Entrichten einer Lizenzgebühr oder dem eigenständigen Übersetzen des Quellcodes. In letzterem Fall leistet InnoTek allerdings keinen Support bei im Betrieb eventuell auftretenden Problemen. Zudem muss auf einige Features verzichtet werden, etwa die Unterstützung des Remote Desktop Protocols (RDP) zum Fernsteuern virtueller Rechner, USB-Unterstützung, Shared Folders für gemeinsamen Datenzugriff und der iSCSI-Initiator zum direkten Ansteuern von entfernten Speichermedien. Also genau die Funktionen, die speziell bei der Konsolidierung von Rechnern zum Tragen kommen.

Mischbetrieb: Auch der parallele Betrieb von Vista und Linux ist kein Problem für VirtualBox – sofern ausreichend Hauptspeicher verfügbar ist.

Mit dieser Strategie bewegt sich VirtualBox ziemlich genau in der Mitte zwischen Microsoft und VMware. Die Windows-Schmiede gibt Virtual PC 2007 ebenfalls kostenlos ab. Bei VMware ist der Player zum Ausführen fertiger virtueller Maschinen ebenso kostenfrei verfügbar wie der VMware Server, während die Desktop-Version VMware Workstation nach wie vor Geld kostet. Da VirtualBox für den reinen Desktop-Einsatz konzipiert ist, ist auch das Konkurrenzumfeld klar umrissen: Virtual PC 2007, VMware Workstation und Parallels Desktop.

Im Vergleich zu den genannten Produkten bietet VirtualBox eine solide Mischung aus allen wichtigen Features. So unterstützt es den Betrieb unter den 32-Bit-Versionen von Windows und modernen Linux-Distributionen. Als Gastsysteme sind neben dem obligatorischen Support für Windows und Linux auch OS/2, diverse BSD-Versionen und Solaris erlaubt. Damit richtet sich VirtualBox eher an die Nutzer von VMware und Parallels, denn an die Besitzer von Virtual PC, das zumindest auf dem Papier nur Windows-Betriebssysteme auf den virtuellen Maschinen unterstützt. InnoTek unterstützt derzeit keine 64-Bit-Systeme, weder als Host noch als Gast.

Einfache Installation

Das Installationsarchiv von VirtualBox ist gerade einmal 13 MByte groß, entsprechend schnell ist der Download erledigt, und es kann an die Installation gehen. Diese beschränkt sich im Wesentlichen auf die Auswahl des Zielverzeichnisses sowie das Bestätigen der von Windows ausgegebenen Warnungen über fehlende Zertifikate der Software. Danach ist die Software eingerichtet, eine Verknüpfung auf dem Desktop legt die Setup-Routine dabei übrigens nicht an.

Bekanntes Problem: Die Treiber für den Zugriff auf USB-Geräte und LAN-Adapter sind auch bei VirtualBox nicht signiert.

Nach dem Start überrascht VirtualBox mit einer Benutzerschnittstelle, die deutlich farbenfroher ist als die der Konkurrenz. Der Bedienbarkeit tut das aber keinen Abbruch, die einzelnen Optionen zum Anlegen, Konfigurieren, Löschen, Starten und Verwerfen der virtuellen Maschinen sind leicht erreichbar, die Anzeige der vorhandenen VMs ist übersichtlich.

Einrichten in zwei Schritten

Ebenfalls etwas abseits der ausgetretenen Pfade läuft das Einrichten neuer virtueller Rechner ab. Zwar steht auch hier ein Assistent zur Verfügung, der schnell und sicher durch die einzelnen Schritte wie das Anlegen der als Datei erzeugten virtuellen Festplatte für das Gastbetriebssystem oder die Auswahl des geplanten Gastsystems selbst führt. Einzelne Feineinstellungen lassen sich aber erst nach dem Abschluss dieses Schnelldurchlaufs vornehmen.

Geführt: Beim Einrichten neuer virtueller Maschinen unterstützt ein Assistent den Anwender.

Dazu zählt auch ein nettes Highlight: VirtualBox gestattet es nicht nur, den in der virtuellen Maschine verfügbaren Hauptspeicher festzulegen. Auch das RAM der virtuellen Grafikkarte lässt sich vom Vorgabewert von 8 MByte auf bis zu 128 MByte aufstocken. Natürlich geht dies zusätzlich zulasten des Hauptspeichers im Host-System.

Einzelne Schwachpunkte

Allerdings vermisst man mitunter essenzielle Dinge, beispielsweise die Unterstützung von CD- oder DVD-Brennern. Diese behandelt VirtualBox wie reine Leselaufwerke. Ebenfalls nicht vorhanden ist ein System, mit dessen Hilfe sich einzelnen virtuellen Rechnern CPU-Zeit oder Hauptspeicher bevorzugt zuteilen lassen.

Womit auch schon ein echter Schwachpunkt genannt wäre: der Hauptspeicher im Host-Rechner ist ein echter Stolperstein für VirtualBox. Anders als etwa bei VMware wird dieser nicht dynamisch je nach realem Bedarf an die einzelnen virtuellen Rechner zugeteilt, sondern sofort bei dessen Start reserviert.

Notwendige Helfer: Ohne die zusätzlichen Tools für Gastsysteme besteht unter Vista kein Zugriff auf die virtuelle Netzwerkkarte.

Somit ist sowohl beim Anlegen der virtuellen Maschinen wie auch beim Starten darauf zu achten, dass deren Speicherbedarf den noch verfügbaren Hauptspeicher des Rechners nicht überschreitet. Auslagerungsspeicher wird von VirtualBox nicht genutzt. In Verbindung mit der durch das 32-Bit-System vorgegebenen, maximal verwaltbaren Speichermenge von vier GByte schränkt das die Zahl der parallel ausführbaren virtuellen Maschinen erheblich ein. Gerade beim Einsatz als Entwicklungssystem auf einem typischen Desktop-Rechner ist da schnell bei zwei oder drei virtuellen Maschinen Schluss.

Vista-Tauglichkeit als großer Vorteil

Von besonderem Interesse ist natürlich, ob sich in der emulierten Umgebung auch Windows Vista ausführen lässt. Die Antwort ist einfach: Ja, mit den auch von anderen Virtualisierungslösungen bekannten Einschränkungen. So erfüllt auch VirtualBox nicht alle Kriterien, die zum Freischalten aller Features und speziell der Neuerungen der grafischen Oberfläche notwendig sind. Hier ist VirtualBox in guter Gesellschaft von VMware Workstation und Parallels Desktop, die beide mit demselben Problem zu kämpfen haben. Beim Versuch, den Leistungsindex des virtuellen Rechners zu ermitteln, bricht Vista unter VirtualBox mit einer Fehlermeldung ab; Auswirkungen auf den Betrieb von Vista hat das aber keine.

Ohne Wertung: Die Bewertung der Leistung des virtuellen Rechners lässt sich im Test nicht erfolgreich durchführen, Vista arbeitet aber trotzdem einwandfrei.

Ansonsten ist der Vista-Support tadellos. Nach der Installation der mitgelieferten Zusatz-Tools für die virtuelle Umgebung stehen nicht nur erweiterte Auflösungen, sondern auch der Zugriff auf die virtuelle Netzwerkkarte zur Verfügung. Insgesamt stellt VirtualBox bis zu vier LAN-Adapter bereit, wovon der erste zwingend als NAT-Interface zum Host-System arbeiten muss. Wer in der virtuellen Maschine eine IP-Adresse aus dem Produktivnetz benötigt, muss daher immer zwei LAN-Schnittstellen einrichten, wofür es zumindest technisch keinen wirklichen Grund gibt. Einmal installiert läuft Vista in der virtuellen Maschine je nach Hardwareausstattung des Hosts relativ flüssig. Während des gesamten Testbetriebs treten keinerlei Probleme oder Abstürze auf. Insgesamt ist der Betrieb von Vista unter VirtualBox also problemlos möglich.

Ecken, Kanten und Features – VirtualBox im Einsatz

Bei der Arbeit mit virtuellen Maschinen zeigt VirtualBox zunächst einige Auffälligkeiten, da sich das Produkt in diversen Punkten anders verhält als der Mittbewerb. So fällt den Testern auf, dass die virtuellen Disk-Images nicht zusammen mit den Einstellungen der virtuellen Maschine, sondern in einem separaten Verzeichnis abgelegt werden.

Ordentlich: Der Virtual Disk Manager erlaubt die komfortable Verwaltung virtueller Datenträger und der ISO-Images von CDs und DVDs.

Gewöhnungsbedürftig ist anfangs auch die Umschaltung von Tastatur und Maus zwischen VM und Host-Betriebssystem. Was alle anderen Produkte mittels Strg + Alt erledigen, erfolgt bei VirtualBox über einen Druck auf die rechte Strg-Taste. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit ist die Irritation jedoch verschwunden, und spätestens nach der Installation der für Windows- und Linux-Gastsysteme verfügbaren VirtualBox-Treiber und dem damit verbundenen automatischen Fokuswechsel, sobald der Mauszeiger aus dem Fenster des Gastsystems herausbewegt wird, ist das Thema sowieso vom Tisch.

Vielseitig und aktuell: VirtualBox bietet bereits für Vista optimierte Settings der virtuellen Maschinen.

Ansonsten bietet VirtualBox eine übersichtliche aber sinnvolle Feature-Liste. Es unterstützt Snapshots, um den aktuellen Stand eines Gastsystems zu sichern und beispielsweise nach einer misslungenen Installation neuer Software eine Wiederherstellung durchzuführen. Einen Vollbildmodus für Gastsysteme gibt es ebenso wie die automatische Anpassung der Bildschirmauflösung der VM an die aktuelle Fenstergröße. Ein schönes Feature ist der Virtual Disk Manager. Mit seiner Hilfe lassen sich nicht nur die Disk-Images der virtuellen Maschinen komfortabel verwalten. Er erlaubt darüber hinaus das Management von CD- und DVD- sowie Floppy-Images.

Tabelle – VirtualBox im Überblick

Host-Voraussetzungen

Host-Betriebssystem

Windows 2000, Windows XP, Windows Server 2003

OpenSUSE 10.2, Ubuntu 6.06, Ubuntu 6.10, Debian 3.1, Debian 4.0 Red Hat Enterprise Linux 4

Minimale Taktrate CPU (MHz)

keine Angabe

Empfohlene Taktrate CPU (MHz)

keine Angabe

Unterstützt mehrere CPUs

Nein

Minimaler Arbeitsspeicher (MByte)

512

Empfohlener Arbeitsspeicher (MByte)

1024

Emulierte Hardware

Prozessor

Wie Host, nur 32 Bit

Mainboard

Intel 440BX

BIOS

Proprietär

Maximaler Arbeitsspeicher pro virtueller Maschine (GByte)

3,6

Maximaler Arbeitsspeicher gesamt (GByte)

Vier

Keyboard

Standard-Keyboard

Maus

PS/2-Maus, gegebenenfalls Rollrad

Sound

Intel 82801AA AC 97

Floppy

Ein Gerät, physikalisches Laufwerk oder Datei

Video

Virtual Box Graphics Adapter (SVGA)

USB

Ein USB-1.1-Controller

CD-ROM, DVD-ROM

Gerät oder ISO-Image

CD-R/RW, DVD-R/RW

Nur lesen

NIC

AMD PCNET

Netzwerk-Modi

NAT/Bridged/Deaktiviert

Maximale Anzahl an unterstützten Netzwerkkarten pro VM

Vier

IDE

Bis zu drei IDE-Festplatten

SCSI

Nicht verfügbar

Drag and Drop zwischen Host und Gast

Nein

Maximale Größer einer Festplatte (GByte)

IDE: 128, SCSI: Nicht verfügbar

Direktzugriff auf echte Festplatte

Nein

Virtuelle Festplatte als reale Datei

Dynamisch/Statisch

Wiederherstellung

Ja, Snapshots

Fazit

Insgesamt zeigt sich VirtualBox als robustes System, das sich in der aktuellen Version vor allem für den Einsatz in kleineren Projekten eignet. Dazu zählt das Testen neuer Betriebssysteme oder Applikationen sowie in begrenztem Umfang auch die Softwareentwicklung. Die etwas unglücklich gelöste Speicherverwaltung verbietet derzeit noch den Einsatz in größeren Projekten, hier haben VMware Workstation oder VMware Server deutliche Vorteile.

Einziger echter Wermutstropfen: Der Preis für die kommerzielle Lizenz ist mit 119 Euro vergleichsweise hoch. Dank günstigem Dollarkurs ist ein kompletter Parallels Desktop schon für weniger als die Hälfte zu haben. Wer aber auf die erweiterten Features verzichten kann oder privater Endanwender ist, fährt mit der kostenfreien Vollversion von VirtualBox sicher nicht schlecht. (mja)