Praxistest auf schwierigem Gelände: Mandriva Linux Spring 2007.1 und PCLinuxOS 2007

21.05.2007 von Jürgen Donauer
Die beiden neuen Distributionen von PCLinuxOS und Mandriva haben einige Gemeinsamkeiten, etwa die kostenlose Verfügbarkeit. Genauer betrachtet kommen beide Betriebssysteme auch aus demselben Lager, denn PCLinuxOS basiert auf Mandriva. tecCHANNEL hat beide Lösungen unter die Lupe genommen und verrät, was die besser Wahl für den Desktop-Einsatz ist.

Als Testhardware diente kein gewöhnlicher Desktop-Rechner. Diese Art von PC unterstützt die meisten Linux-Distributionen ohnehin „Out of the Box“. Viel interessanter in der heutigen Zeit ist die Tauglichkeit auf Notebooks.

Für den Test der beiden Distributionen verwendete tecCHANNEL ein Acer TravelMate 8104WLMi. Das Notebook beinhaltet einen Intel Pentium M 760 2,0 GHz, einen 15,4-Zoll-WSXGA+-LCD-Bildschirm, Bluetooth, 802.11 a/b/g Wireless LAN und eine ATI Mobility Radeon X700 128 MByte.

Erfahrungsgemäß gab es in der Vergangenheit Hardware-Inkompatibilitäten mit diesem Rechner. Ob das Problem mit den neuesten Varianten von PCLinuxOS und Mandriva Spring Free behoben ist, müssen die Betriebssysteme im Test zeigen. Zum Testzeitpunkt befand sich PCLinuxOS noch in der Phase des letzten Release-Kandidaten, der aber durchaus schon mit dem Endprodukt verglichen werden kann.

Installation

Ein erster Unterschied zwischen Mandriva Free und PCLinuxOS sind die verschiedenen Varianten. Während PCLinuxOS nur eine installierbare Live-CD zur Verfügung stellt, wartet Mandriva sowohl mit einer Live-CD als auch einer installierbaren DVD auf. Schade ist, dass man die DVD nicht in einem Live-Modus starten kann. tecCHANNEL hat sich dennoch entschieden, die PCLinuxOS-Live-CD gegen Mandrivas DVD zu testen. Das mag sich zunächst wie David gegen Goliath anhören, doch stellen Sie sich auf einige Überraschungen ein.

Free 2007 Spring: Mandriva mit KDE-Oberfläche.

Bei der Installation der beiden Betriebssysteme traten folgende Schwierigkeiten auf: Die Grafikkarte wird zwar richtig als ATI-Karte erkannt, die Betriebssysteme spielen aber den falschen Treiber ein. Resultat ist, dass beide Distributionen mit einem schwarzen Bildschirm hochfahren. Während der Mandriva-Installation können Sie das beheben, indem Sie den Vesa-Treiber in der Sektion X.Org verwenden.

PCLinuxOS gibt Ihnen diese Möglichkeit nicht, da der Installationsmechanismus anders gestaltet ist. Die Live-CD sollten Sie im „VideoSafe“-Modus starten, andernfalls zeigt sich nur ein schwarzer Bildschirm. Die Installationsdauer von PCLinuxOS beträgt beeindruckende zehn Minuten, Mandriva benötigt für das Einrichten rund eine halbe Stunde. Nach der Installation fahren beide Systeme mit dem Vesa-Treiber hoch.

Problemkind proprietäre Treiberinstallation

Als ersten Schritt sollten Sie die ATI-Treiber mithilfe des Paketmanagers Synaptic nachinstallieren. Dazu bringen Sie Synaptic-Repository – also die hinterlegten Datenbanken mit Software – mit dem „Reload“-Knopf auf den neuesten Stand.

Es werde Licht: Nach der Installation des Treibers klappts auch mit PCLinuxOS.

Rufen Sie danach in einem Terminal als Benutzer root das Programm XFdrake auf, hier können Sie den Grafiktreiber umstellen. Wählen Sie Radeon (fglrx) aus und bestätigen Sie mit OK.

Umstellung: Mit XFdrake stellen Sie den Grafiktreiber auf einfache Weise um.

Danach fragt das Programm, ob es den vorhandenen proprietären Treiber einsetzen soll. Nach der Bestätigung verwendet das Betriebssystem den ATI-Treiber. Danach können Sie noch entscheiden, ob Sie eine 3D-Beschleunigung verwenden wollen. Von Enable Translucency (Composite Extension) sollten Sie aber Abstand nehmen. Das liegt nicht am Betriebssystem, sondern am ATI-Treiber. Dieser unterstützt derzeit keine Composite-Erweiterungen von X.org. Als Monitor sollten Sie Plug-and-Play und eine ihrem System entsprechende Auflösung wählen.

Vorsichtig verwenden: Wegen der ATI-Treiber können Sie die Composite-Erweiterungen von X.org derzeit nicht nutzen.

Die restliche Installation verlief ohne nennenswerte Probleme. Bei Mandriva können Sie allerdings auswählen, welche Pakete Sie auf dem Rechner haben möchten. Die DVD beinhaltet auch die wichtigsten Server-Varianten der Open-Source-Szene. PCLinuxOS hingegen spielt einfach auf den Rechner, was auf der Live-CD enthalten ist. Sollten Sie andere Software benötigen, können Sie diese online nachinstallieren.

Hardwareunterstützung

Die Unannehmlichkeit mit der vorhandenen Grafikkarte wurde bereits erwähnt. Wenn man nun die 3D-Effekte nutzen will, bleibt einem nichts anderes übrig, als die kommerziellen Treiber von ATI zu installieren. Wie das unter PCLinuxOS funktioniert, haben wir im vorherigen Kapitel bereits beschrieben.

Unter Mandriva ist das nicht so einfach, da der Treiber zunächst nicht greifbar ist. Lädt man den letzten Treiber von ATI herunter, gibt es eine weitere böse Überraschung. Die Software unterstützt bisher nur X.Org bis 7.1. Mandriva nutzt allerdings X.Org 7.2; der Treiber verweigert eine Installation. Der Trick hierbei ist, dass man in der Softwareverwaltung zunächst die „Non-Free“-Paketquellen einbinden muss. Hier befindet sich dann ein kommerzieller Treiber für ATI-Karten, der sich über Synaptic installieren lässt.

3D-Powered: Der Aufruf des Programms fglrxinfo in einem Terminal bestätigt einen funktionierenden neuen Treiber.

Was beide Distributionen sehr ordentlich machen, ist die Verwendung der „Intel SpeedStep Technologie“. Je nach Auslastung regulieren beide Systeme die CPU-Geschwindigkeit zwischen 800 MHz und 2 GHz hin und her. Das kommt vor allem der Geräuschkulisse zugute, denn so muss der CPU-Lüfter nicht immer mit voller Last arbeiten.

Ein Gräuel hingegen ist das ACPI-Verhalten beim Herunterfahren von Mandriva Free. Während der gesamten Testphase fuhr das Notebook erst nach der Installation der kommerziellen ATI-Treiber sauber herunter. Ein manuelles Ausschalten des Notebooks führte beim nächsten Start unweigerlich zu einer Überprüfung der Festplatte, was die Dauer des Startvorgangs inakzeptabel in die Länge zieht. PCLinuxOS hingegen kann das 8104 WLMi sauber herunterfahren und versetzt den Rechner in den Schlafmodus, auch ohne kommerzielle ATI-Treiber.

Das integrierte Modem wird von beiden Betriebssystemen nicht unterstützt. Mit Bluetooth hingegen kann sowohl die Original-Distribution als auch der Ableger sauber umgehen.

Drahtlose Netzwerkverbindung

Beim Versuch, eine drahtlose Netzwerkverbindung mit der freien Version von Mandriva herzustellen, wartete das nächste Ärgernis. Die ipw2200-Firmware ist nicht vorhanden. Laut dem Hersteller sei diese nur in den kommerziellen Varianten von Mandriva-Linux direkt eingepflegt.

Man kann sich die Software allerdings von Sourceforge.net herunterladen. Nach einem Download der Version 3.0 und dem Kopieren der Daten nach /lib/firmware war der Misstand behoben. Sollten Sie die Paketquellen auf Non-Free erweitert haben, finden Sie den Treiber dort ebenfalls.

Keine drahtlose Verbindung: Mandriva verlangt Handarbeit, um die drahtlose Verbindung zu aktivieren.
Geht doch: Weniger als fünf Minuten dauert das Einspielen der richtigen Firmware auf Mandriva.

Mit dem Ableger PCLinuxOS ist es wesentlich einfacher. Hier funktioniert die drahtlose Netzwerkkarte sofort nach der Installation. Die Firmware ist bereits eingepflegt, und der Anwender muss sich nur zu einem Access Point verbinden.

Ohne Nacharbeiten: Mit PCLinuxOS funktioniert die drahtlose Netzwerkverbindung ohne manuelles Eingreifen.

3D-Desktop-Effekte

Mandriva bringt sowohl den mittlerweile berühmten „Würfel“-Desktop als auch das relativ unbekannte Metisse mit sich. Mandriva und PCLinuxOS geben Ihnen beide die Möglichkeit, entweder XGL oder AIGLX zu verwenden. Da ATI mit den Composite-Erweiterungen von AIGLX noch nicht umgehen kann, ist XGL eine willkommene Alternative. Ebenfalls in beiden enthalten sind die Composite-Manager Compiz und Beryl. Die Verwendung eines Systems mit 3D-Effekten erfordert allerdings eine relativ schnelle Grafikkarte.

3D in allen Varianten: Mandriva 2007.1 Spring Free bringt alles an 3D, was derzeit auf dem Linux-Markt zu finden ist.

Der Desktop-Manager Metisse ist ein weiterer interessanter Ansatz in Richtung 3D-Desktop. Er bietet insgesamt neun Arbeitsplätze und einige gute Features. Sämtliche Funktionen von Metisse zu beschreiben, würde hier deutlich den Rahmen sprengen. Interessierte finden Tastatur- und Maus-Shortcuts sowie weitere Informationen hier.

Metisse in Aktion: Der 3D-Desktop-Manager bietet einige gute Innovationen.

PCLinuxOS in 3D

Unter PCLinuxOS ist Metisse standardmäßig nicht enthalten. Sie können es allerdings online nachinstallieren. Nach einem Aufruf der Funktion Configure 3D Desktop effects unter Hardware im PCLinuxOS Control Center können Sie nur XGL auswählen. Dieser Umstand ist, wie schon erwähnt, der ATI-Grafikkarte in der Testhardware zu verdanken. Als weitere Auswahl bleibt noch, ob Sie Beryl oder Compiz als Desktop-Manager verwenden wollen.

3D unter PCLinuxOS: Auch der Mandriva-Ableger bietet die Möglichkeit der 3D-Effekte.

Das System weist Sie darauf hin, dass es ein anderes x11-Server-Paket benötigt. Die Installation geschieht nach einer Bestätigung automatisch und via Internet. Wahlweise können Sie das Paket x11-server-xgl auch mittels Synaptic händisch einspielen. Als Warnung vorweg: Viele Berichte aus einschlägigen Foren weisen darauf hin, dass es immer wieder Schwierigkeiten mit ATI-Karten und den 3D-Effekten gibt.

Berüchtigt: Der 3D-Würfel unter Linux hat es mittlerweile zu einer kleinen Berühmtheit geschafft.

Sollten Sie in dieses Dilemma kommen, starten Sie den Rechner normal und wählen dann „Failsafe“ als grafische Session aus. Loggen Sie sich als root ein, und Sie erhalten ein rudimentäres Terminal-Fenster. Wenn Sie in diesem drakxconf aufrufen und danach 3D Desktop effects auswählen, können Sie das System zurücksetzen.

Fazit

Die PCLinuxOS-Entwickler Textar und die Ripper-Gang haben großartige Arbeit geleistet. Bis auf die kleineren Probleme mit der Grafikkarte bei der Installation wurde sämtliche Hardware ohne weitere Schwierigkeiten erkannt und auch unterstützt. Beim Herunterfahren schaltet sich der Rechner ordnungsgemäß aus, und es hat während des Tests keine nennenswerten Auffälligkeiten gegeben. Die mitgelieferte Software ist gut und überlegt ausgewählt. Nach einer Installation hat ein Anwender zunächst alles, was er für die tägliche Arbeit benötigt. Die enthaltenen Repositories sind ausreichend und bieten alles, was man sich von einem modernen Betriebssystem erwartet. Die Möglichkeit, kommerzielle Treiber ohne manuelles Basteln nachzuinstallieren, sind die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.

Die freie Version von Mandriva hingegen konnte auf zunächst auf der schwierigen Testhardware nicht besonders überzeugen. Die DVD-Version bringt zwar eine immense Softwareauswahl mit sich, allerdings kann man das Meiste unter PCLinuxOS online nachinstallieren. Zu viel Hand- und Sucharbeit muss der Anwender leisten, um die Hardware lauffähig zu machen. Für Linux-Neulinge kann das schnell zu einem Frusterlebnis ausarten. Von einem Betriebssystem, das sich selbst zu den besten auf dem Desktop-Sektor zählt, ist dieser Zustand unbefriedigend. Nachdem man einige Zeit an Handarbeit investiert hat, verwandelt sich Mandriva 2007.1 Free dennoch in ein gutes und stabiles System. Kann schon sein, dass die kostenpflichtigen Varianten Hardware besser unterstützen. Aber warum eine Distribution kaufen, wenn man eine bessere kostenlos erhalten kann?

Kurz gesagt: PCLinuxOS ist das einfacher zu handhabende freie Mandriva. Allerdings bietet Mandriva native Unterstützung für die deutsche Sprache. Bei PCLinuxOS müssen Sie diese nachträglich installieren.

Linux wird mit diesen neuen Distributionen definitiv fit für den Desktop. Allerdings ist immer noch nicht alles Gold, was glänzt. Gerade im Notebook-Bereich ist die Hardwareunterstützung lange noch nicht optimal. Essenzielle Komponenten wie Grafikkarten müssen einfach sofort und ohne Handarbeit laufen.

Persönliche Anmerkung des Autors: Die von mir getestete einzige Distribution, die bisher ohne manuelle Eingriffe die Grafikkarte auf dem Acer 8104WLMi unterstützt, ist die Ubuntu-Familie 7.04. Diese Systeme bringen allerdings den proprietären Treiber von ATI mit sich. Für die „Keine proprietäre Software in Linux“-Verfechter mag dies ein Dorn im Auge sein. Für Anwender, die ein System haben wollen, das sofort funktioniert, ist es ein Segen. (mja)