Power over Ethernet

07.07.2003 von Jörg Luther und Prof. Dr. Axel Sikora
Am 12. Juni 2003 hat IEEE den lang erwarteten Standard 802.3af für die Stromversorgung über das Netzwerkkabel verabschiedet. Damit kann jetzt das lästige Stromkabel bei vielen Netzwerkgeräten entfallen.

Um Netzwerkgeräte noch stärker in den professionellen und privaten Alltag zu integrieren, ist die Reduzierung der für den Anschluss benötigten Kabel eine wichtige Voraussetzung. Die drahtlose Datenübertragung über Technologien wie Wireless LAN, Bluetooth oder DECT erspart zwar das Twisted-Pair-Kabel, zur Spannungsversorgung bleibt aber meist ein Stromkabel erforderlich.

Einen anderen Weg zur einfacheren Vernetzung geht IEEE 802.3af alias Power over Ethernet (PoE). Seit Juli 2003 steht damit eine elegante und standardisierte Alternative für die Stromversorgung von LAN-Equipment zur Verfügung: Die Energieversorgung der Netzwerkgeräte erfolgt über das Twisted-Pair-Kabel, das Kabel zur Stromversorgung kann entfallen.

Dies hat nicht nur Auswirkungen auf den Komfort für den Anwender, sondern verringert insbesondere auch den Installationsaufwand und die Installationskosten für den Netzwerkbetreiber.

Einsatzbereich

Dabei ergeben sich für eine Vielzahl von Anwendungen wesentliche Vorteile. Besonders attraktiv erscheint Power over Ethernet für Kleingeräte aus den Bereichen:

Ein weiterer Pluspunkt: Alle Endgeräte lassen sich in einfacher Weise an eine einzige unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) anschließen, ohne dass dafür getrennte Stromkreise installiert werden müssten.

Die Vorteile von PoE machen jedoch keineswegs bei netzwerkfähigen Endgeräten Halt: IEEE 802.3af stellt gleichzeitig den ersten weltweit gültigen Standard für die Stromversorgung von Verbrauchern dar. Damit beseitigt PoE auch für den Betrieb von Radios oder Rasierern die bisher bestehenden Probleme mit inkompatiblen Steckerformaten und unterschiedlichen Spannungsniveaus rund um den Globus.

Standardisierung

Die Idee, Geräte im LAN direkt über das Netzwerkkabel mit Strom zu versorgen, ist nicht neu. Eine ganze Reihe von Herstellern hat in den letzten Jahren bereits proprietäre Lösungen dafür auf den Markt gebracht. Sie fanden aber auf Grund der mangelnden Kompatibilität und Interoperabilität keine allzu große Verbreitung. Besonders kritisch erschien hier vor allem die Gefahr, Komponenten durch Verschaltung mit inkompatiblem Equipment zu beschädigen.

1999 nahm sich das IEEE der Sache an und bildete für den Standardisierungsprozess eine eigene Task Force in der für Netzwerke zuständigen Arbeitsgruppe 802. Mittlerweile ist die Ausarbeitung des Standards abgeschlossen. Seine offizielle Bezeichnung lautet IEEE 802.3af DTE Power via MDI. DTE steht hierbei für Data Terminal Equipment und bezeichnet eine Datenendeinrichtung. Media Dependant Interface (MDI) ist die physische Schnittstelle aus der Sicht des IEEE-Schichtenmodells. Als Bezeichnungen finden sich daneben auch Power over Ethernet (PoE), Power over LAN (PoL) und Active Ethernet.

Die Standardisierungsunterlagen sind bislang nur für Mitglieder der Arbeitsgruppe verfügbar. Abonnenten der (nicht gerade preiswerten) IEEE-Subskription stehen sie ab Mitte Juli 2003 zur Verfügung, ein halbes Jahr später werden sie dann auch kostenlos auf der Get-IEEE-Website verfügbar sein. Die Kompatibilität der Geräte testet das im Februar 2003 gegründete Power over Ethernet Consortium am Interoperability Lab (IOL) der Universität von New Hampshire.

Systemaufbau

IEEE 802.3af unterscheidet zwischen zwei Basiskomponenten:

Bei PSE unterscheidet man nach der Art der Stromeinspeisung zwischen Endspan Insertion und Midspan Insertion. Bei Endspan-Systemen handelt es sich um aktive Komponenten (meist Switches), die angeschlossene Netzwerkgeräte über die Ethernet-Ports direkt mit Strom versorgen. Vorteil: die kompakte Bündelung der Funktionen in einer Einheit. Nachteil: die hohe Leistungsaufnahme des Geräts und entsprechende Abwärme.

Zudem macht es in bestehenden Netzen oft keinen Sinn, einen relativ teuren Workgroup- oder Departemental-Switch mit 48 oder mehr Ports durch ein PoE-fähiges Pendant zu ersetzen, nur um etwa eine Hand voll Access Points per Twisted Pair mit Strom zu versorgen. In diesem Fall kommt Midspan Insertion über einen Power Hub oder ein Midspan Insertion Panel zum Einsatz. Sie nehmen die Daten von der aktiven Komponente entgegen und leiten sie zusammen mit der Versorgungsspannung an die Endgeräte weiter.

Eckdaten

IEEE 802.3af sieht eine Übertragung mit einer Gleichspannung von 48 V über eine Entfernung bis zu 100 Meter vor. Dabei beschränkt der Standard die Stromaufnahme im Dauerbetrieb auf 350 mA. Zudem ist die maximale Speiseleistung auf 15,4 Watt, die maximale Leistungsaufnahme des Endgeräts nach Abzug der Leitungsverluste auf 13 Watt beschränkt. Während einer Startphase von 100 ms darf das Endgerät auch 500 mA abnehmen.

Damit eignet sich Power over Ethernet auf absehbare Zeit nicht, um komplette Rechner zu versorgen. Für viele Kleingeräte, die weder über leistungshungrige Prozessoren noch über stromfressende Displays verfügen, genügt das Leistungsbudget aber vollauf.

Die Stromversorgung der Endgeräte erfolgt über normale Kat.3- oder Kat.5-Kabel und die Standard-RJ45-Stecker. Dabei nutzt das Verfahren die Tatsache, dass von den vier vorhandenen Adernpaaren bei 10Base-T- und 100Base-TX-Ethernet nur zwei zur Signalübertragung verwendet werden.

Funktionsweise

Power over Ethernet verwendet zur Stromführung nach Möglichkeit die freien Adernpaare. Das Pärchen 4/5 bildet dabei den negativen (-), die Adern 7 und 8 den positiven (+) Anschluss.

Alternativ lässt sich der Strom bei Bedarf auch über die Signalleitungen (TX/RX) transportieren. Bei dieser so genannten "Phantom-Einspeisung" nutzt PoE die Tatsache, dass Ethernet-Transceiver über Übertrager angeschlossen sind, an denen die Ein- und Auskopplung des Gleichstroms erfolgen kann.

Die Nutzung der Signalleitungen eignet sich speziell für Installationen, bei denen die anderen zwei Adernpaare für zusätzliche Anwendungen wie etwa ISDN zum Einsatz kommen. Auch GBit-Ethernet belegt alle acht Adern. Wie im Folgenden zu lesen, gibt es dabei jedoch einige Einschränkungen.

Schutz der Geräte

Eine zentrale Aufgabe bei der Erarbeitung des 802.3af-Standards bestand in der automatischen Erkennung der Endgeräte. Einerseits dürfen nicht PoE-fähige Geräte keine Schäden davontragen, wenn sie an ein PoE-Netz angeschlossen werden. Andererseits müssen Systeme, die ihre Energie über das Datenkabel beziehen, schon vor dem Einschalten mitteilen, dass sie diese Energieversorgung benötigen. In beiden Fällen dürfen auch Fehlkonfigurationen nicht zu Beschädigungen führen.

Dazu implementiert PoE ein Verfahren, das als Resistive Power Discovery bezeichnet wird. Der Energieversorger (PSE) prüft das Endgerät (PD) auf Kompatibilität, bevor er Betriebsstrom über das Kabel ausliefert. Dazu speist er in periodischen Abständen einen minimalen Strom ein und erkennt auf diese Weise, ob das Endgerät über einen 25-kOhm-Abschlusswiderstand verfügt. Ist dies der Fall, kann die Energieversorgung über das Netzwerkkabel erfolgen.

Leistungsklassen

Anschließend versorgt das Power Sourcing Equipment das Powered Device mit einer geringen Leistung. Nun kann das PD mit seiner Kennung signalisieren, zu welcher der fünf unterstützten Leistungsklassen es gehört. Daraufhin kann das PSE das Gerät mit der gewünschten Leistung versorgen. Insgesamt dauert diese Erkennung rund eine Sekunde.

PoE - Leistungsklassen

Klasse

Verwendung

Maximale Speise- leistung (PSE)

Maximale Entnahme- leistung (PD)

0

default

15,4 W

0,44 bis 12,95 W

1

optional

4,0 W

0,44 bis 3,84 W

2

optional

7,0 W

3,84 bis 6,49 W

3

optional

15,4 W

6,49 bis 12,95 W

4

optional (reserviert)

15,4 W

nicht erlaubt (reserviert)

Als zusätzliche Sicherung implementiert 802.3af einen Disconnect-Schutzmechanismus. Sobald ein Powered Device vom LAN entfernt wird, schaltet sich am PSE die Stromversorgung des entsprechenden Ports automatisch ab. Dies beugt Schäden durch ein versehentliches Vertauschen von PoE-fähigen und Standard-Geräten an der Leitung vor.

Einschränkungen

Die Versorgung über die freien Adernpaare beschränkt Power over Ethernet auf den Einsatz mit 10- und 100-MBit/s-Ethernet. GBit-Ethernet verwendet alle vier Adernpaare zur Übertragung, hier wäre jedoch eine Energieversorgung über die Signalleitungen möglich. Vor allem zwei Gründe lassen aber die Beschränkung auf die langsameren Geräte sinnvoll erscheinen.

Zum einen gibt es bislang kaum Endgeräte, die über 1000Base-T angeschlossen werden. Und falls es solche gibt, dann kommen sie kaum mit 14 W aus. Speziell die Netzwerkknoten für Wireless-LAN-Systeme bieten auf Grund ihrer begrenzten Bandbreite auf der drahtlosen Strecke nur eine Festnetzankopplung mit 10/100 MBit/s.

Zum anderen führt die Stromversorgung zu zusätzlichen Störsignalen auf den Signalleitungen. Zwar ist deren Einfluss nicht so massiv wie etwa bei Powerline-Communication-Geräten - die zu schaltende Leistung ist deutlich kleiner als im Haushaltsnetz mit Großabnehmern wie Mikrowelle, Elektroherd oder Durchlauferhitzer. Nichtsdestoweniger reduziert sich bei 1000Base-T der Signal-Rausch-Abstand gegenüber den langsameren Systemen um einige dB.

Schließlich fehlt bislang eine SNMP-Schnittstelle, über die sich PoE-fähiges Equipment verwalten lässt. 802.3af regelt lediglich die Implementation, nicht aber das Management. Hier ist jedoch Abhilfe in Sicht: IEEE und IETF arbeiten dem Vernehmen nach bereits zusammen an einem entsprechenden PoE-MIB-Modul.

Ausblick

Es steht außer Frage, dass sich Endgeräte, die Power over Ethernet unterstützen, auf dem Markt schnell etablieren werden. Auf der Herstellerseite fallen nur geringe Zusatzkosten an, auf der Anwenderseite verspricht PoE massive Einsparungen. So muss etwa bei der Installation PoE-fähiger WLAN Access Points kein Elektriker mehr Stromleitungen und Dosen legen - der Netzwerker positioniert die Geräte einfach da, wo er die beste Abdeckung erzielen kann.

Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass nicht nur die Endgeräte, sondern auch die Netzwerkknoten respektive Patchfelder um- oder nachgerüstet werden müssen. Dafür fallen gegenüber herkömmlichem Equipment um die 20 Prozent an Zusatzkosten an. Deswegen dürfte der Markteinstieg insbesondere bei Neuinstallation im Wireless-LAN- und Voice-Over-IP-Bereich erfolgen. Ein Einsatzgebiet, das nolens volens ebenfalls stark an Bedeutung gewinnen dürfte, stellen IP-gestützte Überwachungskameras dar. (jlu)