PlayStation 2 in der Praxis

24.11.2000 von NICO ERNST 
Die PlayStation 2 will nicht mehr nur Spielkonsole, sondern Multimediazentrale der Zukunft sein. DVD-Wiedergabe, USB und Firewire bringt sie dazu mit. Von der versprochenen Allround-Lösung ist aber bei einem aus Japan importierten Modell noch nicht viel zu sehen.

Sony hat Wort gehalten. Nach der ersten Vorstellung auf der Tokyo Game Show am 13. September 1999 wird die PlayStation 2 (PS2) seit dem 4. März in Japan verkauft. Im Vorfeld war immer wieder von Produktionsschwierigkeiten mit dem riesigen Prozessor "Emotion Engine" gemunkelt worden. Mit fast 240 Quadratmillimetern Die-Fläche ist er einer der größten Prozessoren in Serienfertigung, und damit auch einer der teuersten. Details über die Technik der PlayStation 2 finden sich in einem eigenen Beitrag.

Dass Sony zwischen Oktober und März knapp eine Million der Konsolen fertigen konnte, ist beachtlich. Die komplette erste Lieferung an den Handel wurde in Japan an einem Wochenende verkauft. Der Erfolg der Konsole ist für den Elektronikriesen zwingend: Schon heute macht Sony mit der originalen PlayStation (PSX), dem Zubehör und der Software 40 Prozent des gesamten Konzern-Gewinns weltweit. Segas Dreamcast ist zwar nicht annähernd so erfolgreich, doch mit Nintendos Projekt "Dolphin" und Microsofts X-Box sind für 2001 mächtige Herausforderer angekündigt.

Mit der PS2 hat Sony neben den Videospielen das gesamte Feld der Multimedia-Technik im Auge. DVD-Videos kann das Gerät schon jetzt abspielen, für Erweiterungen als digitaler Videorekorder und Internet-Zugangsgerät ist gedacht. Da mit Sony Music so nebenbei auch noch die zweitgrößte Plattenfirma der Welt zum Konzern gehört, soll die PS2 auch als Plattform für den digitalen Musikvertrieb dienen.

Doch all das ist Zukunftsmusik: Als reines Videospiel- und DVD-Gerät bleibt die PS2 noch bis zum Herbst den Japanern vorbehalten. Vermutlich Anfang Oktober soll die PS2 auch in Europa auf den Markt kommen. tecChannel wollte nicht so lange warten, und hat sich die japanische Version der Konsole umgehend besorgt.

Import mit Hindernissen

Sony sieht den Export der PS2 äußerst ungern. Vier Tage nach Verkaufsstart wies der Konzern auf seinem japanischen Presse-Server auch in englischer Sprache darauf hin, dass das Gerät den japanischen Export-Beschränkungen unterliegt. Das Verschlüsselungssystem "Magic Gate" der PS2 wird in dieser Mitteilung zwar nicht explizit erwähnt, es stellt jedoch den Kernpunkt der Export-Beschränkung dar. Magic Gate arbeitet mit 128-Bit-langen Schlüsseln, und der Export derartiger Krypto-Technologie ist in Japan illegal.

Zudem arbeitet die japanische PS2 mit 100 Volt Wechselspannung und gibt ihre Bilder nur nach der Fernsehnorm NTSC aus, nicht im europäischen PAL-Format. Engagierten Videospiel-Händlern sind derartige Probleme aber vom Start jeder Spielkonsole bekannt, und so fand die PS2 schon in der ersten Woche nach dem Launch den Weg nach Europa. Die Kollegen unserer Schwesterzeitschrift GameStar verwiesen uns an den Händler AGE stuff in der Schweiz, der die Konsole mitsamt einem Spannungswandler vertreibt.

Diese "Step-down-Converter" setzen die Spannung von den deutschen 230 Volt auf 110 bis 120 Volt um. Echte "japanische" 100-Volt-Wandler sind kaum zu bekommen, die meisten Spannungswandler sind für US-Geräte gedacht, die mit 110 Volt arbeiten.

Die ersten Experimente von Importeuren führten reihenweise zu abgebrannten Konsolen und Konvertern. Erst Konverter, die mindestens 100 Watt Ausgangsleistung bereitstellen, laufen mit der PS2 stabil. Vor dem Betrieb der japanischen PS2 mit schwächeren Wandlern sei an dieser Stelle ausdrücklich gewarnt. Da die PS2 mit einem US-Konverter nicht mit 100 Volt, sondern mit 110 bis 120 betrieben wird, entsteht in der Konsole mehr Abwärme. Zusätzliche Kühlmaßnahmen waren jedoch auch im stundenlangen Dauerbetrieb nicht notwendig.

Zum Betrieb der Konsole werden außerdem noch ein Fernseher oder eine PC-Video-Karte benötigt, die mit NTSC zurechtkommen (60 Hertz, 30 Bilder/s, 525 Zeilen). Die Bildqualität kann dabei stark schwanken, da einige Geräte NTSC nicht optimal umsetzen. Im Zweifelsfall sollte man beim Fernseher alle Bildverbesserer wie digitale Rauschunterdrückung und 100-Hertz-Funktionen abschalten. Am PC hilft meist ein Umschalten der Bildfrequenz auf 60 oder 120 Hertz, um Synchronisationsfehler auszuschließen. Sie äußern sich in springenden, instabilen Bildern.

Keine deutschen Spiele und DVDs

Neben japanischer Spannung und Fernsehnorm muss der PS2-Fan im Moment auch mit Nippon-Software vorlieb nehmen: Auf der japanischen PS2 laufen nur japanische Spiele und DVD-Videos. Zwar wimmelt das Internet von Tipps, wie man auch US-DVDs in der PS2 zum Laufen bringen kann - mit der NTSC-Version des Films "Saving Private Ryan" hat das jedoch im tecChannel-Labor nicht funktioniert. Ähnliche Berichte erreichen uns auch von anderen Besitzern einer PS2 in Europa.

Paradox an dieser Situation ist, dass deutsche DVDs wie japanische mit dem Regioncode 2 versehen sind. In normalen deutschen DVD-Playern, die NTSC beherrschen, laufen japanische DVDs auch. Dass die PS2 keine deutschen DVDs wiedergeben kann, ist laut Sony Absicht: Das Gerät sei eben für den japanischen Markt vorgesehen. Sony fürchtet die Hollywood-Studios, die sich in Form der Motion Pictures Association auch schon wegen der Wiedergabe von US-DVDs auf der PS2 beschwert hätten. Wegen eines Softwarefehlers gelingt es unter Umständen, amerikanischen Scheiben abzuspielen. Deshalb dachte Sony sogar schon über eine generelle Rückrufaktion nach.

Das wäre zwar teuer, aber technisch einfach: Der Treiber für DVD-Videos steckt auf der mitgelieferten Memory Card und lässt sich über eine CD aktualisieren. Die aktuelle Version befindet sich auch auf der "Utility Disc", die jeder PS2 beiliegt. Davon lässt er sich auch wieder herstellen, wenn er versehentlich von der Memory Card gelöscht wurde. In Japan war das des Öfteren vorgekommen, wobei das Spiel "Ridge Racer V" im Verdacht steht, den Fehler auszulösen. Sony hat das Problem aber noch nicht genau eingekreist und lässt sich in Japan die Konsolen von betroffenen Kunden zuschicken.

Kompatibel zu alten Spielen

Ebenso wie deutsche DVDs laufen auch die PAL-Versionen von Spielen für die erste PlayStation nicht auf der japanischen PS2. Zwar ist die neue Konsole im Prinzip abwärtskompatibel, aber in der gegenwärtigen Form nur zu NTSC-Spielen. Eine deutsche PS2 soll im Herbst jedoch auch fast alle Spiele für die erste PlayStation verarbeiten können. Kleinere Inkompatibilitäten zu unsauber programmierten Titeln hat Sony bereits eingeräumt, eine offizielle Liste der kritischen Titel gibt es aber nicht.

Die alten Spiele sollen auf der neuen Konsole sogar besser laufen als auf der bisherigen PlayStation. Über die System-Konfiguration der Konsole lassen sich die nötigen Optionen einstellen. Wer kein Japanisch lesen kann, sollte dazu zuerst die Menüs auf Englisch umschalten, was mit der im Bild dargestellten Option geschieht.

Danach lassen sich sowohl die Geschwindigkeit des DVD-Laufwerks verringern als auch die neuen Filterfunktionen für Texturen abschalten.

In der Regel werden die meisten Spieler vor allem die Laufwerks-Optionen unangetastet lassen - das 24x-Laufwerk der PS2 verkürzt gegenüber dem trägen DoubleSpeed-Modell der PSX die Ladezeiten erheblich. Im DVD-Betrieb werden 4x erreicht.

Verfügbare Spiele

Zusammen mit der Konsole haben wir uns auch das Rennspiel "Ridge Racer V" und das Beat'em Up "Streetfigher Ex 3" besorgt. Letztere Kampfsport-Simulation würde man hier zu Lande wohl am besten als "Prügelspiel" bezeichnen. Daneben sind in den nächsten Wochen rund 20 Titel per Import zu haben, die freilich vor allem den japanischen Geschmack ansprechen. Baseball- und Billard-Simulationen sind in Europa bisher ebenso wenig erfolgreich wie die japanische Schach-Variante oder das Brettspiel Mahjong. Lediglich dem Rollenspiel "Eternal Ring" und dem Rennspiel "Gran Turismo 2000" dürfen hier größere Chancen eingeräumt werden. Alle Titel kosten bei Importeuren um die 150 Mark - kein billiger Spaß.

Da die PlayStation 2 mit knapp 20 Millionen texturierter Polygone pro Sekunde sogar GeForce-Grafikkarten ausstechen soll, waren wir reichlich gespannt auf die Grafik der Konsole. Zumindest Ridge Racer V ist in diesem Punkt eine Enttäuschung: Die Qualität der Darstellungen reicht subjektiv nur knapp an aktuelle PC-Rennspiele heran.

Das bei vielen Rennspielen zu beobachtende "Hochwachsen" der Gebäude tritt auch bei Ridge Racer V noch auf - mit diesem Trick sparen die Programmierer Rechenzeit. Fahrzeuge und Landschaft sind zwar detailliert, einen Quantensprung stellt die Grafik jedoch nicht dar.

Die Bilder liegen eher auf dem Niveau von etwa "Need for Speed 4" oder "N.I.C.E. 2" auf dem PC. Lediglich bei Tunneldurchfahrten und Nachtrennen kann die PS2 mit Lichteffekten ein wenig von dem zeigen, was in ihr steckt.

Streetfighter Ex 3

Mehr Glanz zeigt da schon das Prügelspiel "Streetfighter Ex 3". Zwar ist der Inhalt (zwei bis vier Gegner verhauen sich bis zum K.o.) nicht jedermanns Sache, aber zumindest mit Bluteffekten hat der Hersteller Arika gespart. Die Kämpfer werden nicht, wie bei brutalen Automatenspiele wie "Killer Instinct 2", schlicht abgeschlachtet, sondern gehen nach einer bestimmten Anzahl Treffern zu Boden.

Bei Streetfighter animiert die PS2 bis zu vier Bildschirm füllende Charaktere, die kaum noch einzelne Polygone erkennen lassen. Die Animationsphasen sind absolut flüssig, und bei besonders spektakulären Szenen geizt das Spiel nicht mit Spezialeffekten.

Da sich Spiele auch in Bildern nur schlecht wiedergeben lassen, haben wir aus einem Kampf in Streetfighter ein Video erstellt, das sich nach einem Klick auf den Link herunterladen lässt. Trotz MPEG-Format ist die Datei mit knapp 13 MByte recht groß, doch wir wollten die flüssigen Bewegungsabläufe mit 30 Bildern pro Sekunde nicht beschneiden. Demnächst stellen wir auch ein ausführlicheres Video mit Szenen aus RidgeRacer V zur Verfügung.

USB und Firewire noch ohne Funktion

Beim Ausprobieren der Spiele wollte tecChannel auch wissen, wie sich PC-Gamepads mit USB-Anschluss an der PS2 verhalten. Die Antwort ist: Sie funktionieren nicht. Weder Pads von Microsoft noch Saitek wollten an der Konsole laufen. Dadurch neugierig geworden, haben wir auch Massenspeicher per Firewire (was bei Sony i.Link oder S.400 heißt) und USB an die PS2 gesteckt. Das gleiche Ergebnis: Das System erkennt sie nicht, und im "Browser", der sich nach dem Einschalten aufrufen lässt, tauchen die Geräte nicht auf.

Als letzten Versuch haben wir in den Slot für PC-Cards der PS2 IBMs Mini-Festplatte "Microdrive" gesteckt. Auch hier: Keine Reaktion. Das Microdrive läuft zwar bei einem Reset der PS2 kurz an, taucht aber auch sonst nicht in den Menüs von Betriebssystem oder Spielen auf. Dass die Erweiterungsports überhaupt beschaltet sind, zeigt sich an den Resets von USB- und Firewire-Geräten.

Mit unseren Ergebnissen konfrontiert, teilte Sony mit, dass die Schnittstellen der PS2 derzeit lediglich "Optionen" darstellen, die voraussichtlich erst 2001 genutzt werden. Dann will Sony in Japan auch einen breitbandigen Internetzugang für die PS2 anbieten, weshalb man sich das interne Modem gespart hat.

Neben diesen marktpolitischen Überlegungen drängt sich ein anderer Verdacht auf. Im Handbuch zu Streetfighter taucht auch der von der PSX bekannte "Multitap-Adapter" auf, mit dem sich vier Gamepads der PS2 an einen Port anschließen lassen. Offensichtlich will Sony trotz eines breiten Angebots an USB-Peripherie nicht auf das Geschäft mit eigenem Zubehör verzichten. Vielleicht sind auch schlicht die Treiber für USB und Firewire noch nicht fertig - bisher liegen die Schnittstellen jedenfalls brach.

Fazit

Die Qualität der Spiele wird mit der längeren Verfügbarkeit der PS2 sicher noch steigen. Schon der Vorgänger hat in sechs Jahren am Markt eine rasante Entwicklung durchgemacht. Die ersten Rennspiele wie "Ridge Racer" haben mit modernen PlayStation-Titeln wie "Gran Turismo" grafisch nicht mehr viel gemein - sie sehen aus wie auf einem anderen System programmiert. Die Entwickler reizen die Konsolen mit der Zeit immer weiter aus. Dass die Schnittstellen noch völlig ohne Funktion sind, wiegt da schon schwerer. Von der Multimedia-Plattform der Zukunft ist bei der japanischen PlayStation 2 noch nichts zu sehen. Vielleicht ändert sich mit der weltweiten Markteinführung im Herbst 2000 daran etwas.

Bis dahin bleibt echten Fans nur der Import-Weg mit den beschriebenen Problemen. Dafür bekommen sie eine Spielekonsole mit der Möglichkeit, japanische Spiele und japanische DVDs wiederzugeben. Eine echte Alternative zum PC ist die PlayStation 2 derzeit nicht. Erste Schritte dazu will Sony 2001 mit einer USB-Tastatur und PC-Cards für den Internet-Zugang gehen.

Derzeit ist die PS2 in Europa nur zu Schwarzmarktpreisen erhältlich: Je nach Händler kostet eine importierte PlayStation 2 inklusive Spannungswandler um die 2000 Mark, in Japan wird sie für umgerechnet rund 700 Mark verkauft. Wie viel Sony zum internationalen Marktstart für das Gerät haben will, steht noch nicht fest. (nie)