Pinguinkonzert

08.11.2002
Die Aussteller der Frankfurter Linuxworld 2002 waren sich einig: Das Open-Source-Betriebssystem hat sich im Firmennetz bei den Web-, File- und Print-Diensten etabliert. Dass es das Zeug hat, den Middleware-Bereich zu erobern, glauben jedoch nicht alle.

Von: Dr. Klaus Plessner

Linux und Clustering, das hat Tradition. An Hochschulen dient das Open-Source-Betriebssystem schon seit Jahren als Grundlage, um vergleichsweise billige PCs zu High-Performance-Verbänden zusammenzuschalten, die schwerste Rechenaufgaben in sehr kurzer Zeit lösen. High-Performance-Cluster funktionieren jedoch nur dann, wenn sich die zu lösenden Probleme parallelisieren lassen, sodass jeder Knoten der Gemeinschaft eine Teilaufgabe bekommt, die er weitgehend alleine bewältigt, ohne mit den übrigen Computern viele Daten auszutauschen. Je gesprächiger die Knoten werden, desto stärker belasten sie mit ihrer Kommunikation das Netz und drücken so die Performance des Gesamtsystems.

Damit Linux-Cluster als High-Performance-Plattform in den Rechenzentren von Unternehmen Einzug halten können, müssen einerseits die Softwarehersteller ihre Produkte auf den Linux-Betrieb in parallelen Umgebungen vorbereiten. Andererseits benötigt der Anwender ein schnelles Netz für den Cluster-Interconnect, falls sich die Software gegen das Parallelisieren sperrt. Fail-over-Cluster legen im Unterschied zu den High-Performance-Systemen das Hauptaugenmerk auf die Ausfallsicherheit.

Auf der Linuxworld-Messe, die vergangene Woche in Frankfurt stattfand, wollten wir einen Eindruck davon gewinnen, wie die Anbieter das Open-Source-Betriebssystem als Basis für Cluster-Systeme einschätzen. Wir fragten Serverhersteller und Distributoren, wo Linux im Vergleich zu anderen Plattformen in technischer Hinsicht steht, was die Performance, die Skalierbarkeit, die Ausfallsicherheit und die technische Reife anbelangt.

Sun: Unix ist besser

Robert Zwickenpflug, Produkt Marketing Manager bei Sun, bezweifelt, dass Linux eine gute Plattform für hochverfügbare Cluster-Lösungen ist. Das Betriebssystem sei auf die Intel-Plattform zugeschnitten, die keine hinreichend schnellen Interconnects zwischen Prozessoren erlaube. Linux eignet sich seiner Ansicht nach vor allem für horizontal parallelisierbare Anwendungen. Am stärksten sei das Betriebssystem im "Edge" des Unternehmens, an der Grenze zum Internet. Dort diene es als Basis von Webserverfarmen oder Firewall-Clustern. Im Middleware-Bereich und im Rechenzentrum schwört Sun auf die Kombination Solaris und Sparc. Die Grenze der Skalierbarkeit liege meistens bei zwei Prozessoren. Vier-CPU-Systeme kosteten im Vergleich zu Zwei-Wege-Rechnern überproportional viel. "Während Solaris schon seit fünf Jahren auf 64-Wege-Maschinen arbeitet, programmieren Linux-Entwickler noch heute vor allem auf Ein- oder Zwei-Prozessor-Servern", so der Produkt Marketing Manager. Ihnen fehle die Erfahrung mit Multiprozessorsystemen.

IBM: Skalierbar wie Low-End-Unix

Wie zuverlässig Linux arbeitet, hängt laut Adam Jollans, IBM-Manager in Sachen Linux-Marketing-Strategie, von der Hardware ab. zSeries-Maschinen seien eine ausgesprochen gute Grundlage. Aber auch Linux-PCs sind sicherer, skalierbarer und zuverlässiger geworden, so Jollans, weil sich die Intel-Hardware weiterentwickelt hat. Linux garantiere mit der Software "Lifekeeper" von Steeleye eine hohe Verfügbarkeit der unterstützten Applikationen. Bei der Prozessorskalierbarkeit sieht Jollans die Obergrenze bei vier bis sechs CPUs. Im kommenden Jahr werde Linux acht Prozessoren managen und in zirka einem Jahr, wenn der 2.6er-Kernel erschienen ist, sogar sechzehn. Weil Linux bislang nur acht Prozessoren zusammenschaltet, siedelt Jollans es seinen Rechenfähigkeiten nach im Low-End-Unix-Bereich an. In High-Performance-Clustersystemen skaliert Linux in den Augen des IBM-Spezialisten jedoch so gut wie Unix. IBM testete zum Beispiel eine SAP-Anwendung auf der Basis einer DB2-Datenbank auf einem 40-Knoten-Cluster. Der Vorteil zu Gunsten des Open-Source-Betriebssystems sei die billigere Hardware von Intel-Rechnern.

Hewlett-Packard: Plattform für Supercomputing

Michael Schulz, "Linux-Evangelist" bei Hewlett-Packard, sieht Unterschiede zwischen Clustern unter Linux und Tru64. Unterschiedliche Verfahren würden verschiedene Verfügbarkeitsstufen erzielen. Während Linux-Server unter Garantie maximal 99,99 Prozent der Zeit arbeiten, schaffen Tru64-Systeme mindestens 99,999 Prozent. Im Bereich der Forschung stehe eher die Performance als die Verfügbarkeit im Vordergrund. Hier würde man viele kleinere Maschinen zu Supercomputern zusammenschließen. Dabei dominiert laut Werner Höhn, Senior Software Consultant, das Leistungskriterium der Memory-Bandbreite pro CPU. Wegen der guten Packungsdichte würden vor allem Zwei-Wege-Server mit ihrem guten Preis/Leistungsverhältnis nachgefragt. Als Hochverfügbarkeits-Cluster finde Linux großen Anklang im Infrastrukturbereich von Unternehmen. So gäbe es zahlreiche Installationen in Datenbanken oder Messaging-Clustern. Durch die bevorstehende Freigabe von Lifekeeper für SAP R/3 kämen weitere Einsatzgebiete hinzu. Bei den Datenbanken setzt HP auf 9i-RAC-Cluster von Oracle. Die Installationen seien nicht nur hoch verfügbar, sondern auch performant. Tests hätten eine Skalierbarkeit von 89 Prozent ergeben. HP will mit Oracle die Technik weiter verbessern.

SCO Group: Schneller als Windows

"Linux hat dazugelernt, ist aber für geschäftskritische Anwendungen noch zu jung", sagte SCO-Deutschland-Chef Hans Bayer. Fail-over-Cluster ließen sich mit dem Betriebssystem sehr gut realisieren. Für das High-Performance-Clustering sei die Technik jedoch noch nicht genügend ausgereift. Vier bis acht Knoten brächten die Plattform an ihre Grenzen. Trotzdem sei Linux bei der Performance gegenüber Windows überlegen. Denn das Microsoft-Betriebssystem verstehe sich in erster Linie auf hoch verfügbare Cluster. Bei den Webservern und im Bereich File und Print habe Linux eine dominante Stellung erreicht. Damit es als Basis von Datenbanken fungieren kann, müsse es Multi-Prozessor-Rechner unterstützen. Außerdem seien dafür die File-Systeme nicht robust genug. Hier biete SCO-Unix die bessere Technik.

Red Hat: Bereit für Middleware

Marketing-Chef Mark de Visser von Red Hat glaubt, dass Linux mit Unix gleichauf steht. 90 Prozent seines Geschäfts hätten damit zu tun, Solaris-Maschinen durch Red-Hat-Linux-Rechner zu ersetzen. Nicht nur im Edge-Bereich, wo das Betriebssystem 60 Prozent der Webserver kontrolliert, sondern auch bei der Middleware sei es eine hervorragende Basis; zum Beispiel beim Enterprise Resource Planning (ERP) mit SAP-Software. Weil das Aufsetzen von High-Performance-Clustern zum Teil mit viel Aufwand verbunden sei, gehe der Trend zum "Cluster in der Box", einem Verbund aus Blade-Servern, die in einem Chassis untergebracht sind.