Pinguine für jeden Geschmack

19.05.2000
Die Zeiten, in denen sich der Anwender sein Linux-System mühsam aus dem Internet zusammensuchen musste, sind vorbei: Eine breite Palette von Distributionen für fast alle Einsatzzwecke steht auf CD-ROM zur Verfügung.

Von: Frank-Michael Schlede

Das "Freak-" und "Bastler"-Betriebssystem hat sich gemausert: Jeder Hardwareanbieter, der etwas auf sich hält, kann heute mindestens eine Linux-Strategie vorweisen. Und die meisten Hersteller professioneller Softwarelösungen stimmen ebenfalls in den Chor der Linux-Befürworter ein. Nach einhelligen Aussagen dieser Firmen gehört es zu den besonderen Vorteilen dieses Betriebssystems, dass nur ein Linux und somit auch eine einheitliche Betriebssystemplattform existiert.

Besonders in der Unix-Welt hatten sich die Unterschiede in den verschiedenen Derivaten immer negativ auf Verbreitung und Einsatz des Betriebssystems ausgewirkt. Wer sich allerdings nach einem Linux-Release für seine Einsatzzwecke umschaut, wird zunächst an der Einheitlichkeit des Systems zweifeln: Eine ganze Reihe unterschiedlicher Distributionen wird auf dem deutschen Markt angeboten. Das zeigt unsere Ende April diesen Jahres durchgeführte schriftliche Umfrage bei Anbietern von Linux-Systemen. Von der günstigen Version für 19,90 Mark bis hier zur Cluster-Lösung von über 4 000 Mark reicht die Spanne der Distributionen. Hier sind es natürlich die professionellen Systeme, wie beispielsweise die Produkte des im asiatischen Raum stark vertretenen Herstellers Turbo-Linux, die besonders interessant sind.

Cluster-Server für professionelle Anwender

Neben einem Workstation-Release, das sich laut Distributor Linuxland speziell an die Softwareentwickler richtet, steht dem Anwender hier auch ein Cluster-Server zur Verfügung, der mehr als 25 Cluster-Knoten unterstützen soll. Diese reine Softwarelösung soll sowohl auf der Intel- als auch auf der Alpha-Plattform zur Verfügung stehen und dabei auch die Verwaltung von Solaris- und Windows-NT-Lösungen im Netzwerk ermöglichen.

Systemsicherheit als besonderes Merkmal

Ein weiterer Punkt ist die Systemsicherheit, die ebenfalls bei dieser Version besonders hoch sein soll. Hier bietet Linuxland mit der Distribution "Trustix" ganz aktuell sogar ein spezielles Linux-Release an, das im Bereich der Systemsicherheit stark erweitert sein soll. So sind eine "starke Verschlüsselung" (strong encryption) und eine SSL-Unterstützung (Secure Socket Layer) bereits für alle Dienste und Anwendungen des Systems implementiert. Standardmäßig arbeitet Trustix zudem mit langen Passwörter und bietet zusätzlich noch die Unterstützung von Software-RAID an, um so ein möglichst sicheres Linux-System zur Verfügung zu stellen.

Ein näherer Blick auf die Daten dieser Marktübersicht macht aber auch sehr schnell die gemeinsame Basis der unterschiedlichen Linux-Distributionen deutlich. Da sich das Erscheinen der Version 2.4 des Linux-Kernels nach neuesten Informationen noch etwas hinziehen wird, haben sich alle Anbieter da-rauf verlegt, ihre Distribution mit einem Kernel in der Version 2.2.x anzubieten. Dabei wird in dem meisten Fällen das Release 2.2.14 angeboten. Mit dieser Übereinstimmung auf Basis des Systemkerns können die meisten Anwender davon ausgehen, ein einigermaßen einheitliches Betriebssystem vorzufinden, ganz gleich welche Linux-Distribution sie für ihre Einsatzzwecke einsetzen wollen. Ein weiteres erfreuliches Ergebnis dieser Umfrage ist die ISDN-Unterstützung, die nun nach eigenen Aussagen von fast allen Anbietern mitgeliefert wird. Auch ist kaum noch ein Anbieter zu finden, der sein Linux ohne eine Dokumentation oder entsprechenden Support anbietet. Allerdings gilt auch hier der Grundsatz, dass solche Leistungen selten umsonst zu bekommen sind. Wer also nur 19,90 Mark für sein komplettes Betriebssystem bezahlt, kann kaum eine Telefon-Hotline erwarten, die rund um die Uhr besetzt ist.

Für die meisten Anwendungsfälle gibt es in der Zwischenzeit ein spezielles Linux-Release, und Firmen wie Corel wollen zudem beweisen, dass sich dieses System auch auf dem Desktop einsetzen lässt. Hier sind es allerdings nach wie vor die entsprechenden Office-Anwendungen, die den meisten Anwendern fehlen.

Lösungen für den Office Bereich fast überall dabei

Aber auch in diesem Bereich gibt es immer bessere Lösungen: So liefern fast alle der von uns befragten Anbieter mindestens eine Evaluierungs-Kopie einer Office-Suite oder eines Textverarbeitungsprogramms mit. Hier lohnt es also auf jeden Fall, vor dem Erwerb eines Linux-Systems zu überprüfen, welche Anwendungen dringend benötigt werden und welche Distribution solche Programme bereits mitliefert. Gerade im Bereich der mitgelieferten Programme variiert nicht nur die Anzahl, sondern auch die Qualität erheblich: Neben CDs, die mit bis zehn verschiedenen "vi"-Klonen vollgepackt sind, wird gerade bei den Server-Versionen der unterschiedlichen Anbieter häufig eine ganze Palette an Programme beispielsweise für den Einsatz im E-Commerce- und E-Business-Bereich mitgeliefert. Dabei sollte man aber auf jeden Fall darauf achten, ob es sich bei diesen häufig vollmundig angepriesenen Programmen um Voll- oder eingeschränkte Testversion handelt. Ein Aspekt, der bei der Recherche zu dieser Markübersicht hervortrat, ist die zunehmende Verbreitung anderer freier Betriebssysteme wie etwa das BSD-Unix. Wir werden diesen Betriebssystemen in einer der nächsten Ausgaben vermehrt unsere Aufmerksamkeit widmen.