Perspektive mit Hürden

16.10.1998
Seit eineinhalb Jahren reißen sich Computer Associates und Tivoli förmlich um Kunden für ihre Systemmanagement-Lösungen. Eher unbemerkt geblieben ist bisher ein dritter Anbieter. Der Autor hat sich "Openmaster" von Bull näher angesehen.

Von: René Urs

Die Perspektiven des ganzheitlichen Managementansatzes unter einem Framework sind verlockend: die verteilte DV-Welt in den Griff zu bekommen, die Betriebskosten für das Überwachen und Steuern der IT-Systeme zu senken und die Effektivität der Geschäftsprozesse zu erhöhen. Das erhoffte Ergebnis: eine kurzfristige Rentabilität der Investitionen. Doch trotz verheißungsvoller Aussichten können sich den Planern und Entscheidern in der Realität zahlreiche Hürden in den Weg stellen, die anvisierte Nutzenpotentiale schnell zunichte machen (siehe Kasten).

Gründe für das Scheitern von Projekten

Ein wesentlicher Grund für das Scheitern vieler Projekte liegt darin, daß mit herkömmlichen Framework-Ansätzen die gesamte Organisation umstrukturiert werden muß. Ein Unternehmen ist gezwungen, die klassische Trennung in die Bereiche Netzwerk, Anwendungen und Telekommunikation aufzugeben und gegen eine zentrale IT zu ersetzen. Nötig ist ein ganzheitlicher Blick auf alle Geschäftsprozesse, um diese als funktionsfähige Kette der daran beteiligten Hard- und Software-Komponenten darzustellen. Das Problem: Ein solcher organisatorischer Wandel läßt sich im Rahmen des Projektes kaum herbeiführen und stellt damit den erwünschten Erfolg eines Frameworks in Frage. Erschwerend kommt hinzu, daß die Lösung als Ganzes geplant werden muß, selbst wenn sie vorerst nur Teildisziplinen abdecken soll.

Mit der Auswahl eines Frameworks stellt ein Unternehmen die Weichen für den Erfolg eines Systemmanagementprojektes. Drei Hersteller konkurrieren derzeit im Markt um die Gunst der Anwender: Bull mit Openmaster, Computer Associates mit Unicenter TNG und Tivoli mit dem Enterprise Manager. Ein genauerer Blick zeigt, daß der bisher am wenigsten bekannte Anbieter eine vielversprechende Lösung hat, die bisher rund 30 Unternehmen in Deutschland einsetzen.

Mittler zwischen Objekten und Applikation

Openmaster läßt sich in Abschnitten umsetzen und ist dadurch in bezug auf die Unternehmensorganisation flexibler. Möglich wird dies durch eine Daten- und Funktionsintegration im Kern des Frameworks. Managementprotokolle wie SNMP, Q3 (eine Untermenge von CMIP) oder das BMC-spezifische Protokoll für Patrol werden generell auf das OSI-Protokoll "Common Management Information Protocol" (CMIP) gemapped und als neutrale Objekte im Format des "Guide of Definition for Management Objects" (GDMO) in der internen Datenbank hinterlegt. Die Mittlerrolle zwischen Objektdatenbank und Managementapplikationen übernimmt ein Dispatcher, der gemäß dem OSI-Standard "Common Management Information Services" (CMIS) arbeitet.

Dieses applikationsunabhängige Objektmodell ermöglicht es dem Anwender, den Managementwerkzeugen gezielt Daten und Funktionen zuzuteilen, ohne an einen Zeitplan gebunden zu sein. Das Framework wächst mit jeder neu hinzukommenden Managementdisziplin automatisch. Strukturelle Veränderungen braucht ein Unternehmen vorerst nur in den Bereichen vorzunehmen, in denen der neue Managementansatz greift.

Reduzierter Integrationsaufwand

Das Objektdatenmodell ist auch der Hebel dazu, den Integrationsaufwand unter dem Framework zu reduzieren. Ein Großteil der Arbeit fällt damit in die Verantwortung von Bull, weniger in die der Dritthersteller und gar nicht in die des Anwenders. Die herstellereigenen Werkzeuge decken zu rund 60 Prozent die Management-Disziplinen ab. Diese sind: Asset-Management, Inventarisierung, Software-Verteilung, User-Helpdesk, Enterprise Operations (Event-Management, Leistungsmanagement und Scheduling) und Enterprise Security. Die Werkzeuge von Drittherstellern werden ebenfalls über die GDMO-Objektdatenbank in das CMIS/CMIP-Modell eingebunden. Nur das Asset-Management und das Trouble-Ticketing bilden eine Ausnahme: Sie werden nicht über die Objektdatenbank, sondern über eine SQL-Datenbank außerhalb des Frameworks geführt, weil für beide Disziplinen andere Datenformate und -strukturen als die der Objektdatenbank geeigneter sind.

Im Unterschied zu den Mitbewerbern ist die Anzahl der Produktpartner für Openmaster überschaubar. Zu den 30 Herstellern zählen unter anderem Remedy (Help-Desk und Trouble-Ticketing), Legato (Back-up-Management), BMC (Datenbank- und Anwendungsmanagement), Orsyp (Job-Steuerung), Cisco (Netzwerkmanagement), PS Soft (Asset-Management) und Microsoft (PC-Management).

Damit sinkt für den Anwender das Risiko, daß sich Dritthersteller wegen mangelnden Geschäfts mit der Zeit aus dem Framework ausklinken und deren Lösungen nicht weiter pflegen. Zum Vergleich: Unter dem Tivoli-Rahmenwerk tummeln sich nach Angaben des Herstellers mehr als 400 Produktpartner, unter Unicenter TNG immer noch über 200. Gleichzeitig ist bei beiden Anbietern ein Trend auszumachen, Managementaufgaben zunehmend mit eigenen Werkzeugen abzudecken – auf Kosten bestehender Partnerschaften. (cep)