Ein Perfektionist erledigt seine Aufgaben immer zu 100 Prozent und absolut zuverlässig - der perfekte Mitarbeiter für ein Unternehmen. Allerdings ist diese Sichtweise oft ein Trugschluss. Denn nur allzu oft verzettelt sich der Perfektionist in Kleinigkeiten und lässt den an mancher Stelle erforderlichen Pragmatismus vermissen. Damit bringt sich der Perfektionist selbst oft genug in terminliche Schwierigkeiten.
Der Perfektionist ist sich aber auch in der eigenen Karriere oft selbst im Weg. Denn er will stets alles selber machen und über jede Kleinigkeit die Kontrolle haben. Delegieren von Arbeit an die eigenen Mitarbeiter ist für den Perfektionisten schwierig. Niemand kann es natürlich so gut machen wie er selbst. Eine fatale Einstellung für die eigene Karriere. Damit isoliert sich der Perfektionist schnell, und er gilt als Einzelkämpfer und als nicht teamfähig. Gerade als Vorgesetzter ist Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter und Abgeben von Arbeit mehr als nur wichtig. Die Teamarbeit macht den Erfolg - Einzelkämpfer sind von gestern.
Für den Perfektionisten ist es auch schwer, mal "Nein" zu sagen. Denn alles ist machbar, und ein bisschen mehr geht immer noch. Werden die avisierten 100 Prozent dann nicht erreicht, sieht sich der Perfektionist schnell selbst als Versager. Und delegieren der zusätzlich angenommenen Arbeit geht ja aus den genannten Gründen sowieso nicht.
Die Managementtrainerin Irene Becker und die PR-Beraterin Jutta Meyer-Kles waren selbst jahrelang Perfektionistinnen, bis sie eingesehen haben, dass das Streben nach Perfektion nur Stress und Unzufriedenheit mit sich bringt. In ihrem Buch "Lieber schlampig glücklich als ordentlich gestresst" (Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2004) zeigen Becker und Meyer-Kles darum nachvollziehbare Wege aus der Perfektionismusfalle auf. Außerdem geben die Autoren Tipps für Chaoten, um einen gewissen Grad an Perfektionismus zu erlangen. Damit können auch Chaoten ihr berufliches Weiterkommen forcieren.
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Goldene Regeln für geläuterte Perfektionisten
Damit dem Perfektionist sein Perfektionismus im beruflichen Alltag nicht ständig im Weg ist, sollte er sich folgende Regeln einprägren:
Seien Sie selbst Ihr schärfster Kritiker, aber nicht Ihr größter Feind. Setzen Sie sich realistische Maßstäbe.
Denken Sie in großen Zusammenhängen, aber arbeiten Sie Schritt für Schritt.
Fordern und fördern Sie sich selbst und andere, aber überfordern Sie niemanden.
Bügeln Sie Ihre Fehler aus, und ärgern Sie sich nicht lang darüber. Lernen Sie aus Ihren Fehlern so schnell wie möglich und blicken Sie nach vorn.
Manchmal ist Mogeln erlaubt.
Verlieren Sie nicht den Humor. Lachen Sie über sich.
Auf dem Weg zum glücklichen Chaoten
In ihrem Buch geben Irene Becker und Jutta Meyer-Kles auch gute Tipps, wie etwas chaotische Mitarbeiter mit einfachen Mitteln ein gesundes Maß an Perfektion herstellen können:
Perfekte Ordnung: Ihr Schreibtisch ist von Papierstapeln übersät und sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Ihr pedantischer Chef hat sich am Telefon angekündigt, er wolle kurz was besprechen. Halten Sie sich für Notfälle eine der oberen Schubladen frei. Fegen Sie die Stapel bis auf ein paar vermeintlich wichtige Dokumente hinein. Ihr Schreibtisch erweckt den Eindruck hochkonzentrierter und zielgerichteter Arbeit.
Kreatives Chaos: Wenn eine Schublade nicht mehr ausreicht, hilft die Flucht nach vorne. Verteilen Sie bunte Post-its mit dicken Pfeilen und Anmerkungen. Ein paar Mind Maps mit farbigen Ästen und unleserlichem Gekritzel runden das Bild ab. Bezeichnen Sie das Ganze als Ihr kreatives Chaos, ohne das Sie gar nicht arbeiten könnten.
80 Prozent als 100 Prozent verkaufen: Das Gerade-weil-Muster" hilft immer, dem Chef ein X für ein U vorzumachen. "Gerade weil die neue Strategie so grundlegend wichtig ist, habe ich die Knackpunkte offengelassen, damit wir gemeinsam das Optimum definieren können!" Wirksamer funktioniert der Trick, wenn Sie ihn mit einer Schmeichelei verbinden: "Ich fand Ihre Ideen zu diesem Thema sehr wertvoll und möchte sie unbedingt integrieren."
Lücken kaschieren: Ihnen fehlen noch wichtige Schlussfolgerungen und Lösungsvorschläge? Entwerfen Sie rasch ein paar grobe Vorschläge auf der Basis von Schlagworten. Stellen Sie das Ganze als Szenariotechnik vor und überlassen Sie die Denkarbeit dem Publikum. Das Lob für Ihren interaktiven Vortragsstil kennt keine Grenzen.
Der Matador: Packen Sie den Stier bei den Hörnern: Geben Sie Ihre Fehler offen zu und zeigen Sie positive Folgen auf. Wenn Sie einen Fehler eingestehen, anstatt zu versuchen, ihn zu verbergen, nehmen Sie den anderen den Wind aus den Segeln. Seien Sie ehrlich und selbstbewusst: Alle sollen aus Ihren Fehlern lernen. Damit erweisen Sie dem Team einen Dienst.
Qualifizierende Gegenfrage: Wenn man auf die Schnelle keine Antwort parat hat, hilft eine fordernde, aber neutrale Gegenfrage: "Welcher Aspekt interessiert Sie besonders?", "Wie ist Ihre Meinung / Erfahrung / Ihr Informationsstand dazu?" Das zwingt den Frager, seine Frage genauer zu erläutern; während dieser Zeit kann Ihr Hirn auf Hochtouren arbeiten, um eine Antwort zu finden.
Ablenkung: Ebenso wirksam, aber komplizierter: das Ablenkungsmanöver. Greifen Sie ein Stichwort aus der Frage auf und benutzen Sie es als Überleitung zu einem Thema, bei dem Sie Bescheid wissen. Während Sie darüber reden, können Sie fieberhaft nach Antworten für die ursprüngliche Frage suchen. Wenn Sie das neue Thema gut genug etablieren, wird der Frager vielleicht sogar seine Ausgangsfrage vergessen
Begründete Verweigerung: Falls Sie abschätzen können, dass Ihnen auch mit viel Zeitgewinn nichts zu einer Frage einfallen wird, dann verweigern Sie die Auskunft - aber nur mit einer plausiblen Begründung. "Aus abteilungsinternen Gründen möchte ich in dieser Phase noch keine Stellungnahme abgeben" oder "Diese Frage lässt sich in der Kürze der Zeit nur ungenügend beantworten" helfen Ihnen, die Antwort auf die gestellte Frage zu vertagen.
Tränendrüse: Manche Vorgesetzte sind durchaus für ein schlechtes Gewissen empfänglich, also auch für Mitleid: Schildern Sie, wie überlastet und gestresst, aber dennoch hoch motiviert und leistungsbereit Sie sind, mit welchen Schwierigkeiten Sie souverän fertig werden. Womöglich fühlt sich der Chef als Ausbeuter, und Sie werden voller Mitgefühl für Ihre heroischen Anstrengungen bewundert.