Per Handy auf die E-Business-Schiene

05.05.2000
Klein und wendig statt groß und behäbig ist das Credo der neuen E-Conomy. Die ersten WAP-Applikationen zeigen, dass das mobile Informationsmanagement einen ernst zu nehmenden Faktor im aufkommenden Internet-Business darstellt.

Von: Konrad Buck

Drei Buchstaben werden zum Synonym für die Verknüpfung von Internet, Mobilität und Geschäft: WAP (Wireless Application Protocol). Der international anerkannte Standard für die Darstellung von Internet-Inhalten auf dem Handy verlagert das Geschäft mit dem WWW vom schwerfälligen Computer auf ein gewandtes Gerät, das sich schneller verbreitet als alle anderen elektronischen Geräte zuvor. Schon Ende 2000 werden Dataquest zufolge allein in Deutschland 27 Millionen Handys verkauft sein. Knapp 10 Prozent davon, also rund 2,7 Millionen, werden nach Einschätzungen der Analysten von Durlacher bis Jahresende WAP-fähig sein. Die Anzahl der derzeit in Umlauf befindlichen WAP-Handys von Nokia und Motorola schätzt der Durlacher-Analyst Frank Müller-Veerse auf etwa 50 000 bis 100 000 Geräte. Deren Benutzer sind eine interessante, weil zahlungskräftige und innovationsbereite Klientel. Und ihre Anzahl wird in den nächsten Monaten drastisch ansteigen.

Die Fülle der mittlerweile angebotenen Dienste kann man anhand von vier Anwendungstypen analysieren. Am größten ist die Gruppe der Unternehmen, die damit ihren Vertrieb aufpolieren. "Mit WAP können insbesondere kleine Unternehmen schnell und preiswert ins E-Business einsteigen", berichtet Christian de la Haye. Der Inhaber des Viersener Dienstleisters Megabit Media bringt täglich neue Firmen ins mobile Internet. Und auch die Gruppen der Firmen, die mit WAP ihre Logistik unterstützen, die interne Kommunikation verbessern und der Informationsbeschaffung neue, effizientere Strukturen verpassen, bieten interessante Nutzungsbeispiele.

"WAPen" ist schick, aber mit den derzeit gängigen Handys und Übertragungsraten noch ziemlich umständlich und teuer. Das schreckt viele Nutzer ab. Darum liegt die Würze des WAP-Vertriebs in der Kürze. Je knapper und prägnanter, desto besser.

Thomas Schibich, der Chef eines Karosseriefachbetriebs aus Leipzig, nutzt seit Februar das Protokoll. Der Inhaber des Drei-Mann-Betriebs publiziert darüber einen Teil seiner Leistungen und seine Verbindungsdaten. Das reicht aus. Schibich: "Mit dem kleinen, aber feinen WAP-Auftritt möchte ich neue, jüngere, besser verdienende Kundenschichten ansprechen."

Die beiden Betreiber eines Ladens für Secondhand-Brautmoden in Stäfa bei Zürich, Elisabeth Casal und Dominik Schweizer, waren das Warten auf Laufkundschaft und das Nutzen herkömmlicher Werbemethoden satt. Jetzt verkaufen die beiden gebrauchte "Träume in Weiss" inklusive Zubehör via Internet und WAP-Handy. Web-Profi Schweizer: "Die Internet-Technik spült uns zusätzliche Kunden in den Laden, oder?" Sie bieten derzeit 38 Brautkleider, Accessoires und die Kontaktadressen über Handy an.

Ioannis Chatziandreou, der Technikchef des Bochumer Ingenieurbüros für Bauschaden-Diagnose Hebo GmbH, liefert Informationen und erste Hilfe per WAP-Handy. Dort werden wichtige Tipps, mögliche Ursachen und nützliche Telefonnummern angegeben. Chatziandreou hat die Adresse seiner Site in mehreren Suchmaschinen angegeben. Unter den Stichworten "Bauschaden" oder "Wasserschaden" werden ratlose Architekten oder Bauingenieure fündig.

Seit der CeBIT dieses Jahres gibt es auch Teile der Schwacke-Liste im mobilen Internet. Der Anbieter von Automarktdaten, Fahrzeuganalysen und Softwarelösungen Eurotax Schwacke zählte bereits rund 17 000 Zugriffe auf die Site. Per WAP werden die Händlerein- und -verkaufswerte sowie der ursprüngliche Neupreis veröffentlicht.

Das bietet nach den Worten von Marketingleiterin Monika Neuberth eine erste Gesprächsgrundlage für die beiden Handelspartner. Die Maintaler verstehen sich als Dienstleister und wollen ihre Klientel daher auf möglichst allen derzeit verfügbaren Informationskanälen bedienen. Zwar sind die via WAP kostenlos bereitgestellten Angaben nur ein erster Richtwert, aber Neuberth will ganz bewusst jeden sich bietenden Kundenzugang nutzen. Somit ist das Handy auch ein Baustein für Kundenbetreuung und -bindung. Jetzt baut Schwacke ein komplettes Online-Portal rund um den Autokauf.

In Anwendungen wie der Warenverteilung wird WAP bereits tief gehender eingesetzt. Hier geht es nicht nur um die Darstellung von Informationen, sondern um die Unterstützung von Distributionsprozessen.

Per WAP-Handy Lieferstatus der Waren verfolgen

Markus Nigsch, der E-Business-Fachmann des österreichischen Speditionsunternehmens Gebrüder Weiss aus Lauterach, hat sein Internet-Informationssystem "Isis" auch im WAP. Der Frachtkunde kann über die Sendungsnummer den Status seiner Ware abrufen. In nur einer Woche war der WAP-Auftritt fertig. Nigsch: "Weil wir alle Informationssysteme schon in Java- und Internet-Technik haben, war der Programmieraufwand in wenigen Tagen erledigt." Mindestens genauso lange dauerte es, die Fehler auf den Handys zu beseitigen. Denn einige der Funktionen klappen zwar laut Dokumentation, nicht aber auf dem Handy selbst. Das musste im Trial-and-Error-Verfahren behoben werden.

Nigsch hat große Pläne im WAP-Commerce: Die von ihm geführte Weiss-Tochterfirma Inet Logistics wird ab Herbst komplette Logistiklösungen für Kleinspediteure anbieten. Mit ihr werden sich Lieferfirmen zum Beispiel an Shopsysteme andocken können, um die Verteilung der per Internet georderten Waren zu übernehmen, bequem und schnell per Handy. Den gesamten organisatorischen Aufwand für Beauftragung, Abrechnung und Verifizierung erledigt das System. Es ist ein viel versprechender Markt, denn über 40 Prozent des gesamten Logistikaufkommens werden nach wie vor von Kleinlogistikern bis hin zu Selbstfahrern abgewickelt.

Carsten Scheel, der Chef des Bremer E-Business-Senkrechtstarters Logistic Offer & Order Net (Loon) ging gleich den Schritt in Richtung eines hoch integrierten Logistiksystems auf WAP-Basis. Loon setzt komplette Speditionsanwendungen ins Internet, sorgt für eine Verbindung der Logistikindustrie untereinander und bindet gleichzeitig die herstellende Industrie sowie Shoppinglösungen an. Das Produkt gibt es in drei Baustufen, so dass im Grunde genommen der gesamte Markt abgebildet werden kann, von der kleinsten Spedition bis zum weltweit tätigen Logistikunternehmen. Geschäftführer Scheel: "Loon funktioniert nur durch und mit WAP. Das Data-Handy stellt eine Kernfunktion dar, denn zu 90 Prozent der logistischen Kette ist ein Gut von einem Ort zum anderen in Bewegung. Mit WAP können wir entsprechende Informationen absetzen, wenn sich am Lieferstatus des bewegten Gutes etwas ändert." Die Bremer bieten an, Internet-basierte Geschäftsprozesse via WAP-Handy zu beeinflussen oder zu steuern. So kann eine Spedition aufgrund der Informationen ihres Fahrers dem Empfänger mitteilen, dass die Ware nicht um 12, sondern voraussichtlich um 15 Uhr auf dem Hof steht. Noch eine Stufe weiter erkennt das System aufgrund von Zeitvorgaben und Positionsmessungen selbst, dass sich Termine verschieben und gibt diese Info an alle involvierten Stellen weiter.

Was die einzelnen Mitarbeiter derzeit noch auf ihren Laptops oder PDAs im Alleingang durchführen, Terminkalender und Adressverwaltung, das könnten die Mitarbeiter einer für WAP aufgeschlossenen Firma in Zukunft belegschaftsweit, mobil und auf nur einem Gerät bewerkstelligen. Der Internet-Verantwortliche des Osnabrücker Distributors für Kommunikationstechnik NT Plus AG, Stefan Kauerz, hat den Dienst "Mobile Organizer" für Terminverwaltung und Informationsmanagement unterwegs per Handy aufgesetzt. Der Service soll die Fachhändler des Unternehmens beim Eintritt in die WAP-Atmosphäre unterstützen. So erhält der Handelspartner beispielsweise aktuelle Marketinginformationen, mit denen er einfache Mailings für seine Kunden erstellt. Diese kann der Endkunde per Handy oder an seinem PC abrufen. Abgerundet wird der Dienst durch Schulungsangebote rund um WAP und Internet.

Bereits einen Schritt weiter ist der Berliner Anbieter space2go.com GmbH. Die Zwei-Mann-Startup-Firma bietet den "Personal WAP Service" an, auf dem Privatpersonen Terminkalender, Adressdatenbank, Aufgabenliste und E-Mails per Handy verwalten können. Einer der ersten Anwender, Inhaber eines Büros für Dienstleistungen aus dem Bereich Electronic Publishing, ist Hartmut Kern (kern@kern-ep.de). Er nutzt space2go zunächst für die Adressverwaltung. Dazu übernehmen die Berliner für 14 Mark im Monat und Verbindungskosten die Kerndaten auf ihren WAP-Server und ermöglichen die mobile Nutzung per Funk.

Das Kölner Unternehmen Denkwerk, Anbieter einer Bookmark-Verwaltung im Internet namens "Oneview", bietet seinen Verbindungsdaten-Managementdienst jetzt auch für die Nutzung auf WAP-Handys an. In Zukunft hat der Anwender die Möglichkeit, seine Links, die er bisher auf seinem PC verwaltet und organisiert hat, auch über das Handy zu nutzen. Der Partner Linkedwith aus Berlin hat derzeit bereits rund 3 000 brauchbare WAP-Links recherchiert.

Gemeinsam mit den Berlinern betreiben die Kölner eine eigene Internet-Redaktion, die nützliche WAP-Adressen recherchiert und diese den Nutzern als so genannte "Top WAPs" zur Verfügung stellt. Sammlungen von Web-Sites sind längst nicht mehr nur bessere Adressverzeichnisse. Vielmehr steckt für den Anwender hinter jeder mit einem Bookmark versehenen Internet-Adresse immer auch Know-how.

Wer sich und seine Firma in WAP und Internet einführen und diesen Bereich weiter ausbauen will, braucht "virtuelle Fundgruben" mit Informationen rund um das Thema. Die Liste zeigt die wichtigsten WAP-Suchmaschinen und -Serviceadressen.

www.wapsites.de

www.wapjag.de

www.wap4fun.de

Tipp: Auf diesen Sites sollte jeder WAPer sein Angebot so schnell wie möglich publik machen. (sf)