Pentium 4: Neue Plattform, neue Probleme

12.09.2000 von NICO ERNST 
Der Pentium 4 steht kurz vor der Markteinführung. Als radikal neue Plattform braucht er auch komplett neue PCs. Der Aufwand ist nicht unumstritten: Bei gleichem Takt ist die neue CPU nicht immer schneller als der Pentium III.

Keine andere Industrie bewegt sich so hart an der Grenze zwischen Grundlagenforschung und marktreifen Produkten wie die Prozessorbranche. Wer nicht alle paar Jahre das Rad neu erfindet, spielt bald nicht mehr mit.

Doch neue Räder laufen nicht sofort so rund, wie der Kunde das gerne hätte. Sie sind größer, noch ein bisschen eckig - aber sie drehen sich schneller. Das wird auch mit dem Pentium 4 von Intel nicht anders werden. Ende Oktober sollen fertige PCs mit dem neuen Prozessor auf den Markt kommen. Zeit für einen Ausblick auf die neue Prozessor-Generation und die Probleme, die sie mit sich bringen wird.

Der Pentium 4 ist das erste komplett neue CPU-Design, das Intel seit 1996 auf den Markt bringt. Damals erschien der Pentium Pro mit seinem P6-Kern. Aus dieser P6-Architektur gingen nacheinander Pentium II, Celeron, Xeon und Pentium III hervor. Bis auf den Server-Prozessor Xeon bekamen alle P6-CPUs auch stromsparende Ableger für Notebooks.

Mit dem Pentium Pro hat das P6-Design also fünf CPU-Familien hervorgebracht. Eine derart flexible Ausbeutung einer Architektur hat die Prozessor-Welt noch nicht gesehen - doch allmählich kommt das P6-Design ans Ende.

Pentium III: Skalierung ausgereizt

Der P6-Core kam mit dem Pentium Pro und 150 MHz auf den Markt. Lässt man den jüngst zurückgerufenen Pentium III mit 1133 MHz außer Acht, so hat Intel mit dem Gigahertz-Pentium-III den Takt seitdem um den Faktor 6,6 gesteigert. Diese enorme Skalierfähigkeit hätten sich bestimmt auch die Entwickler des P6 kaum träumen lassen. Doch im Laufe des letzten Jahres sind die Grenzen dieses Designs mehr als deutlich geworden.

Bei immer höherem Takt kommt von der im Prozessor freigesetzten Leistung immer weniger beim Anwender an. Die folgenden Diagramme zeigen den Zusammenhang von Rechenleistung und Taktfrequenz des Prozessors. Die Messungen wurden allesamt auf dem selben Mainboard mit PC-133-Speicher und einem Pentium III mit Coppermine-Kern und 133 MHz FSB-Takt durchgeführt. Die Details zu den Tests sind unseren ständig aktualisierten CPU-Benchmarks zu entnehmen.

Im ersten Diagramm ist die Leistung mit Standard- und Multimedia-Anwendungen unter Windows NT 4.0 angegeben. Die Benchmark-Suite SysMark98 skaliert mit dem Prozessortakt des Pentium III noch bis zu 667 MHz nahezu linear. Von 600 zu 667 steigt der Takt um elf Prozent, und die SysMark-Punkte von 269 auf 296 um zehn Prozent.

Danach flacht die Kurve immer weiter ab. Steigt der Takt von 933 auf 1000 MHz um sieben Prozent, so erhöht sich die dadurch erzielte Leistung um 3,7 Prozent - nur noch gut die Hälfte der Taktsteigerung. In SysMark-Punkten ausgedrückt entspricht das 358 Zählern bei 933 MHz gegenüber 371 Punkten für 1000 MHz.

Pentium III: Spiele skalieren kaum noch

Noch deutlicher sichtbar wird die geringer werdende Skalierung der Rechenleistung mit der Taktfrequenz bei modernen 3D-Spielen wie dem indizierten Quake III Arena. Derartige Software ist extrem optimiert und kitzelt das letzte Quäntchen Leistung aus PCs. So steigt beim Wechsel von 600 zu 667 MHz, also plus elf Prozent, die erzielte Bildrate (FPS) noch um knapp sieben Prozent: 77,1 zu 82,3 FPS.

Dieses Verhältnis wird mit zunehmendem Takt schlechter, bei 933 gegenüber 1000 MHz wird es dann richtig finster. Sieben Prozent mehr Takt bringen hier knappe drei Prozent, oder 100,8 FPS zu 103,8 FPS. Das liegt gerade noch über der Messtoleranz. Da bei diesen Tests die Qualitätsstufe "Normal" bei Quake III gewählt wurde, wird auch bei 1 GHz die Grafikkarte noch nicht zum Flaschenhals.

Vergleichsmessungen mit dem von Intel favorisierten Rambus-Speicher zeigen, dass der Effekt auch hier deutlich zuschlägt. Der neue Speicher alleine ist also kein Ausweg aus dem Dilemma, dass beim Pentium III der höhere Takt im Verhältnis zur Leistung immer weniger Nutzen bringt.

Pentium 4: Skalieren mit Bus und Pipe

Intel will sich aus dieser Zwickmühle vor allem durch zwei Maßnahmen befreien. Zum einen verfügt der Pentium 4 über einen neuen Bus, der quad pumped arbeitet. Die Synchronisation läuft dabei mit 100 MHz, pro Takt werden aber vier Datenpakete ausgetauscht, was effektiv 400 MHz ergibt. Befehle und Daten kommen so schneller in den Prozessor hinein und wieder heraus.

Damit der Speicher nicht zum Flaschenhals wird, arbeiten die ersten Pentium-4-PCs mit zwei Rambuskanälen, die zusammen eine theoretische Speicherbandbreite von 3,2 GByte pro Sekunde erreichen. Doch das alleine reicht nicht.

Damit die Kommandos auch schneller abgearbeitet werden können, hat der Pentium 4 eine mit 20 Stufen sehr lange Pipeline. Der P6-Core verfügt nur über zehn Stufen. Die Pipe ist nicht nur doppelt so lang, sondern kann mit 126 Kommandos auch drei Mal so viele Befehle aufnehmen wie die des Pentium III.

In der Praxis wird der Pentium 4 damit bei hohen Taktraten besser skalieren als ein Pentium III - Taktsteigerungen wirken sich beim Pentium 4 also wieder deutlich aus. Deshalb soll der Prozessor auch gleich mit 1,4 GHz auf den Markt kommen.

Außer technischen Gründen hat dieses Vorgehen einen angenehmen Marketing-Effekt. Consumer-PCs bei Aldi und Co. werden vor allem über eine hohe Taktfrequenzen verkauft. Wenn der Pentium 4 in diesem Segment gelandet ist, machen sich seine hohen Taktraten für die großen Zahlen im Prospekt sehr gut. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.

Pentium 4: Probleme und Lösungen

Seit dem Februar 2000 spricht Intel öffentlich über den Pentium 4, der damals noch unter dem Codenamen Willamette gehandelt wurde. Das erste Intel Developer Forum 2000 (IDF), von dem tecChannel ausführlich berichtete, konnte die Probleme des Pentium 4 ob der Begeisterung um damals noch aktuelle 1,5 GHz und den schnellen Bus noch gut kaschieren.

Im September, bei der Herbst-Ausgabe des IDF, wurden die Schwierigkeiten mit der neuen Plattform jedoch sichtbar - auch wenn sich Intel alle Mühe gab, nicht ausdrücklich darauf hinzuweisen.

An erster Stelle ist hier der enorme Stromverbrauch zu nennen. Nach Intels Datenblättern zieht der Pentium 4 bei 1,4 GHz über 66 Watt Leistung. Damit sind neue Kühlkörper und Netzteile fällig. Über die Spezifikation zu ATX12V, so die neue Norm für Energiequellen im PC, hatten wir bereits berichtet.

Die Kühlkörper hat Intel zwar nicht genormt, empfiehlt aber dringend, in Zukunft auf Modelle mit einem Kupfer-Kern zu setzen. Derartige Kühler, beispielsweise von Alpha, setzen Übertakter schon länger ein. Sie sind zwar teuer, aber bei einer neuen Plattform wohl unumgänglich. Immerhin war es vor gerade mal fünf Jahren auch noch nicht selbstverständlich, dass PC-Prozessoren überhaupt aktive Kühlung benötigen.

Aus dem Lager der notorischen Taktfrequenz-Junkies kommt auch schon der nächste Trend: Kühlkörper mit integrierter Heatpipe, die neben Alpha die Firma Cooler Master seit kurzem anbietet.

Dass daneben auch der i850-Chipsatz, mit dem die ersten Pentium-4-Rechner arbeiten werden, große passive Kühlkörper braucht, wirkt da schon fast trivial.

Ein weiteres Problem taucht laut Intel erst jenseits von 1,5 GHz auf: Die Prozessorbeinchen des Socket 423 für den Pentium 4 könnten dann zuviel Störstrahlung abgeben. Ein passendes Abschirmblech, das zwischen Kühlkörper und Sockel kommt, ist schon entworfen. Nach den ersten Tests ist es jedoch bis zu 1,5 GHz auch nach den Kriterien der FCC und für das in Europa zwingend notwendige CE-Siegel nicht notwendig. Abschirmungen am Steckplatz stellen dennoch ein weiteres Novum in der CPU-Entwicklung dar.

Pentium 4 PCs auch mittelfristig teuer

Mit 42 Millionen Transistoren in einem Prozess mit 0,18 Mikron überrascht der Stromverbrauch und die damit verbundene Wärmeentwicklung eigentlich wenig. Auch wenn die Probleme hinsichtlich Netzteil und Kühlkörper gelöst sind, gibt es doch einen entscheidenden Nachteil: Die PCs werden sehr teuer.

Auf dem IDF im September war von 2500 Dollar für Pentium-4-Rechner die Rede. Beim ständig steigenden Dollar-Kurs sind damit 6000-Mark-PCs zu erwarten. Da das nicht so bleiben kann, hat der Pentium 4 im nächsten Jahr eine Schrumpfkur vor sich.

Unter dem Codenamen "Northwood" entwickelt Intel inoffiziellen Informationen zufolge eine neue Version des Pentium 4, die in 0,13 Mikron gefertigt werden soll. Damit reduzieren sich die Kosten für die Herstellung und auch die Leistungsaufnahme. Taktfrequenzen von 1,4 GHz und darüber werden so leichter zu handhaben, und auch ein Pentium 4 mit 2 GHz ist Quellenangaben zufolge Mitte 2001 zu erwarten. Der dürfte dann aber wieder ähnlich heiß werden und damit nur in teuren PCs zu finden sein.

Zum Northwood gehört der Chipsatz Brookdale, der auch mit SDRAM und möglicherweise DDR-Speicher umgehen kann - erst dann ist der Pentium 4 reif für den Massenmarkt. Bis dahin wird auch der Pentium III mit dem Projekt "Tualatin noch auf 0,13 Mikron geschrumpft werden, mit einem eventuell schnelleren Bus könnte er auch wieder besser skalieren.

Es zeichnet sich damit ab, dass der Pentium III bis weit ins Jahr 2001 hinein noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Auch hier zeigt sich die Analogie zum Pentium Pro: Der konnte erst leicht erweitert und als Pentium II verpackt den Pentium vom Makt verdrängen und hat dazu immerhin knapp zwei Jahre gebraucht. Wenn Intel nicht noch mehr größere Pannen wie Rückrufaktionen von Prozessoren und Chipsätzen oder die Vorstellung von Papiertigern passieren, dürfte erst 2002 das Jahr werden, in dem ein Rechner mit einem Pentium 4 zum Standardmodell wird.

Pentium 4: Schneller oder nicht?

Die Probleme mit der neuen Plattform sind denen bei der Einführung des Pentium Pro sehr ähnlich. Der brauchte zwar keine neuen Netzteile, aber eine völlig andere Spannungsversorgung auf dem Board und neue Kühlkörper.

Doch der Pentium Pro hatte eine weitere entscheidende Schwachstelle: Er lief mit der gleichen Taktrate wie der Pentium, war aber deutlich langsamer, wenn 16-Bit-Software zum Einsatz kam. Das wird Intel nicht noch einmal passieren. Nicht umsonst ist der Abstand zum Pentium III beim Pentium 4 in puncto Taktfrequenz gut gewählt. Der Pentium III wird Ende Oktober mit 1000 MHz auch in großen Stückzahlen lieferbar sein, der Pentium 4 kommt aber gleich mit 1,4 GHz.

Warum das so ist, wurde auf dem letzten IDF klar. Von einem Intel-Mitarbeiter war zu erfahren, dass der Pentium 4 bei gleichem Takt bisweilen langsamer wäre als ein Pentium III. Das soll jedoch nur bei bestimmten Code-Kombinationen auftreten, die zukünftige Compiler vermeiden werden. Intel selbst arbeitet sehr aktiv an der Compiler-Entwicklung mit und hat mit VTune auch ein eigenes Optimierungs-Werkzeug produziert, das frei zugänglich ist.

Somit sind auch die im Web derzeit kursierenden Benchmarks von Test-Systemen des Pentium 4 mit 1 GHz nahezu wertlos: Mit dieser Taktfrequenz kommt der Prozessor nicht auf den Markt. Zudem ist die Software derzeit noch nicht auf den Pentium 4 optimiert, doch das kann durchaus noch dauern. Erst in den letzten beiden Jahren ist MMX wirklich zur Pflicht für Programmierer geworden - es gibt die neuen Multimedia-Befehle jedoch schon seit 1996. SSE2, die neuen Instruktionen des Pentium 4, werden auch ein bis zwei Jahre brauchen, um die Leistung der neuen Architektur zu zeigen.

Während sich beispielsweise eine Handvoll Photoshop-Plugins, wie bei SSE geschehen, schnell programmieren lassen, sieht das bei 3D-Spielen oder kompletten Multimedia-Anwendungen anders aus. Die dafür notwendigen 3D-Engines müssen von Grund auf neu programmiert werden, um einen neuen Befehlssatz wirklich nutzen zu können. Derartige Software-Projekte benötigen jedoch mindestens 12 Monate.

Fazit

Die erste Version des Pentium 4 wird Spitzenleistung zum Spitzenpreis bieten. Da sie neue Mainboards, Netzteile und Rambus-Speicher braucht, ist sie keine kostengünstige Lösung zum Aufrüsten - ein neuer PC ist Pflicht. Interessant für den Massenmarkt wird der Pentium 4 erst Mitte 2001 mit seiner neuen Version Northwood.

Das wichtigste Merkmal des neuen Prozessors ist seine Skalierfähigkeit. Die CPU startet zwar mit 1,4 GHz, ist jedoch deutlich auf Taktfrequenzen von 2 GHz und mehr ausgelegt. (nie)