Konkurrenz für VMware und Microsoft

Oracle VM VirtualBox - der Open-Source-Hypervisor im Test

05.09.2010 von Moritz Jäger
VirtualBox ist eine Open-Source-Lösung, mit der sich Betriebssysteme virtualisieren lassen. Die aktuelle Version bietet nicht nur zahlreiche praktische Funktionen, sondern unterstützt auch 64-Bit-Gastsysteme – und ist außerdem für viele Nutzer kostenlos.

Die Software VirtualBox ist ein Software-Hypervisor, mit dem sich virtuelle Umgebungen aufsetzen lassen. Der Vorteil von VirtualBox: Die Software ist größtenteils Open Source, außerdem kann sie jedermann kostenlos testen. Für den Eigengebrauch ist VirtualBox immer kostenlos, sie eignet sich also perfekt. um erste Erfahrungen mit virtuellen Umgebungen zu sammeln oder um eigene Testsysteme aufzusetzen.

Virtualisierung: Egal ob Linux, Solaris oder Windows – VirtualBox ist eine einfache und praktische Lösung.

Das Programm wurde ursprünglich von der deutschen Firma innotek entwickelt, diese wurde im Februar 2008 von Sun Microsystems aufgekauft. Sun wiederum gehört seit Januar 2010 zum Datenbankkonzern Oracle. Letzterer entwickelt VirtualBox weiter, hat den Namen aber offiziell in Oracle VM VirtualBox geändert.

Besonderer Vorteil der Software: Nahezu jedes populäre Betriebssystem wird als Host-System unterstützt. Im Download-Bereich finden sich die passenden Dateien für Windows, Linux, Mac OS oder Solaris. Alternativ kann man die Open-Source-Version aus den Quellen selbst kompilieren.

Oracle VM VirtualBox im Überblick

Produkt

Oracle VM VirtualBox

Version

3.1.6

Hersteller

Oracle (Sun)

Download

Herstellerseite

Host-Systeme

Linux, Windows, Mac OS, Solaris

Gast-Systeme

Linux, Windows (bis inklusive Windows 7 und Server 2008 R2), Solaris, BSD; IBM OS/2, andere Einstellungen

Prozessoren

32- und 64-Bit

Zusatzfunktionen

Snapshot, nahtlose Integration mit dem HostSystem, 3-D-Beschleunigung, Zugriff auf USB-Geräte, RDP-Zugriff

Preis

kostenlos, Enterprise Lizenz zirka 50 Euro

VirtualBox 3.1
VirtualBox 3.1
Die Virtualisierungs-Software VirtualBox ist für den Privatgebrauch und Evaluierung kostenlos. Es existiert auch eine Open-Source-Version.
VirtualBox 3.1
Die virtuelle Hardware muss auf dem Quell- und …
VirtualBox 3.1
… dem Ziel-Rechner gleich sein.
VirtualBox 3.1
Sowohl Quelle als auch Ziel müssen die gleiche Festplattekonfiguration verwenden.
VirtualBox 3.1
Zunächst setzen Sie das Ziel in einen Wartezustand.
VirtualBox 3.1
ach einem Start des virtuellen Ziels, wartet es geduldig auf den Teleport.
VirtualBox 3.1
Dieser virtuelle Rechner soll auf eine andere Hardware übertragen werden.
VirtualBox 3.1
Kaum ist der Teleportations-Vorgang gestartet …
VirtualBox 3.1
… ist er auch schon beendet. In Sekundenschnelle war das System wieder einsatzbereit.
VirtualBox 3.1
Die virtuelle Maschine läuft in dem Status, in dem wir es übertragen haben.
VirtualBox 3.1
Der VM-Manager der Quelle unterrichtet uns von einer gelungenen Übertragung.
VirtualBox 3.1
Mit Version 3.1 lassen sich die Schnappschüsse verzweigen und gezielt wieder herstellen.
VirtualBox 3.1
Das von KVM entwickelte VirtIO unterstützt VirtualBox 3.1 ebenfalls.
VirtualBox 3.1
Windows-Gäste können ab sofort auf Unterstützung für 2D-Beschleunigung zurückgreifen.
VirtualBox 3.1
Mit dem neuen Storage-Manager lassen sich mehr als ein CD-/DVD-Laufwerk einbinden.
VirtualBox 3.1
Als Alternative zum herkömmlichen BIOS bietet VirtualBox 3.1 EFI-Unterstützung an.

Features und Funktionen

Seit unserem letzten Test hat sich die VirtualBox deutlich weiterentwickelt. Zum Testzeitpunkt liegt Version 3.1.6 vor. Doch nicht nur die Versionsnummer hat mit der 3.x einen großen Sprung getan. Der Kauf durch Sun hat die Entwicklung anscheinend positiv beeinflusst. Denn die aktuelle VirtualBox kann mit zahlreichen professionellen Features aufwarten. Besonders praktisch für den Alltag: Virtuelle Maschinen lassen sich nun pausieren und wieder starten.

Eine Übersicht über die Neuerungen finden Sie in unserem Artikel „VirtualBox 3.1 – die wichtigsten Neuerungen“. Dabei gehen wir vor allem auf das Teleportations-Feature ein, mit dem virtuelle Maschinen zwischen verschiedenen physikalischen Hosts transportiert werden können.

Auslastung: Die virtuellen Systeme benötigen in erster Linie Arbeitsspeicher.

Ebenfalls neu ist die Unterstützung für 64-Bit-Betriebssysteme, und die Software kann jetzt sowohl mit Intels VT-x als auch mit AMDs AMD-V umgehen. Gastsysteme können dadurch die Vorteile von 64-Bit nutzen. Das bietet den Gästen nicht nur den Zugriff auf mehr Arbeitsspeicher, sondern macht bestimmte Virtualisierungsszenarien erst möglich: So setzt beispielsweise die aktuelle Version von Microsoft Server 2008 R2 eine 64-Bit-Umgebung voraus.

Installation eines Gastsystems
VirtualBox
Allgemeine Einstellungen der virtuellen Maschine.
VirtualBox
Die Systemeinstellungen.
VirtualBox
Einstellungen zur Anzeige.
VirtualBox
Die RDP-Funktionen.
VirtualBox
Die Massespeicher-Einstellungen. Hier können neuen Festplatten hinzugefügt werden.
VirtualBox
Die Einstellungen für Audio-Funktionen.
VirtualBox
Die Netzwerkeinstellungen.
VirtualBox
Die Einstellung für serielle Schnittstellen.
VirtualBox
Die Einstellungen für USB
VirtualBox
Die Einstellungen für gemeinsame Ordner.
VirtualBox
Der Startassistent.
VirtualBox
Auswahl des Installationsmediums
VirtualBox
Der ISO-Manager verwaltet die verschiedenen Medien.
VirtualBox
Auswahl des Installationsmediums
VirtualBox
Die Zusammenfassung der Installation
VirtualBox
Die Installation von Ubuntu in VirtualBox

Besondere Erwähnung verdient der “nahtlose Modus“. Dabei werden einzelne Programme, die in der virtuellen Maschine ausgeführt werden, direkt im Host-System angezeigt. Das ist beispielsweise praktisch, wenn ein älteres Programm weiter genutzt wird oder wenn eine Website mit mehreren Browsern unterschiedlicher Betriebssysteme getestet werden soll.

Möglich wird der nahtlose Modus durch die Gasterweiterungen von VirtualBox. Doch diese Erweiterungen bringen noch mehr: Sie ermöglichen beispielsweise, dass der Nutzer den Eingabemodus nahtlos zwischen dem virtuellen und dem Host-System wechseln kann – ohne dass ein spezieller Hotkey gedrückt werden muss. Außerdem liefert VirtualBox über diese Erweiterungen eine sehr gute 3-D-Leistung für das virtuelle System. Nach der Installation der Erweiterungen arbeitet das Gastsystem deutlich schneller, unter Linux lassen sich beispielsweise auch die Compiz-Erweiterungen für Gnome und KDE nutzen. Weitere Informationen zu den Gasterweiterungen finden sich hier.

Open-Source oder proprietär: die Lizenzmodelle

Oracle VM Virtual Box wird in mehreren Lizenzmodellen angeboten. Zum Testen oder für private Nutzer ist das Programm kostenlos unter der VirtualBox Personal Use and Evaluation License verfügbar; diese ist allerdings proprietär. Für den kommerziellen Einsatz können reguläre Lizenzen über Oracle bezogen werden.

Einschränkung: RDP und USB gibt es nur in der proprietären Lizenz.

Alternativ hat innotek vor der Sun-Übernahme im Januar 2007 eine Open-Source-Version unter der GPL veröffentlicht. Diese VirtualBox Open Source Edition (OSE) ist nahezu inhaltsgleich mit der proprietären Version, allerdings müssen Nutzer hier auf drei Funktionen verzichten, die nur in den proprietären Varianten enthalten sind. Diese sind:

Diese Lizenzierung schränkt den Einsatz der Open-Source-Version teilweise ein. Sie eignet sich aber dennoch als Grundlage für einen Server, die RDP-Funktionen lassen sich schließlich mit verschiedenen Lösungen nachrüsten.

In der Praxis

Sun hat mit den Assistenten von VirtualBox einen guten Job gemacht. Die Software ist inzwischen komplett auf Deutsch übersetzt, daneben lassen sich zahlreiche weitere Sprachpakete nachladen. Das Anlegen neuer virtuellen Maschinen geht relativ schnell von der Hand, ein Assistent führt Schritt für Schritt durch die Grundkonfiguration, die auch das Anlegen einer virtuellen Festplatte beinhaltet. Zunächst ungewohnt: ISO-Dateien von Betriebssystemen müssen zuerst in ein Verzeichnis von VirtualBox aufgenommen werden, bevor sie zur Installation verwendet werden können. Das sorgt zunächst für einen zusätzlichen Schritt, zahlt sich aber spätestens dann aus, wenn mehrere Systeme aufgesetzt werden sollen. Denn so stehen die ISO-Dateien immer zur Verfügung und müssen nicht erst auf der Festplatte gesucht werden.

VirtualBox: Anlegen einer neuen virtuellen Maschine.
VirtualBox
Neue virtuelle Maschine anlegen.
VirtualBox
Auswahl des Gastsystems.
VirtualBox
Zuweisen des Arbeitsspeichers.
VirtualBox
Virtuelle Festplatte anlegen.
VirtualBox
Erzeugen der Festplatte
VirtualBox
Typ der Festplatte anlegen.
VirtualBox
Speicherort und Größe festlegen.
VirtualBox
Zusammenfassung der virtuellen Festplatte.
VirtualBox
Zusmmenfassung der neuen virtuellen Maschine.

Ist das Gastsystem aufgesetzt, sollten zunächst die Gasterweitungen installiert werden. Wie weiter oben beschrieben, bringen diese nicht nur neue Funktionen mit sich, sondern sorgen auch für einen deutlichen Zuwachs an Geschwindigkeit. Problematisch allerdings: Während in unserem Test unter Linux die 3-D-Effekte von Compiz problemlos funktionierten, wollte Microsoft Windows 7 die Aero-Effekte nicht aktivieren. Grund dafür ist der Treiber der virtuellen Grafikkarte. Dieser entspricht nicht dem Windows Display Driver Model (WDDM), sodass die Aero-Effekte ihre Arbeit verweigerten.

Zusätzliche Funktionen: Die Gasterweiterungen bringen zusätzliche Features und bessere Hardwareunterstützung.

Abgesehen von diesen grafischen Einschränkungen arbeitet Windows 7 aber problemlos in VirtualBox. Auch die Auslastung des Host-Systems hält sich in Grenzen. Im Test liefen zwei Maschinen parallel (Windows 7 und Ubuntu 9.10), und dennoch ließ es sich bequem arbeiten. Die CPU unseres Testsystems war zu etwa 15 Prozent ausgelastet, deutlich mehr Last lag allerdings auf dem Arbeitsspeicher. Mit den zwei virtuellen Maschinen und den sonstigen offenen Programmen wurden ständig etwa 6 GByte von insgesamt 8 GByte Arbeitsspeicher belegt. Wer also mehrere virtuelle Maschinen parallel über einen längeren Zeitraum betreiben will, sollte in jedem Fall ein 64-Bit-Host-System mit ausreichend Arbeitsspeicher verwenden.

VirtualBox bietet ein eigenes Snapshot-System. Damit können die Zustände virtueller Maschinen gespeichert werden. Das ist beispielsweise dann nützlich, wenn experimentelle Software getestet werden soll. Für die Erstellung eines Snapshots muss das virtuelle System allerdings heruntergefahren werden, während des Betriebs ist eine Abbilderstellung nicht möglich. Einmal erstellte Images können zwar gecloned werden, dies geschieht aber über die Kommandozeile. Abhilfe schafft das Tool CloneVDI. Dieses bietet nicht nur eine grafische Oberfläche für Clone-Aktionen, es kann außerdem die Größen der virtuellen Festplatten ändern und so beispielsweise mehr Speicherplatz zur Verfügung stellen.

Integration: der Nahtlos-Modus im Einsatz.

Dafür kann VirtualBox mit dem OVF-Format umgehen. Dieses wurde von VMware kreiert, um virtuelle Appliances verteilen zu können. Anders als etwa VMDK enthält eine OVF-Datei auch Informationen zur virtuellen Hardware einer Appliance. So kann man beispielsweise definieren, wie viele Netzwerkkarten enthalten sind, wie leistungsfähig die virtuelle CPU ist oder wie viel Arbeitsspeicher zur Verfügung steht. Das ermöglicht komplett eigenständige virtuelle Appliances, wie sie beispielsweise im Marketplace von VMware zur Verfügung stehen. Eine alternative Übersicht bietet beispielsweise die Website VirtualBoxImages.

Fazit und Ausblick

VirtualBox hat sich von der reinen Spielerei für Computer-Profis zu einem einfach zu bedienenden und vielseitigen Hypervisor entwickelt. Die Software steht anderen kommerziellen Produkten wie VMware Workstation oder Microsoft Virtual PC kaum nach - lediglich die Treiber für Windows-Grafikkarten und die Cloning-Funktionen sollten noch verbessert werden.

Treiber-Probleme: Windows 7 mag die Treiber von VirtualBox nicht.

Dafür sichert die Open-Source-Version die Unterstützung einer breiten Community. Das schlägt sich beispielsweise in Projekten wie vboxweb oder dem oben erwähnten CloneVDI nieder. Diese Projekte wollen die VirtualBox Web Console komplett überarbeiten und eine modernes, auf AJAX-basierendes Web-Interface schaffen, mit dem sich auch entfernte Server einfach und bequem administrieren lassen. Auch Sun hat die Entwicklung keineswegs aufgegeben. Im Gegenteil, VirtualBox soll Teil der VDI (Virtual Desktop Infrastructure) Lösung werden.

Gegenüber Microsoft Virtual PC ist VirtualBox eine moderne Virtualisierungslösung, die zudem beständig weiterentwickelt wird. Sie ist außerdem deutlich billiger als VMware Workstation und ermöglicht einen einfachen Einstieg in die Virtualisierung.

Die Oracle VM VirtualBox wird ständig überarbeitet. Aktuell ist die Version 3.2.8 verfügbar. Diese Variante erlaubt, Mac OS X als Betriebssystem zu installieren. Zusätzlich hat der Hersteller die 3D-Unterstützung verbessert und eine Snapshot-Verwaltung integriert. Darüber hinaus ermöglicht die Virtualisierungslösung jetzt VM-Sessions, von Host zu Host live zu migrieren. (hal)