Open-Source mit Kundendienst

28.06.2002
Linux erobert die Datenzentren und Applikationsserver von Enterprise-Anwendungen. Bei der Auswahl der Distribution entscheiden nicht nur technische Eigenschaften, sondern auch die Menge an verfügbaren Programmen und die Support-Verträge der Anbieter.

Von: Dr. Klaus Plessner

Stabilität, Performance und Skalierbarkeit - so heißen die Kerneigenschaften, die Unternehmen von einer Plattform für firmenkritische Anwendungen erwarten. "Klassische Großkunden, die auf Linux umsteigen, stellen dieselben Anforderungen wie an ihre bisherigen Mainfraime- oder Unix-Systeme", sagte Jörg Ludwig, Linux-Manager von IBM Deutschland. Und das Open-Source-Betriebssystem entspricht ihren Erwartungen immer mehr. Denn die Plattform hat in den vergangenen Monaten gerade bei der Hochverfügbarkeit und beim Clustering viel dazugelernt. Lediglich die Fähigkeit "vertikal" zu skalieren, viele Prozessoren parallel anzusprechen, hinkt gegenüber Unix- und Mainframe-Betriebssystemen noch hinterher. Bislang managt Linux maximal acht CPUs. Das ist wenig im Vergleich zu Parallelschaltungen von 32 und mehr Rechenbausteinen unter Solaris und AIX.

Komfortables Management

So wichtig wie die Technik sind Tools für ein einfaches und zeitsparendes Management der Plattform. Eine grafische Oberfläche für den Systemadministrator erleichtert die Konfiguration der Server und Netzwerkdienste und gehört zum Standardumfang des Unix-Klons. "Webmin" findet man auf den CD-ROMs der gängigen Linux-Anbieter Caldera, Suse und Red Hat. Dazu haben die Distributoren ihre eigenen Ergänzungen beigesteuert, zum Beispiel "Volution" von Caldera, ein Programm für das Management von Servern und Clients, "Satellite Server" von Red Hat, ein Tool zum Verteilen von Software und Systemupdates oder "Yast2", eine Installationsoberfläche von Suse, die auch für verschiedene Aufgaben des Systemmanagers geeignet ist. In Sachen Netzmanagement und Performance-Kontrolle haben Entwickler der Open-Source-Gemeinde einige Utilities, wie zum Beispiel "Service Monitor Daemon" (Mon) vom Kernel-Architekten Jim Trocki, beigesteuert. IDC-Analyst Dan Kusnetzki fand jedoch Anfang des Jahres, dass die Community in der Managementdisziplin noch nachbessern müsse. Ein Mangel, den auch die Distributoren bislang noch nicht behoben haben.

Große Auswahl an Software

Eine Plattform für Unternehmensanwendungen taugt wenig, wenn die Applikationen einer Firma darauf nicht laufen. Alle größeren Distributoren sind aus diesem Grund Partnerschaften mit Softwareherstellern eingegangen, damit diese ihre Produkte auf die Open-Source-Plattformen der Anbieter abstimmen. Alle haben Kontakte zu den wichtigen Datenbankproduzenten. Red Hat kooperiert außerdem zum Beispiel mit BMC, Checkpoint, Computer Associates, IBM, Legato, Novell, Tibco und Veritas. Im Juni hat der Distributor ein Team mit Oracle und Dell gebildet, das Datenbank-Appliances auf den Markt bringt. Eine Vertriebspartnerschaft mit Computer Associates und Veritas besteht allerdings nicht mehr. Nur die ältere Version 7.0 der CD-Sammlung enthält noch die Programme "Unicenter TNG" und "Netbackup" dieser Hersteller.

Red Hat plant, die Kooperation für den Advanced Server wieder aufzunehmen und weitere Partnerschaften einzugehen.

Suse arbeitet mit Anbietern von Software verschiedener Anwendungsbereiche zusammen, darunter Caché fürs Datenmanagement, Hyperwave und Vshop für E-Commerce-Plattformen oder Asdis und BMC für das Software- und Netzmanagement. Eine Reihe von gebündelten Produkten wie der "Database Server" mit einer DB2-Datenbank von IBM oder der "Groupware Server" mit Lotus Domino sind daraus hervorgegangen. Caldera unterhält Beziehungen zu hunderten in den USA ansässigen Firmen - davon aber nur eine handvoll hier zu Lande bekannter Anbieter wie Computer Associates, Novell und Silverstream.

Schnelles Support-Team

Falls einer der Firmenserver ausfällt oder die Administratoren beim Einspielen eines Updates Schwierigkeiten haben, braucht die DV-Abteilung die rasche Unterstützung eines Support-Teams des Distributors oder eines seiner Partner. Alle Anbieter stehen dem Anwender standardmäßig via E-Mail zur Verfügung. Gegen Aufpreis helfen sie auch am Telefon. Fast alle kommen auf Wunsch auch ins Haus. Weil der Support von Mandrake von der französichen Zentrale aus funktioniert, bietet die Firma selbst keinen Vor-Ort-Service an; Nur über das Münchner Systemhaus Linuxland, das auch eine eigene Debian-Distribution auf den Markt gebracht hat, aber was den Kundendienst anbelangt, von Berlin aus operiert. Mandrake- und Debian-Anwender im süddeutschen Raum warten deshalb lange auf den Service und zahlen viel.

Je größer ein Unternehmen, desto langfristiger arbeiten seine Systemplaner und Projektmanager. Von einer Plattform für Firmenanwendungen erwarten sie eine hohe Investitionssicherheit. Gute Zukunftsaussichten der Anbieter sind ihnen daher ein wichtiges Anliegen. Red Hat, der Weltmarktführer, wird vermutlich auch weiterhin die Spitze behaupten. Der Anbieter baut zurzeit seine Beziehungen zu Softwareherstellern aus, um das Marktangebot an Programmen für Unternehmen zu erweitern. Außerdem plant Red Hat eine Linux-Distribution für professionelle Desktop-Anwender. Das Paket "Advanced Desktop", das künftig den "Advanced Server" ergänzen soll, ist für Programmentwickler und CAD-Arbeitsplätze gedacht und wird auch die Bürosoftware "Open Office" enthalten.

United gegen Red Hat

Caldera, Suse und andere Linux-Schmieden machen gemeinsame Front gegen Red Hat und haben eine Initiative gegründet, die ihre Produkte auf eine standardisierte Basis stellen wird. "Powered by United Linux" steht als Untertitel auf den CD-Paketen der Hersteller, sobald sich die United-Linux-Propagatoren auf ein gemeinsames Betriebssystem geeinigt haben. Die erste Verison ihres Betriebssystems wollen sie gegen Ende des Jahres herausbringen. Nach wie vor werden die Mitglieder der Initiative ihre eigenen Distributionen anbieten, die neben der einheitlichen Linux-Basis weitere Programme enthalten. Turbolinux und Conectiva, die übrigen Mitglieder von United Linux, haben andere geografische Schwerpunkte und bieten in Europa keinen kommerziellen Support.

Suse hat mehrere Pakete für spezielle Anwendungen im Programm, darunter ein E-Mail-Server und ein Access-Server, die auf United Linux basieren werden. Das Installations- und Management-Tool Yast2 wurde von den Nürnbergern selbst entwickelt und nicht als Open Source veröffentlicht. Ähnlich wie der United-Linux-Mitstreiter Caldera, der seine Distribution mit der proprietären Managementsoftware Volution ausliefert, glaubt auch Suse nicht, dass Quellcodes stets offen und für alle zugänglich sein müssen. Red Hat dagegen beharrt nach eigenen Angaben auf der Open-Source-Überzeugung. "Alle Programme des Softwareproduzenten", so Dieter Hoffmann, Managing Director Central Europe bei Red Hat, "sind nach dem GNU-Modell lizenziert." Sie können von jedem Programmierer verändert werden, der seine Ergänzungen der Community uneingeschränkt als Open-Source zur Verfügung stellt. Ob die Produkte mit proprietären Zusätzen ausgestattet sind oder nicht, dürfte jedoch für Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Für freien Code spricht lediglich, dass Open-Source-Software von der Linux-Gemeinde mit etwas Glück auch nach einem Konkurs des Urhebers noch weiterentwickelt wird.